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Lateinamerika Zentrum Zürich

Lateinamerika-Studien sind begehrt

Vor acht Jahren gegründet, hat sich das Lateinamerika Zentrum Zürich der UZH etabliert. Aktivitäten, die sich sowohl an ein akademisches als auch ein breites Publikum richten, kommen an. Nun soll das Angebot für Studierende ausgebaut werden.
Stefan Stöcklin
Eine Veranstaltung mit viel Resonanz: Der Gedenkanlass zum Tod des Malers Fernando Botero.

Mit seinen leuchtenden Farben und üppigen Formen beeindruckt der kolumbianische Maler Fernando Botero Menschen in der ganzen Welt. Als der Künstler im September 91jährig verstarb, organisierte das Lateinamerika Zentrum Zürich (LZZ) in Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Botschaft kurz darauf einen Gedenkanlass. «Das Publikum kam in Scharen», sagt Johannes Kabatek, Co-Direktor des LZZ der Universität Zürich.

Für den Sprachwissenschaftler ist der Anlass ein gutes Beispiel dafür, wie das Zentrum einerseits breite Kreise ausserhalb der Universität anzusprechen vermag. Dazu gehören unter anderem auch der Literaturclub (Club de Lectura de Literatura Latino-Americana) oder Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Theater Neumarkt.

Auf der anderen Seite organisiert das LZZ spezialisierte Events, die sich eher an ein akademisches Publikum richten. Die Direktorin des Zentrums, die Kulturwissenschaftlerin Adriana López-Labourdette, verweist auf die Online-Vorlesung «What is Environmental Justice» – eine kritische Analyse zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen aus der Sicht des globalen Südens oder die Online-Veranstaltung «Between Freedom and Mass Slavery» zum Thema Sklaverei und Schiffsköche, die diesen Donnerstag stattfinden wird.

«Wir nutzen verschiedene Veranstaltungsformate und richten uns an unterschiedliche Gruppen», sagt die Direktorin. So finden Film- und Theatervorführungen sowie Diskussionen mit verschiedenen Akteuren der lateinamerikanischen Community statt. Oder in den Worten Kabateks: «Wir gehen aus dem Elfenbeinturm raus, aber nicht um zur Salsa-Festhütte zu mutieren.»

Modern und global

Das LZZ entstand 2015 aus einer Initiative von Geistes-, Sozial-und Naturwissenschaftler:innen, die Lateinamerika als einzigartige Chance für interdisziplinäre Forschungsaktivitäten erkannten. Dabei soll der Kontinent nicht einfach passiver Gegenstand der Forschung sein, sondern gesucht wird der Dialog mit Forschenden und Gemeinschaften, um aktuelle Fragen wie kulturelle Identität, Nachhaltigkeit oder Urbanität zu bearbeiten. Mit seiner Diversität und politischen Dynamik, die zwischen Aufbruch und Rückschritt hin- und herpendelt, ist der Kontinent ein hochinteressantes «Laboratorium für Modernität und Globalisierung», wie es in den Grundlagenpapieren heisst.

Direktorin Adriana López-Labourdette und Co-Direktor Johannes Kabatek – hinter ihnen eine Auswahl von Plakaten von Veranstaltungen des Lateinamerika Zentrums Zürich. (Bild zVg)

Im Laufe der vergangenen Jahre lancierte das LZZ eine Reihe von kleineren und grösseren Studien, unterstützte Kollaborationen mit Forschenden in Lateinamerika und pflegt einen regen transkulturellen, wissenschaftlichen Austausch. Stellvertretend könnte man die diesjährige Jahresveranstaltung des LZZ in Zusammenarbeit mit der SSLAS (Swiss School of Latin American Studies) nennen, die sich dem Thema «Indigene Gemeinschaften, ihre Herkunft und Kultur sowie Naturforschern und ihren Sammlungen» widmete. Die hochkarätige, zweitägige Veranstaltung zeigt beispielhaft den disziplinenübergreifenden Ansatz des Zentrums und gibt interessante Einblicke in die aktuelle ethnologische, linguistische und anthropologische Forschung. (Videos der Veranstaltung sind auf der Website des LZZ abrufbar.)

Das Zentrum widmet sich im Weiteren der Forschung über iberoromanische und iberoamerikanische Sprachen. So wird zum Beispiel Mitte Dezember ein Kongress über die multiplen Zentren des Spanischen stattfinden, mit Teilnehmenden aus Europa und Lateinamerika. Am hybrid organisierten Kongress können die Expert:innen sowohl vor Ort an der UZH als auch online teilnehmen. Dass gerade die UZH einen solchen Anlass organisiere, sei durchaus folgerichtig, sagt Johannes Kabatek. Die mulitlinguale Schweiz habe ausserhalb der spanischsprachigen Welt eine der höchsten Anteile spanischsprechender Menschen: Hierzulande sprechen rund 600'000 Personen oder knapp 7 Prozent der Leute Spanisch.

Mehr Lateinamerika-Studien

Was die Macher:innen des LZZ freut: Adriana López-Labourdette und Johannes Kabatek konstatieren ein wachsendes Interesse der Studierenden an Fragen über und zu Lateinamerika. Folgerichtig sei geplant, die Ausbildung in diesen Bereichen zu stärken und das Angebot von Lateinamerika-Studien im Lehrplan zu erhöhen, etwa im Bereich Kunst- oder Rechtsgeschichte. Allerdings: Die Situation auf Seiten der Nachfrage ist etwas widersprüchlich. Das Interesse der Studierenden für ein klassisches Studium der iberoromanischen Sprachen (Spanisch und Portugiesisch) nimmt ab – eine Entwicklung, die alle Schweizer Universitäten feststellen müssen. Hingegen sind Lehrangebote in lateinamerikanischen Themen umso mehr gefragt. Hier bietet sich für das LZZ die Chance, das Angebot entsprechend dem wachsenden Interesse auszubauen – und die werde man wahrnehmen, so die Direktorin und der Co-Direktor.

Bei aller Freude über das gut positionierte LZZ: Sorgen bereiten im Moment die Finanzen. Formal betrachtet ist das Zentrum ein Kompetenzzentrum der Universität und wird von der Philosophischen Fakultät getragen. Trotz einer positiven Evaluation wurde entschieden, die Finanzierung im kommenden Jahr etwas zurückzufahren. Das bedeutet den Wegfall einer Koordinationsstelle, seufzen die beiden Leiter:innen. Und man werde wohl nach Alternativen zur Finanzierung suchen müssen. Entmutigen lassen sie sich dadurch nicht. Das LZZ durchläuft mit seinen vielen Aktivitäten gerade eine Hochphase, die noch lange anhalten soll.