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Als Primatenschmuck gelten geschlechtstypische Merkmale, die als aussagekräftige Signale dienen und oft auf die genetische Gesundheit oder körperliche Stärke eines Individuums hinweisen. Diese Unterschiede im Erscheinungsbild von Männchen und Weibchen, die als dimorphe Merkmale bezeichnet werden, äussern sich durch buntes Fell oder auffällige Körpermerkmale. Beispiele dafür sind die Lippenwarze und das bläuliche Gesicht des Goldstumpfnasenaffen, die lebhaften Gesichtszüge des Mandrills mit seiner roten Nase und blauen Haut, die beeindruckende Mähne und der rote Brustfleck des Dscheladapavians oder die auffallend grosse Nase des Nasenaffen.
Eine neue Studie der Universität Zürich (UZH) hat einen faszinierenden Zusammenhang zwischen diesen dimorphen Merkmalen und den Gruppeninteraktionen von Primaten aufgedeckt. Die von Stefan Lüpold vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH in Zusammenarbeit mit Cyril Grueter von der University of Western Australia durchgeführte Studie zeigt, dass die leuchtenden Farben und der ausgefallene Körperschmuck vieler Primatenarten mehr bewirken können als nur Partner anzuziehen oder soziale Hierarchien innerhalb von Gruppen zu etablieren. Diese Merkmale spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation zwischen sozialen Gruppen.
Die Forscher analysierten Daten von 144 Primatenarten, darunter sowohl Affen als auch Menschenaffen (Prosimier und Anthropoide). Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen Schmuck und Revierüberlappung – ein Mass dafür, wie viel Lebensraum Gruppen mit ihren Nachbarn teilen. Laut Stefan Lüpold zeigten die Ergebnisse ein klares Muster: «Arten, die mehr Raum mit ihren Nachbarn teilen, weisen deutlich grössere Unterschiede im Körperschmuck zwischen den Geschlechtern auf. Bei Arten, deren Gruppen regelmässig interagieren, tragen die Männchen eher auffällige Merkmale, die sie von den Weibchen unterscheiden.»
Die Studie ergab auch, dass Begegnungen zwischen den Gruppen bei Arten mit einer grösseren Revierüberlappung weniger aggressiv waren. Zu den Begegnungen, die als konfliktbezogen eingestuft wurden, gehörten Verhaltensweisen wie körperliche Konfrontation, Demonstration von Stärke, Ausweichen, Vertreibung, Wachsamkeit und lautstarke Warnungen. Dies deutet darauf hin, dass Körperschmuck dazu beitragen könnte, Konflikte zwischen Gruppen zu reduzieren, möglicherweise indem er eine schnelle und effiziente Einschätzung von Rivalen aus der Ferne ermöglicht.
«Diese Ergebnisse stellen die traditionelle Sichtweise in Frage, dass Primatenschmuck ausschliesslich dem Wettbewerb um Partner innerhalb von Gruppen dienen soll», sagt Lüpold. «Stattdessen unterstreichen sie die Bedeutung des weiteren sozialen Umfeldes und der Interaktionen zwischen und nicht nur innerhalb von Gruppen.» Die Studie wirft neues Licht auf die Evolution des Primatenschmucks und liefert wertvolle Einblicke in die komplexe Welt der tierischen Kommunikation.
Cyril C. Grueter und Stefan Lüpold. The role of between-group signalling in the evolution of primate ornamentation. Evolution Letters. 17. August 2024. DOI: 10.1093/evlett/qrae045