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Renggli ist begeistert vom Forschungskredit, da dieser viel Freiheit biete. Man könne sich auf ein Thema konzentrieren, das einem ganz entspreche, ohne thematisch an ein grösseres Projekt gebunden zu sein. Zudem ermögliche die finanzielle Unterstützung, dass man sich vollzeitlich einem Forschungsprojekt widmen könne – was für die Volkskundlerin einen besonderen Genuss darstellt, schlägt ihr Herz doch für die Forschung. Nach dem Doktorat möchte sie denn auch weiter Forschung betreiben.
Das Projekt verfolgt auf der wissenschaftlichen Ebene das Ziel, das Thema Behinderung und den angloamerikanischen Forschungsansatz der «Disability Studies» in die Volkskunde einzuführen, da diesem Thema in dieser Fachrichtung bisher kaum Beachtung geschenkt worden ist. Disability Studies beschäftigen sich vor allem mit dem Modell Behinderung als soziales Konstrukt. Dabei wird Behinderung nicht wie in den geläufigen medizinischen Modellen als Defizit, sondern als eine Zuschreibung verstanden. Disability Studies schauen über physische oder psychische Funktionsstörungen hinaus. Ihre Stärke liegt darin, die bisher weit verbreitete medizinische Definition von Behinderung zu hinterfragen und damit eine Grundlage zu liefern, Behinderung neu zu sehen.
Renggli hat Behinderung bis jetzt vereinfacht ausgedrückt als «Differenz zu dem, was als normal angesehenen wird» definiert. Am klarsten wird diese Differenz in Bildern dargestellt, hat die Doktorandin herausgefunden. Bilder und das darauf Sichtbare beziehungsweise Unsichtbare haben deshalb im Verlauf ihrer Dissertation stark an Bedeutung zugenommen. Was ist sichtbar, was nicht? diese Fragen leiten sie bei der Analyse. Auch der begleitende Text wird dabei berücksichtigt. Es geht jedoch nicht nur um physische Bilder, wie wir ihnen beispielsweise in Zeitungen oder auf Plakaten begegnen, sondern auch um Bilder im Kopf.
Auf der gesellschaftlichen Ebene untersucht Renggli empirisch die Vielfalt unterschiedlichster Bilder von Behinderung. Dazu hat sie sich drei Leitfragen gestellt. Welche Bilder bestehen von Behinderung und Normalität? Wie und weshalb entsteht eine Differenz zwischen Behinderung und Normalität? Welche Folgen hat das Empfinden einer Differenz für das Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderung beziehungsweise der Menschen mit Behinderung? Zur Beantwortung dieser zentralen Fragen analysiert sie Bildmaterial aus Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Internet, Fernsehsendungen) und Politik, führt Fotobefragungen zur Ermittlung subjektiver Sichtweisen durch und macht ethnographische Beobachtungen.
Interessanterweise wird Renggli von ihren Interviewpartnerinnen oder -partnern oft als Expertin für Behinderung angeschaut. Doch sei ihre Sichtweise ebenso subjektiv wie die ihres Gegenübers, betont sie. Ihr gehe es vor allem darum aufzuzeigen, «wie vielfältig Behinderung angeschaut werden kann», erklärt die Forscherin. Auf gesellschaftlicher Ebene versteht sie ihre Dissertation denn auch als kleinen Beitrag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Auf wissenschaftlicher Ebene möchte sie erreichen, dass dem Thema im volkskundlichen Diskurs grössere Bedeutung beigemessen wird.