Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Präzisionsmedizin

Gezieltere Therapien mithilfe der Biomedizininformatik

Das neue Forschungszentrum «The LOOP Zurich» fördert auf Patientinnen und Patienten zugeschnittene Therapien. Dazu bündelt es die Expertisen der UZH, der ETH Zürich und der vier universitären Spitäler in Biomedizin, Bioinformatik und klinischer Forschung. Zwei erste LOOP-Forschungskonsortien entwickeln innovative Behandlungsmethoden in der Onkologie und Neuro-Rehabilitation.
Nathalie Huber
«The LOOP Zurich» will mithilfe verbesserter Datenanalysen neue Erkenntnisse für die Diagnostik, Therapie und Prävention gewinnen.


Jeder Patient und jede Patientin ist anders. Je präziser die Diagnose und je gezielter die Therapie, umso besser kann auf die individuellen Patientenbedürfnisse eingegangen werden. Dieses Ziel verfolgt das neue translationale Forschungszentrum «The LOOP Zurich». Das Zentrum will das grundlegende Verständnis von Krankheiten verbessern, um individuelle Therapien zu entwickeln. Dazu vereint es die biomedizinische Grundlagenforschung und Bioinformatik der Universität Zürich (UZH) und ETH Zürich mit der klinischen Forschung der vier universitären Spitäler – dem UniversitätsSpital Zürich (USZ), dem Universitäts-Kinderspital Zürich (KiSpi), der Universitätsklinik Balgrist und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK).

Dank dem Zugang zu Patientinnen und Patienten durch die vier universitären Spitäler und der Verknüpfung der Forschungsinfrastruktur der beiden Hochschulen hat «The Loop Zurich» eine schweizweit einzigartige Ausgangslage: «Wir bringen die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der biomedizinischen bzw. klinischen Forschung und Bioinformatik zusammen, um gemeinsam innovative Forschung zu betreiben», sagt Beatrice Beck-Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich an der UZH. Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung an der ETH Zürich und Vorsitzender des Steuerungsausschusses der Hochschulmedizin Zürich, ergänzt: «Wir haben Grundlagenforschung, innovative Diagnostik und grosses Wissen im Umgang mit medizinischen Daten, die uns gemeinsam erlauben sollten, herausragende wissenschaftliche Fragestellungen zu formulieren und zu beantworten. Wenn wir das interdisziplinäre Potenzial innerhalb des LOOP Zurich richtig nutzen, dann wird es uns auch gelingen, die Innovation möglichst rasch in die Kliniken und zu den Patientinnen und Patienten zu bringen.» Die Kooperation soll den Standort Zürich als Zentrum der Präzisionsmedizin stärken.

Biomedizinischer Datenpool

Eine Schlüsselkompetenz des neuen Forschungszentrums ist die Biomedizininformatik. Um für Patientinnen und Patienten personalisierte Therapien entwickeln zu können, will das Forschungszentrum mithilfe verbesserter Datenanalysen und -modellierungen neue Erkenntnisse für die Diagnostik, Therapie und Prävention gewinnen.

Die einzelnen Partnerinstitutionen verfügen über grosse Datensammlungen, doch es besteht noch keine gemeinsame Infrastruktur, um diese humanmedizinischen Daten in geeigneter Form auszutauschen und zu nutzen. Dazu baut das Zentrum für den Standort Zürich eine neue Biomedizininformatik-Plattform auf, die sich an den Vorgaben des «Swiss Personalized Health Network», der nationalen Initiative zur Nutzung von Gesundheitsdaten, orientiert. Die neue Plattform wird bisher ungenutzte Daten erschliessen, die in klinische Entscheidungsunterstützungssysteme integriert werden können. 

Erste Schwerpunkte bestimmt

Vor Kurzem hat das Zentrum zwei erste Anträge von Forschungskonsortien positiv evaluiert. Diese werden für die nächsten fünf Jahre mit je bis zu fünf Millionen Franken gefördert. (Beschrieb siehe unten). Forscherinnen und Forscher entwickeln gemeinsam neuartige, personalisierte Therapien – einerseits in der Onkologie, andererseits in der Neuro-Rehabilitation. «Diese Projekte wurden ausgewählt, weil sie als wissenschaftlich hervorragend beurteilt worden sind und wir in Zürich in diesen Bereichen über eine ausgewiesene Expertise verfügen. Dadurch können wir international eine wichtige Rolle einnehmen», sagt LOOP-Gründungsdirektor Markus Rudin.

 

Durch eine individuell angepasste Rehabilitationstherapie können Gangstörungen verbessert werden. Im Bild: Ein Patient trainiert seinen Gang in einer virtuellen Umgebung im Labor.

Personalisierte Rehabilitation für Schlaganfall- und Parkinsonpatienten

Das Forschungskonsortium «StimuLOOP» unter der Leitung der Professoren Andreas Luft (UZH) und Roger Gassert (ETH) untersucht die Gangstörungen von Schlaganfall- sowie Parkinsonpatientinnen und -patienten. «Unser Ziel ist es, den eingeschränkten Gang dieser Patienten mithilfe von auf sie zugeschnittenen Rehabilitationstherapien nachhaltig zu verbessern», erklärt Neurologe Andreas Luft.

Geplant sind zwei klinische Studien mit jeweils rund 50 Schlaganfall- bzw. Parkinsonpatienten, die neuartige Trainings- und Konsolidierungsmethoden testen. Bei den Schlaganfall-Probanden wird die defizitäre Bewegung, zum Beispiel eine unvollständige Kniebeugung, mithilfe von Virtual Reality korrigiert: Die Patientinnen und Patienten laufen in einer virtuellen Umgebung auf einem Laufband und erhalten dabei gezieltes Feedback, sodass sich ihre Bewegungen wieder normalisieren. In einem zweiten Schritt geht es darum, das neu erlernte Gangmuster zu festigen. Dazu wird auch der Schlaf der Probanden gezielt überwacht und individuell stimuliert – denn wie Zürcher Studien bereits gezeigt haben, verbessert der Tiefschlaf das Abspeichern von neu erlernten Bewegungen. Die Forschenden nutzen hierfür die portable Technologie von «Sleep Loop», einem Flagship-Projekt der Hochschulmedizin Zürich.

Die Trainingsmethode für die Parkinsonpatientinnen und -patienten setzt auf die Tiefenstimulation des Gehirns mittels implantierter Elektroden. Die Patientinnen und Patienten beobachten im Labor ihre von den Elektroden abgeleiteten Nervensignale direkt am Computer und lernen, diese durch Neurofeedback zu beeinflussen. Dadurch, dass sie ihre Hirnaktivität im Wachzustand gezielt regulieren, können sie unmittelbar ihr Gehen verbessern. Im Anschluss festigen auch die Parkinsonpatientinnen und -patienten ihre neu gelernten Bewegungsmuster mithilfe einer gezielten Schlafstimulation.  

Die einzelnen Rehabilitationsmethoden wurden teilweise in kleineren Untersuchungen erprobt. «Nun haben wir die Möglichkeit, sie in einer umfassenderen Studie zu überprüfen. Das erlaubt uns einen grösseren Überblick», sagt Andreas Luft. Indem für beide Patientengruppen die gleiche Art von Daten erhoben wird, lassen sich erstmals die Gangmuster sowie Lernvorgänge von Parkinson- und Schlaganfallpatienten vergleichen.

Im Forschungsprojekt arbeiten Forschende sowie Therapeutinnen und Therapeuten der UZH, ETH Zürich, dem USZ und KiSpi zusammen – aus unterschiedlichsten Disziplinen: der Neurowissenschaft, Neurorehabilitation, Schlafforschung, Medizininformatik, Biomechanik und des Neuroengineering.

 

Zielgerichtetere Therapien können die Behandlungsergebnisse für Blutkrebspatientinnen und -patienten verbessern. Im Bild: 3D-Illustration von akuten lymphoblastischen Leukämiezellen zusammen mit roten Blutkörperchen.

Blutkrebspatienten zielgerichteter behandeln

Für Kinder oder Erwachsene mit Lymphomen, bösartig veränderte Lymphozyten im Lymphknoten oder Knochenmark, oder akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) gibt es ein breites Behandlungsspektrum – von der intensiven Chemotherapie als Standardmethode bis hin zu neuartigen Krebsimmuntherapien, wie die CAR-T-Zell-Therapie. Dank dieser Therapiemöglichkeiten haben sich die Behandlungsergebnisse für die Patientinnen und Patienten verbessert. Bei vielen Betroffenen meldet sich jedoch die Krebserkrankung nach einiger Zeit zurück, weil sie nicht zureichend auf die Behandlungen ansprechen. Denn noch weiss man nicht genau, welches Medikament für welchen Patienten das richtige ist. Es besteht daher ein grosser Bedarf, die Auswahl der möglichst wirksamsten Behandlung für Blutkrebspatienten zu optimieren. Diesem Umstand will das von Thorsten Zenz, UZH-Professor für Hämatologie, geleitete Forschungsprojekt «INTeRCePT» Rechnung tragen.

Dazu etabliert das Forschungskonsortium in einem ersten Schritt eine dreijährige Beobachtungsstudie mit rund 50 Patienten, die im KiSpi oder am USZ behandelt werden und die von einem Rückfall mit einer ALL bzw. einem aggressiven Lymphom betroffen sind. Vor der jeweiligen Behandlung werden den Patientinnen und Patienten Krebszellen entnommen und im Labor kultiviert. Die Zellkulturen werden dann mit Medikamenten getestet, die auch dem Patienten verabreicht werden. Anschliessend werden die Ergebnisse aus dem Labor mit der klinischen Entwicklung des Patienten verglichen, um eine Methode zur Vorhersage zu entwickeln.

Neu ist, dass die Forschenden die molekularbiologischen Reaktionen in einer extrem grossen Auflösung bis auf einzelne Zellen untersuchen werden. «Das hilft uns, die Heterogenität von Krebs- und normalen Immunzellen sowie deren Interaktionen zu verstehen», erklärt Thorsten Zenz. Das Ziel ist es, alle für die Behandlung von Leukämien und Lymphomen zugelassenen Medikamente auf diese Weise zu testen. Mithilfe computergestützter Analysen erstellen die Wissenschaftler eine detaillierte Karte, welche Zellen wie auf die Wirkstoffe reagieren, um so die Wirkung der Medikamente besser prognostizieren zu können. In einer nachfolgenden klinischen Studie werden dann jene Medikamente mit den besten Vorhersagewerten getestet – mit dem Ziel, die Ansprechrate um 50 Prozent zu erhöhen. «Wir hoffen, dass viele andere Forschungsgruppen von unseren Daten profitieren können», so Thorsten Zenz.

Die Komplexität des Forschungsprojekts erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medizinischen Onkologie und Hämatologie, Molekularbiologie, Immunologie, Systembiologie, Bioinformatik, Kinderonkologie in Zürich sowie Experten des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) eng zusammenarbeiten.