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Pflanzenforschung

Asexuelle Vermehrung von Kulturpflanzen rückt näher

Werden die weiblichen Keimzellen in Pflanzen befruchtet, aktiviert ein Signal aus den Spermien die Zellteilung und neue Pflanzensamen werden gebildet. Diese Aktivierung lässt sich auch ohne Befruchtung gezielt auslösen, wie UZH-Forschende zeigen. Dies eröffnet neue Wege für die asexuelle Vermehrung von Kulturpflanzen.
Zwei Sorten der Modellpflanze Ackerschmalwand: links eine deutlich grössere Hybridsorte, rechts die Standardsorte für Laborforschung. (Bild: Nicholas Desnoyer, UZH)

Samen sind das Endprodukt der pflanzlichen Vermehrung. Direkt als Nahrung oder indirekt als Futtermittel liefern sie rund 80 Prozent der Kalorien für die Menschheit. Seit der Mensch sesshaft geworden ist, hat er über die Jahrtausende zahllose Pflanzensorten gezüchtet mit vorteilhaften Eigenschaften wie gesteigerte Erträge, qualitative Verbesserungen, Resistenzen gegen Schädlinge oder Toleranzen gegenüber Umwelteinflüssen. Wann immer möglich nutzt die Landwirtschaft Hybridsorten, die durch Kreuzung zweier Inzuchtlinien entstehen und widerstandsfähiger und ertragreicher sind als normale Sorten. Problem ist, dass bei ihrer Vermehrung diese gewünschten Eigenschaften verloren gehen und sie deshalb von Jahr zu Jahr neu hergestellt werden müssen.

Signal vom Spermium aktiviert Zellteilung der Keimzelle

Würde es gelingen, Kulturpflanzen durch asexuelle Fortpflanzung – Apomixis genannt – zu vermehren, käme dies einer landwirtschaftlichen Revolution gleich. Denn wird die Befruchtung von weiblichen Keimzellen durch männliche Spermien umgangen, entstehen Samen, die genetisch identisch mit der Mutterpflanze sind. Pflanzensorten mit gewünschten Eigenschaften könnten so viel einfacher vermehrt werden – als Saatgut-Klone. Diesem Ziel ist Ueli Grossniklaus und sein Team am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich (UZH) nun ein grosses Stück nähergekommen. «Wir haben in der Modellpflanze Ackerschmalwand das Signal entdeckt, das bei der Befruchtung die weibliche Keimzelle aktiviert, um einen neuen Samen zu bilden», sagt Grossniklaus.

In Pflanzen finden jeweils zwei Befruchtungsprozesse statt: Zwei Spermien verschmelzen mit je einer weiblichen Keimzelle. Ein Spermium befruchtet die Eizelle, woraus sich der Embryo und schliesslich die nächste Generation bildet. Das zweite fusioniert mit der Zentralzelle, die sich zum Nährgewebe ausbildet, das den Embryo mit Nährstoffen versorgt. Zusammen entwickeln sie sich zum Samen. Damit die Befruchtung erfolgreich funktioniert, müssen Spermien und Keimzellen in der gleichen Phase des Zellzyklus sein – also quasi «synchronisiert» werden.

Pflanzenbiologe Ueli Grossniklaus bei seinen Pflanzen im Labor

Die gezielte Aktivierung der Zellteilung ohne Befruchtung eröffnet neue Möglichkeiten, um die Apomixis in Nutzpflanzen einzuführen, insbesondere bei den resilienteren und ertragreicheren Hybridsorten.

Ueli Grossniklaus
Direktor Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie, UZH (Bild: Arturo Bolaños)

Synchronisierung kommt vor Teilung der Keimzellen

Bekannt war, dass sich die Spermien in der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) in der Vorbereitungsphase für die Zellteilung befinden. Wie das Team von Grossniklaus nun zeigt, befindet sich die Eizelle ebenfalls in diesem Ruhezustand. Die Zentralzelle hingegen bleibt mitten in der vorangehenden Phase stecken, in der die Erbsubstanz verdoppelt wird. Während sich Spermium und Eizelle in der gleichen Zellzyklus-Phase befinden, muss die Zentralzelle nach der Befruchtung zuerst die DNA-Synthese abschliessen, bevor die erste Teilung beginnen kann.

Verantwortlich für den Zellzyklusstopp ist ein Protein, das in der Zentralzelle nicht vollständig abgebaut, also noch vorhanden ist. Befruchtet das Spermium die Keimzelle, schleust es zugleich das Eiweiss Cyclin ein, das den Abbau des hemmenden Proteins aktiviert. Erst jetzt kann die Zentralzelle die DNA-Verdoppelung vervollständigen und in die nächste Zellzyklus-Phase übergehen. «Wir haben erstmals den molekularen Mechanismus entschlüsselt, wie das Signal vom Spermium zur weiblichen Keimzelle geliefert wird, um ihren Ruhezustand aufzuheben. Es signalisiert der Zentralzelle, dass die Befruchtung erfolgreich war und die Zellteilung nun erfolgen kann», sagt Erstautorin Sara Simonini.

Samenanlage mit grosser Zentralzelle im Zentrum (Zellkern in gelb) umgeben vom Gewebe der Mutterpflanze (violett). Die reife Zentralzelle (links) befindet sich in einem Ruhezustand bis durch die Befruchtung der Zellzyklus wieder aktiviert wird und sich der Zellkern teilt (rechts), um das Nährgewebe zu bilden. (Bild: Sara Simonini, UZH)

Asexuelle Vermehrung für Kulturpflanzen nutzbar machen

Wurde die Ackerschmalwand genetisch so verändert, dass die Zentralzellen selbst das Eiweiss Cyclin herstellen, begannen sich die Keimzellen auch ohne Befruchtung zu teilen. «Wir können diese Aktivierung nun auch ohne Befruchtung gezielt auslösen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, um die Apomixis in Nutzpflanzen einzuführen, insbesondere bei Hybridsorten, die resilienter sind und höhere Erträge bringen als normale Sorten», so Ueli Grossniklaus. Könnte die Apomixis in solchen Kulturpflanzen nutzbar gemacht werden, hätten Millionen von Kleinbauern im Globalen Süden erstmals Zugang zu Hybridsamen, deren Saatgut sie für die nächste Aussaat aufbewahren könnten.

Literatur:
Sara Simonini, Stefano Bencivenga, and Ueli Grossniklaus. A paternal signal induces endosperm proliferation upon fertilization in Arabidopsis. Science. February 9, 2024. DOI: 10.1126/science.adj4996