Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Institute for Global Negotiation

«Die Ukraine hat ihre Verhandlungsposition verbessert»

Am Donnerstag wird an der UZH das Institute for Global Negotiation (IGN) aus der Taufe gehoben. Im Interview erklärt IGN-Gründer Jack Williams, weshalb eine Verhandlungslösung in der Ukraine so schwierig zu sein scheint.
Thomas Gull
Verhandlung
Verhandlungen zwischen dem Gouverneur von Duhok (Nordirak) und dem UNHCR über das Domiz 1 Flüchtlingscamp syrischer Flüchtlinge, das mit nachhaltigen Energiequellen ausgestattet werden soll. Jack Williams (links im Bild) beim Vermitteln. (Bild: zVg)

 

Zu den Zielen des IGN gehört, das Wissen zu stärken und zu verbreiten, das es braucht, um erfolgreich schwierige Verhandlungen zu führen und Konflikte zu lösen. In der Ukraine erleben wir gerade, was passieren kann, wenn es nicht gelingt, einen Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Was ist schiefgelaufen?

Jack Williams: Der Krieg war Putins Entscheidung und niemand kann seine Gedanken lesen. Doch Putins frühere Invasionen der Krim und in Georgien sowie seine öffentlichen Aussagen, die Ukraine existiere nicht, legen nahe, dass er die Ambition hat, so etwas wie die frühere Sowjetunion wiederherzustellen. Ausserdem muss man auch die Kritik Russlands an der NATO-Erweiterung ernst nehmen. Auf jeden Fall war der Westen auf diese Art von Aggression nicht vorbereitet.

Gab es überhaupt ernsthafte Verhandlungen, um den Krieg zu verhindern?

Williams: Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 herrscht im Osten der Ukraine Krieg. In dieser Zeit wurde wiederholt versucht, den Konflikt durch Verhandlungen zu lösen, jedoch ohne Erfolg. In den Monaten vor dem Angriff Russlands gab es eine Vielzahl von diplomatischen Aktivitäten, aber ernstzunehmende Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine fanden nicht statt. Rückblickend betrachtet ist allerdings klar, dass die Invasion Russlands von langer Hand geplant war. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Putin durch Verhandlungen davon abzubringen gewesen wäre – ausser natürlich, die Ukraine und der Westen wären auf alle seine Forderungen eingegangen. Aber das konnte und wollte niemand. Das Problem ist, dass man viel früher etwas hätte unternehmen müssen, um die Spannungen abzubauen, die sich in den letzten zwanzig Jahren zwischen Russland und dem Westen aufgebaut haben. Ausserdem hätten bereits vollzogene Aggressionen Russlands – wie die Annektierung der Krim – strenger bestraft werden müssen.

Wenn wir uns die aktuelle Situation anschauen: Was könnte getan werden, um Verhandlungen in Gang zu bringen?

Williams
Jack Williams, Gründer des Institute for Global Negotiation. (Bild: zVg)

Williams:  Im Moment schaut man noch, wie sich der Krieg vor Ort entwickelt. Deshalb sehe ich da wenig Möglichkeiten. Es wird zwar verhandelt, aber dabei geht es um praktische Dinge wie humanitäre Korridore, damit Zivilisten aus umkämpften Gebieten fliehen können. Es scheint ohnehin, als gehe es vor allem darum, lediglich den Eindruck von Verhandlungsbereitschaft zu vermitteln. Das ist vor allem PR. Für ernsthafte Verhandlungen fehlt die Basis. Allerdings könnte sich diese abwartende Haltung schnell ändern, denn die Wirkung der Sanktionen auf die russische Wirtschaft ist heftig. Putins Problem ist im Moment, wie er diesen Konflikt beenden kann, wenn er denn will, ohne das Gesicht zu verlieren.

Im Moment hat man den Eindruck, Putin sei bereit, die russische Armee zu opfern, um diesen Krieg zu gewinnen.

Williams: Putin glaubte offenbar, er könne die Ukraine auf ähnlich einfache Weise erobern wie die Krim. Das ist nicht der Fall und es gibt grosse Verluste auf russischer Seite. Doch dass man so viele Truppen und Material verloren hat, macht es umso schwieriger, sich zurückzuziehen und den Krieg zu beenden. Das ist ein typisches Beispiel für «eskalierendes Commitment»: Gerade weil er schon so viel aufs Spiel gesetzt hat, verfolgt Putin den eingeschlagenen Weg weiter, obwohl der dabei immer mehr verliert.

Die Kräfteverhältnisse zwischen beiden Parteien in diesem Konflikt sind sehr ungleich. Die stärkere versucht, der schwächeren ihren Willen aufzuzwingen. Gibt es unter diesen Umständen überhaupt eine Basis für Verhandlungen?

Williams: Militärisch ist Russland stärker, allerdings nicht so stark, wie man dachte. Doch der Ukraine ist es gelungen, auch dank geschickter Verhandlungen, weitere Parteien in den Konflikt hineinzuziehen, indem diese Russland sanktionieren. Mittlerweile wird sie vom geeinten Westen und einem grossen Teil der übrigen Welt unterstützt und hat damit ein Gegengewicht geschaffen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Präsident Selenski, der auch aufgrund seines Auftritts in den sozialen Medien nahbar und sympathisch wirkt, während Putin einen entrückten Eindruck macht.

Die Ukraine gewinnt im Moment den PR-Krieg. Was bringt ihr das?

Williams: Sie ist in einer besseren Position, wenn es zu Verhandlungen kommen sollte. Die Sanktionen beispielsweise werden sicherlich nicht gelockert, ohne dass Russland Konzessionen macht. Man könnte sagen, die Ukraine hat damit ein paar Jetons mehr auf dem Spieltisch, die sie einsetzen kann. Andere wären die EU- oder die NATO-Mitgliedschaft. Allerdings ist es im Moment schwer vorstellbar, dass die ukrainische Bevölkerung einen Verzicht auf einen künftigen NATO- oder EU-Beitritt akzeptieren würde. Russland hatte anfänglich das Ziel, die Ukraine zu unterwerfen. Das scheint im Moment ausser Reichweite zu sein.

Gibt es ein realistisches Szenario, den Krieg bald zu beenden?

Williams: Im Moment erscheinen Deeskalation und ein Ende der Kämpfe unwahrscheinlich. Doch eine diplomatische Lösung ist immer möglich, besonders wenn die Lage für Putin immer unangenehmer wird, entweder durch Widerstand im Inneren oder durch die internationale Isolation.

Könnte ein externer Mediator Verhandlungen ins Rollen bringen?

Williams: Ein Mediator kann hilfreich sein. Wenn ihn beide Seiten als neutral ansehen, kann er Vertrauen schaffen, die Kommunikation erleichtern und so etwas wie einen Realitäts-Check anbieten, etwa zur Frage, was die Alternative zu einer Verhandlungslösung wäre.

Wer könnte diese Rolle übernehmen?

Williams: Israel und die Türkei haben sich als Mediatoren angeboten, im Moment gibt es in der Türkei Verhandlungen zwischen den beiden Aussenministern. Es wird auch interessant sein, welche Rolle China spielt, das ökonomisch und politisch stark genug ist, um Russland so unter Druck zu setzen, dass es deeskaliert. Ein Vermittler könnten beiden Seiten helfen, das Gesicht zu wahren. Doch es wird Garantien brauchen, dass die Abmachungen eingehalten werden.

Was braucht es für erfolgreiche Verhandlungen?

Williams: Beide Seiten müssen wirklich an einer Verhandlungslösung interessiert sein. Das kann der Fall sein, wenn es eine Pattsituation gibt, die beiden Seiten wehtut. Wenn beide Parteien einsehen, dass sie ihre Ziele nicht erreichen können und gleichzeitig mit dem Status quo nicht zufrieden sind. Wichtig ist auch, dass beide Seiten ein Abkommen als «Sieg» verkaufen können.

Das Ziel von Verhandlungen ist, Konflikte beizulegen. In welcher Weise kann das von Ihnen gegründete IGN dazu beitragen?

Williams: Wir sind überzeugt: Je mehr Menschen wissen, wie man effizient, und konstruktiv verhandelt, um Konflikte zu lösen, umso besser. Das sind Fähigkeiten, die nicht nur essentiell sind für Diplomaten und Politiker, sondern in allen Bereichen des Lebens. Es gibt für uns so viele Herausforderungen – vom Klimawandel zur weltweiten Ungleichheit, die es notwendig machen, zusammenzuarbeiten und nachhaltige Lösungen zu finden. Je mehr Leute über den Tellerrand ihrer eigenen Position hinausschauen können, desto besser.

Wie trägt das IGN dazu bei?

Williams: Unser Flaggschiff ist die Global Negotiation Conference, die wir seit 2014 durchführen. Dabei wetteifern Teams von Doktorierenden um die Lösung eines aktuellen Konflikts. Das Thema für dieses Jahr ist ein Abkommen zum Asteroidenbergbau. Ausserdem haben wieder eine Serie, in der Forschende und Praktiker jeden Monat Einblick in ihre Verhandlungs-Arbeit geben. Und wir sind daran, Forschungsprojekte zu lancieren.

Wollen Sie sich in Zukunft auch an Verhandlungen beteiligen?

Williams: Ja, wir sind dabei abzuklären, wie wir Verhandlungen unterstützen können, insbesondere, wenn die Kapazitäten beschränkt sind. Ich leite im Moment ein Projekt bei dem es darum geht, ein Flüchtlingslager im Nordirak mit nachhaltigen Energiequellen auszurüsten. In diese Verhandlungen sind die lokale Regierung, internationale Organisationen, die Flüchtlinge und die lokale Bevölkerung involviert und private Firmen.