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Digitalstrategie der UZH

«Das Verbindende stärken»

Die erste Version der UZH Digitalstrategie ist ausgerollt. Viele Mitarbeitende und Studierende haben wesentliche Beiträge dazu geleistet. Warum es die Digitalstrategie braucht und in welche Richtung sie zielt, erklären Rektor Michael Schaepman und Harald Gall im gemeinsamen Interview.
Interview: David Werner
Die Zukunft gestalten: Mission der UZH Digitalstrategie.

Die Digitalstrategie der UZH richtet sich darauf, Forschung, Studium, Lehre und Dienstleistungen an der UZH flexibler, effizienter und nutzungsorientierter zu organisieren und die digitalen Kompetenzen und die Kreativität ihrer Angehörigen im Umgang mit digitalen Technologien zu fördern.

«Die Digitalstrategie hilft dabei, uns darüber zu verständigen, welche Universität wir in Zukunft wollen», sagt Rektor Michael Schaepman. Und Harald Gall ergänzt: «Eines der Ziele der Strategie ist es, an der UZH eine Kultur der Offenheit gegenüber digitalen Technologien und der digitalen Transformation zu etablieren.»

Harald Gall ist Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und Vorsitzender des neu etablierten Digital Strategy Boards der UZH, das seit Juni 2023 die Universitätsleitung in Fragen der digitalen Entwicklung berät. Er gehörte zum Kernteam des Tomlinson-Projekts, das die Digitalstrategie der UZH erarbeitete.

 

Herr Schaepman, wer war Raymond Tomlinson?

Michael Schaepman: Ray Tomlinson war der Erfinder des emails. Er stellte seine Erfindung grosszügig der Gesellschaft zur Verfügung und revolutionierte so den Informationsaustausch.

Sie haben das Projekt zur Erarbeitung der UZH-Digitalstrategie nach Tomlinson benannt. Warum?

Schaepman: Die Welt ist dank Tomlinsons Erfindung zusammengerückt. Auch unsere Digitalstrategie hat zum Ziel, das Verbindende zu stärken.

Michael Schaepman

Eine Integration bestehender Prozesse würde es uns erlauben, den gesamten Universitätsbetrieb dynamischer zu planen, als das heute möglich ist.

Michael Schaepman
Rektor

Herr Gall, Sie haben einen kleinen blauen Ball mitgebracht. Was hat es damit auf sich? 

Harald Gall: Der Ball symbolisiert die Art und Weise, wie wir im Tomlinson-Projekt vorgegangen sind. Es war ein partizipativer Prozess. Um das Kernteam herum hatten wir einen Kreis von Key-Stakeholdern aus der UZH, darum herum einen Kreis von Personen aus unseren internationalen Netzwerken wie U21, LERU oder Una Europa. Zudem ermöglichte das neue Format des Community Reviews allen interessierten Studierenden und Mitarbeitenden, ihre Gedanken und Beiträge einzubringen. Wir haben uns gegenseitig den Ball zugespielt – in Form von Ideen und Einwänden, Anregungen und Feedback.

Das Tomlinson-Projekt ist beendet, die Strategie mit ihren Zielbildern ist lanciert. Wo stehen wir heute? 

Gall: Wir haben an der UZH verschiedenste digitale Systeme, die ihren jeweiligen Zweck meist erfüllen, die aber untereinander kaum verbunden und zu wenig auf die Menschen ausgerichtet sind, die sie benutzen. Zum Beispiel auf die Studierenden. Um ihr Studium zu organisieren, bedarf es vieler Einzelschritte: Module müssen gebucht, Stundenpläne erstellt, Themen für Abschlussarbeiten eingegeben, Leistungsnachweise bezogen werden – und so weiter. Das geschieht heute alles in separaten Prozessen.

Harald Gall

Wir haben an der UZH verschiedenste digitale Systeme, die ihren jeweiligen Zweck meist erfüllen, die aber untereinander kaum verbunden und zu wenig auf die Menschen ausgerichtet sind, die sie benutzen.

Harald Gall
Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Was ist das Ziel?

Gall: Das Ziel ist, dass die Studierenden von einem digitalen Zugangspunkt aus durch all diese Prozesse hindurchgeführt werden. Auch Ein- und Austrittsprozesse von Mitarbeitenden und viele weitere Prozesse in der Forschung, der Lehre und der Administration könnten so gestaltet werden.

Schaepman: Das Prinzip integrierter Prozesse lässt sich mit einer Analogie aus dem Verkehrswesen veranschaulichen: Wer vor dreissig Jahren eine Reise per Bahn, Postauto und Schiff durch die Schweiz plante, musste in den Kursbüchern der verschiedenen Verkehrsanbieter blättern. Später wurden diese digitalisiert, was zunächst aber keinen grossen Vorteil für die Reisewilligen brachte: Nach wie vor mussten sie verschiedene Fahrpläne durchforsten, um die beste Verbindung von A nach B zu finden. Heute reicht dazu eine einzige Sucheingabe auf der SBB-App, um verschiedenste Quellen zu verknüpfen.

Die Digitalisierung der Kursbücher war also gar nicht der entscheidende Schritt?

Schaepman: Nein, das ist erst die Vorstufe. Die App integriert die Fahrplan-Information verschiedener Anbieter und verknüpft sie im Hintergrund so, dass ich mithilfe der Funktionalitäten auf der Oberfläche rasch und einfach eine Reise planen kann. Das ist der Schritt, vor dem wir an der UZH stehen: Es geht um die Anpassung der Prozesse an die Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzenden. Dazu braucht es nahtlose Prozess- und Datenübergänge im Sinne des sogenannten End-to-End-Prinzips.

Eine solche Integration bestehender Prozesse würde es uns erlauben, den gesamten Universitätsbetrieb dynamischer zu planen, als das heute möglich ist. Lehrveranstaltungen zum Beispiel müssten nicht immer zu einer bestimmten Zeit im selben Saal durchgeführt werden, stattdessen könnten die Räume entsprechend der erwarteten Studierendenzahl flexibel gebucht werden. So können wir unsere räumlichen Ressourcen intelligenter und wirtschaftlicher nutzen.

Wie weit soll die digitale Transformation an der UZH gehen?

Schaepman: Es gibt Grenzen dessen, was wir erreichen können, und Grenzen dessen, was wir erreichen wollen. Je mehr wir können, desto häufiger wird sich die Frage stellen, was davon wir wollen. In ein paar Jahren werden wir wirkungsvoller als heute über die Frage diskutieren können, wie flexibel und wie dynamisch wir unsere Systeme gestalten wollen. Heute ist flexibles Zusammenspiel integrierter Prozesse noch gar nicht möglich, weil unsere Daten nicht die nötige Qualität haben und unser Datenmanagement zu fragmentiert ist.

Gall: Aus diesem Grund ist die Digitalstrategie zum jetzigen Zeitpunkt wichtig. Wir brauchen eine gesamtheitliche Entwicklungsperspektive, um verstärkt auf eine qualitativ hochwertige Datenhaltung und ein koordiniertes Datenmanagement hinzuarbeiten.

Mehr zu kommunizieren heisst nicht, besser zu kommunizieren.

Michael Schaepman
Rektor

Ist mehr digitale Interaktion per se immer ein Fortschritt?

Schaepman: Nein. Mehr zu kommunizieren heisst nicht, besser zu kommunizieren. Die Einführung neuer Kanäle wie MS Teams oder Slack hat dazu geführt, dass wir an der UZH immer schneller und immer mehr kommunizieren. Zugleich beklagen wir uns oft über die Daten- und Informationsflut. Wir sind dieser Flut aber nicht hilflos ausgesetzt wie einem Naturereignis. Wir können unser Kommunikationsverhalten eigenverantwortlich reflektieren und regulieren. Das gilt auf individueller wie auf gesamtuniversitärer Ebene – wo dem Thema eine strategische Dimension zukommt: Wir wollen unseren Umgang mit digitalen Medien und Technologien aktiv und selbstverantwortlich gestalten.

Wie steht es um die Flughöhe der Digitalstrategie: Ist sie eher realistisch oder eher visionär?

Gall: Diese Frage haben wir auch im Community Review gestellt. Eine deutliche Mehrheit der Teilnehmenden war der Meinung, die Digitalstrategie sei eher realistisch als visionär. Ich teile diese Einschätzung. Wir haben Zielbilder formuliert, von denen wir glauben, dass sie in fünf bis zehn Jahren erreicht werden können.

Das Spektrum der Wünsche reicht vom Formular bis hin zum Avatar.

Harald Gall
Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Welche Erwartungen haben UZH-Angehörige im Hinblick auf die digitale Weiterentwicklung der UZH?

Gall: Die Erwartungen sind sehr breit gefächert, wie der Community Review gezeigt hat: Das Spektrum der Wünsche reicht vom Formular bis hin zum Avatar. Auf der pragmatischen Seite wurden zum Beispiel verbesserte Geschäftsprozesse vorgeschlagen, auf der Avantgarde-Seite neben Avataren unter anderem Roboter zur Unterstützung der Lehre.

Wie geht man mit so unterschiedlichen Erwartungen um?

Schaepman: Wichtig ist der Austausch darüber. Mit der Digitalstrategie haben wir jetzt einen geeigneten Bezugspunkt dafür. Sie hilft, uns darüber zu verständigen, welche Universität wir in Zukunft wollen.

Wie sind die Feedbacks des Community Reviews in die Strategie eingeflossen?

Schaepman: Ein Community Review ist kein formelles Verfahren wie eine Vernehmlassung. Wir wollten damit den Prozess der Selbstverständigung über die digitale Entwicklung der UZH anstossen und erhofften uns Anregungen und Vorschläge für die Strategieentwicklung. Wichtiger als die Quantität der Rückmeldungen war uns deshalb die Qualität. Und diese war sehr hoch. Wir erhielten Kommentare, die eine substanzielle Verbesserung der Strategie bewirkten, zum Beispiel bei den Themen Nachhaltigkeit und Gesellschaftsbezug. Das partizipative Verfahren war aufwändiger als ein Top-Down-Prozess, hat sich aber gelohnt. Wir werden weiterhin solche Community Reviews durchführen.

Wo sehen Sie die grösste Herausforderung bei der digitalen Entwicklung der UZH? 

Schaepman: Die Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit ist angesichts der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung eine besonders komplexe Herausforderung. Damit steht die UZH aber nicht allein, vor dieser Herausforderung steht die ganze Gesellschaft.

Ich erhoffe mir Mut zur Veränderung und Bereitschaft, konstruktiv und kritisch mitzudenken.

Michael Schaepman
Rektor

Hat die UZH spezifische Vorteile im Hinblick auf die digitale Transformation? 

Gall: Ein spezifischer Vorteil ist, dass wir die Forschungskompetenz bereits im Haus haben. Im Zusammenhang mit der Digital Society Initiative und der Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen wurden in den letzten zehn Jahren mehr als 30 Professuren im Digitalbereich geschaffen – mit Schwerpunkten wie etwa Bildungstechnologie, Legal Technology oder Blockchain.

Setzt die UZH bei den digitalen Services auf kreative Eigenentwicklungen oder kauft sie Standardlösungen ein?

Schaepman: Fast alle digitalen Technologien verdanken sich Erfindungen, die an Universitäten gemacht wurden, vom Internet bis zum Wi-Fi. Trotzdem ist es vernünftig, wenn Universitäten etablierte Technologien auf dem Markt einkaufen oder OpenSource-Software einsetzen. Gewisse Lösungen kauft man besser extern ein, andere entwickeln und betreiben wir besser intern.

Gall: Wir wollen das kreative Potenzial der UZH in Bereiche lenken, wo der Markt noch nichts zu bieten hat. Zum Beispiel wird am Institut für Informatik derzeit eine Blockchain Wallet für Studienzertifikate entwickelt. Und warum nicht einmal ausprobieren, wie Avatare für Forschende und Studierende funktionieren könnten? Wir können solche Ideen experimentell an der Universität austesten. Der Schritt hin zur Anwendungsreife sollte dann aber ausserhalb der Universität gemacht werden, zum Beispiel im Rahmen eines Spin-offs oder mit Partnern aus der Wirtschaft.

Herr Gall, Sie haben immer noch den kleinen blauen Ball in der Hand. Was geschieht jetzt damit?

Gall: Ich werfe ihn den Studierenden und Mitarbeitenden der UZH zu – und hoffe, dass er wieder zurückkommt! Ich möchte den Austausch mit der UZH-Community, der in der Entwicklungsphase der Digitalstrategie in Gang gekommen ist, weiterhin in Schwung halten, damit unsere gemeinsamen Ideen zum Fliegen kommen.

Welche Erwartungen haben Sie an die UZH-Angehörigen im Hinblick auf die digitale Transformation, Herr Schaepman?  

Schaepman: Ich erhoffe mir Mut zur Veränderung und Bereitschaft, konstruktiv und kritisch mitzudenken. Von den Zurückhaltenden wünsche ich mir Offenheit für Neues, und von jenen, denen manches zu langsam geht, Geduld. Wir haben alle schon erfahren und gelernt, dass zwar viele, aber nicht alle digitalen Neuerungen den Alltag in jedem Fall erleichtern. Bei der Zwei-Faktor-Authentifizierung zum Beispiel geht Sicherheit vor Nutzungsfreundlichkeit. Wichtig ist mir noch dies: Die UZH bleibt eine Präsenzuniversität. Digitale Technologie unterstützt den Universitätsbetrieb. Sie ergänzt den unmittelbaren Austausch vor Ort, aber sie ersetzt ihn nicht.

Video-Testimonials zur digitalen Zukunft der UZH

«Ich wünsche mir, dass wir den digitalen Wandel ganzheitlich gestalten», sagt Sandra Cortesi, Oberassistentin am Institut für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung.
Dylan Bastiaans, PhD Student, Paläontologie