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Das Wallisertitsch ist der Deutschschweizer Dialekt mit den meisten Extravaganzen. So geht eine Person im Wallis nicht ufe und abe, sondern embrüf und embri (hinauf und hinunter). Doch auch die Regeln, wie Wörter zu Sätzen zusammengefügt werden (Syntax), sind in den schweizerdeutschen Dialekten öfters speziell.
Besonders anschaulich sieht man das bei Sätzen mit Genitiv. Der Satz Des Nachbars Hund ist klein zum Beispiel wird im Schweizerdeutschen in der Regel mit dem Dativ oder mit der Präposition von konstruiert: Em Nochber sin Hund isch chli oder De Hund vom Nochber isch chli. Dass das Schweizerdeutsche das Genitiv-s meist umgeht, ist nur eine von vielen Eigenheiten seiner Syntax. Und sie ist wie viele syntaktische Regeln nicht ohne Ausnahme. So kennzeichnen etwa die Walliser den Genitiv, indem sie ein -sch anhängen, und sagen Ds Petersch Hund; die Fribourger kombinieren den Genitiv gar mit einem Dativ-Artikel: Em Petersch Hun.
Nun hat das Deutsche Seminar der UZH die wichtigsten Regeln beim Bilden von schweizerdeutschen Sätzen sowie die zahlreichen Spezialitäten beziehungsweise die vielen friedlich koexistierenden Syntaxvarianten in einer Publikation versammelt und unter dem Titel «Syntaktischer Altas der deutschen Schweiz» herausgegeben. Am 8. April findet die Buchvernissage statt – und Grund zu feiern gibt es in der Tat. Die Recherchen und Analysen dauerten viele Jahre, die Früchte der Arbeit waren reichhaltig. 480 Seiten umfasst Band 1 mit den Kommentaren, 250 Seiten Band 2 mit den Karten. Auf den «Syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz» kann auch online (Open Access) zugegriffen werden.
Die Leitung des Grossprojekts, zu dem zahlreiche Doktorierende und Studierende beigezogen wurden, hatte die UZH-Professorin für Germanische Philologie Elvira Glaser inne. Seit 2019 ist sie emeritiert. Die Dialektforschung war und ist bis heute ihre Leidenschaft. «Dialekte stellen ein hervorragendes linguistisches Laboratorium dar, um Sprache in ihrer stetigen Veränderung zu untersuchen», sagt Elvira Glaser, deren Muttersprache der Pfälzer Dialekt ist. Sie war bereits bei der Herausgabe des «Kleinen Sprachatlas der deutschen Schweiz» (2010) dabei, der auf dem achtbändigen «Sprachatlas der deutschen Schweiz» (1962–1997) basiert und die schweizerdeutsche Lautbildung (Phonologie), Wortbildung (Morphologie) und den Wortschatz (Lexik) aufzeigt. Mit der Publikation des «Syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz» ist die Analyse des Schweizerdeutschen nun (vorerst) abgeschlossen – auch wenn es noch zahlreiche weitere Besonderheiten zu erforschen gäbe, wie Elvira Glaser anmerkt.
Die Publikation ist eine eigentliche Pionierleistung, musste doch in einem ersten Schritt eine geeignete Methode für die Erhebung, die Auswertung und die Darstellung der erhobenen Daten entwickelt werden. Die Suche nach einer adäquaten Methode war wie schon beim «Sprachatlas der deutschen Schweiz» eine Herausforderung. Doch dieses Mal weniger wegen des Variantenreichtums, sondern weil sich die «Einheimischen» beim Reden mehr die konkreten Wörter und deren Lautung überlegten als die abstrakte Satzkonstruktion. Die meisten Leute wenden die (ungeschriebenen) Regeln der schweizerdeutschen Syntax völlig unbewusst an. 3187 Personen aus 383 Orten in der Deutschschweiz wurden schliesslich als Informantinnen und Informanten ausgewählt; diese beantworteten insgesamt vier Serien schriftlicher Fragebögen. Die in der deutschen Schweiz gebräuchlichen Syntax-Varianten wurden dann in der Tradition der klassischen Sprachatlanten auch mithilfe von Karten dargestellt.
Um Ihnen die Besonderheiten der schweizerdeutschen Satzbildung näherzubringen, haben wir für Sie ein paar Beispiele zusammengestellt. Rätseln Sie mit, in welchem Kanton man wie sagt. Wenn Sie die Buchstaben vor den richtigen Antworten aneinanderreihen, ergibt sich daraus der Lösungssatz. Finden Sie ihn heraus und schicken Sie ihn uns. Als Gewinn lockt ein Mittagessen mit unseren Walliser Kollegen aus der Abteilung Kommunikation, Roger Stupf und Kurt Bodenmüller. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie nicht alles auf Anhieb wissen. Schreiben Sie sich die Buchstaben zu Beginn der Antworten auf, so lässt sich der Lösungssatz vielleicht durch cleveres Kombinieren erraten. Viel Vergnügen!
In welchem Schweizer Kanton übersetzen ältere Leute den Satz Da wird gearbeitet mit: Da wird's gschaffet.
E Aargau
C Basel
Wie übersetzt man Gib es mir! auf Schweizerdeutsch?
Y Immer so: Gib mir's!
Z Immer so: Gib's mir!
X Beides möglich
Im Kanton Fribourg benutzt man häufig Dativ statt Akkusativ und sagt z. B. auf die Frage, für wen ein Strauss Blumen sei: Di si nid für dir!
T Richtig
U Falsch
Wie würde ein waschechter Walliser diesen Satz übersetzen: Für wen sind denn die Blumen?
R Fer wels sind de di Blüeme?
O Für wän sind denn di Blüeme?
Äs isch scho 71! In welchem Kanton kann sich diese Altersangabe auf einen Mann beziehen?
E Zürich
A Wallis
In Sätzen wie Hinkend ist er nach Hause gelaufen gibt es zwei Handlungen, die gleichzeitig passieren (hinken und laufen). Im Schweizerdeutschen gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, zwei gleichzeitig ablaufende Handlungen auszudrücken. Wie sagt man zum Beispiel im Glarnerland?
V Das kann man im Glarner Dialekt gar nicht sagen.
S Hinkend ischer hei gloffe.
W Z hinggedsä ischer hei gloffe.
In Sätzen wie Du hast sicher viel zu erzählen steht im Schweizerdeutschen wie im Hochdeutschen nach zu immer der Infinitiv.
E Ja, man braucht immer und überall den Infinitiv: Du hesch sicher vil z verzelle.
U Nein, es gibt Ausnahmen. Die Appenzeller zum Beispiel hängen ein -id an: Du hescht sicher vil z verzöllid.
Den Satz Die Milch musst du heiss trinken übersetzt man im Wallis mit D Milch müesch heissi triichu. Hat das Getränk ein sächliches Genus, muss man das anders formulieren: Ds Kaffe müesch heissus triichu. Desgleichen, wenn das Getränk maskulines Genus hat: Der Tee müesch heisse triichu. In welchen Regionen nimmt man für alle drei grammatischen Geschlechter dieselbe Endung -e (heisse, hässe, hoassa, heissne)?
S Nirgendwo, das wäre zu kompliziert
R St. Gallen und Appenzell
Eine Eigenheit des Schweizerdeutschen ist, dass Rufnamen immer nur mit Artikel verwendet werden, also Ich ha s Vreneli, de Kevin, d Doris gseh.
Q Richtig.
S Falsch. Im Berner Oberland und an einigen Walser-Orten in Graubünden heisst es auch: I han Fritz gseh.
Bei den Besitztümern liebt man in der Deutschschweiz klare Verhältnisse. Deshalb heisst Peters Hund überall em Peter sin Hund.
Q Richtig.
T Falsch. Im Wallis ist es ds Petersch Hund und im Fribourgischen em Petersch Hun.
So wie man im schneereichen Norden viele Wörter für Schnee kennt, benutzt man in der reichen Deutschschweiz mehrere Arten, um zu sagen: Das gehört mir. Welche der folgenden Sätze sind richtig (Mehrfachnennung möglich)?
B Das isch miine.
I Das isch miin.
T Das isch miis.
T Das isch miir.
E Das isch mii.
Lösungssatz: E••••••••• ••••• !
Schicken Sie den Lösungssatz bis zum 19. April an uzhnews@kommunikation.uzh.ch. Wir werden aus den richtigen Einsendungen den oder die Gewinnerin auslosen und sie oder ihn zum Mittagessen mit unseren Walliser Kollegen Roger Stupf und Kurt Bodenmüller in die «Walliser Kanne» im Zürcher Niederdorf einladen. Denn – Achtung, Spoiler! – die Walliser lieben nicht nur syntaktische Extrawürste, sondern auch kulinarische Köstlichkeiten.