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Felix Uhlmann sitzt im eleganten Nadelstreifenanzug und mit roter Krawatte in seinem Büro des Rechtswissenschaftlichen Instituts und sinniert über die Pandemie. «Auf eine grosse Krise ist man nie richtig vorbereitet, aus juristischer Sicht stellen sich laufend neue Fragen», sagt der Staatsrechtler. Wie kein Zweiter hat er sich in den letzten zwei Jahren zu diesen Rechtsfragen in der Öffentlichkeit geäussert: zu den Beschränkungen privater Treffen während des Lockdowns, über die Verhältnismässigkeit des Covid-Zertifikats oder zum Impfgutschein von 50 Franken.
Landauf, landab sind seine Expertisen gefragt. Das erste Gutachten zum bundesrätlichen Verbot grosser Veranstaltungen legte er Anfang März 2020 auf den Tisch. Das letzte zur Zertifikatspflicht im Parlament von Basel-Stadt Ende Oktober. Während andere wegen Corona einen Gang zurückschalten mussten, schaltete er einen Gang hoch.
«Die Pandemie ist ein Bewährungstest für unsere Rechtsordnung», sagt Uhlmann. Aufgabe der Juristinnen und Juristen sei es, abzuwägen, was getan werden dürfe und was nicht. Von Anfang an habe ihn das Coronavirus «sehr interessiert», meint er und erinnert sich an die Skiferien im Februar 2020, als sich die Krise abzuzeichnen begann. Weil das Leben zunehmend eingeschränkt wurde, stand viel Zeit zur Verfügung, um sich eingehend mit den Rechtsfragen zu befassen und sich gegenseitig auszutauschen. «Wir haben im Kollegium so viel diskutiert wie selten zuvor», sagt Uhlmann.
Es entwickelte sich eine Eigendynamik, Verwaltungsstellen und Medienschaffende wurden auf ihn aufmerksam und Uhlmann wurde zu einer wichtigen juristischen Stimme im Land. Geholfen haben ihm dabei die Fähigkeit, eine Sache auf den Punkt zu bringen – auch bei komplexen juristischen Sachfragen –, und seine Offenheit. «Ich spreche mit allen Journalistinnen und Journalisten, ob sie nun linke oder rechte Medien vertreten, solange sie mich korrekt zitieren», sagt Uhlmann und verzieht kaum merklich das Gesicht.
Der Ansatz eines Lächelns wird sichtbar und man spürt den Schalk, der dem 52-jährigen Professor hinter den Ohren sitzt. Zu seinem trockenen Humor passt, dass er, angesprochen auf den Anzug, sagt: «Ich muss Sie enttäuschen, den Anzug trage ich nicht wegen Ihres Besuches, sondern wegen der Vorlesung.» Im Übrigen sei dieser ein Relikt aus seiner Zeit als Anwalt.
Felix Uhlmann ist in Bettingen bei Basel in einer «juristisch völlig unbelasteten Familie» aufgewachsen, der Vater arbeitete als Ingenieur. Dass er sich 1988 zu einem Jus-Studium an der Universität Basel entschlossen habe, sei einer gewissen Zufälligkeit geschuldet, es hätte auch Mathematik, Geschichte oder Literaturwissenschaft sein können. Auch die Wahl des Dissertationsthemas bei Professor und Ständerat René Rhinow zu einer staatsrechtlichen Frage hatte vor allem mit den Projekten am Lehrstuhl zu tun.
Danach ging es mit der Karriere rasch weiter, Uhlmann arbeitete einerseits als Assistent von Rhinow und andererseits als Volontär in einer Anwaltspraxis. Nach einem Ausbildungsgang zum Master of Law (LL.M) an der Harvard Law School in Boston absolvierte er das Anwaltsexamen. Anschliessend arbeitete er sowohl als Assistenzprofessor in Basel als auch als Anwalt in der renommierten Kanzlei Wenger Plattner.
2006 wurde er mit 36 Jahren auf den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre an der UZH berufen. «Ich musste nicht lange überlegen und sagte in Zürich zu, obwohl mir auch die praktische Arbeit als Anwalt sehr gut gefallen hat», sagt Uhlmann. Den Entscheid habe er nie bereut – die Arbeit und das juristische Umfeld in Zürich seien hervorragend.
Uhlmann spricht ein gut hörbares Baseldeutsch. Obwohl er seit 16 Jahren an der UZH lehrt und forscht, hat der Zürcher Dialekt nicht abgefärbt. Seinen Wohnort hat er aber in Basel belassen, einerseits seiner Frau und seinen vier Kindern zuliebe. Andererseits wegen seiner Aktivitäten in der Literatur- und Kunstszene. Der kommunikative und medial versierte Jurist ist am Rheinknie bestens vernetzt und präsidiert aktuell die Kunstkommission des Basler Kunstmuseums – eine wichtige Schaltstelle in der Museumsstadt.
Zuvor war er Vorstandsmitglied des Literaturhauses Basel und Stiftungsmitglied von Pro Helvetia. «Ich bin ein Literatur- und Theaterfreund und lese viel und gerne.» Für den Einsitz in diesen Gremien war aber auch sein Hintergrund als Jurist dienlich. So hat er kürzlich im Basler Kunstmuseum die Restitutionsstreitigkeiten um die Werke von Curt Glaser betreut, die mit einer Vergleichszahlung endeten.
Juristisch versiert, medial präsent, in den besten Kulturkreisen unterwegs: Felix Uhlmann ist ein Mann mit vielen Talenten. Überraschend ist aber doch, dass er auch noch auf hohem Niveau Schach spielt. Wie einer Zeitungsnotiz zu entnehmen ist, hat er 2001 in einer Simultanpartie gegen den russischen Grossmeister Viktor Kortschnoi gespielt.
Natürlich habe er verloren, meint er lachend, aber Schach spiele er noch immer. Einmal pro Woche etwas Blitzschach am Computer. Zu mehr reiche es nicht. Sicher ein gutes Training für die vertrackten juristischen Herausforderungen durch Corona.
Dieser Artikel erschien zuerst in der letzten Dezemberausgabe 2021 des UZH Journal.