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Sehnen verbinden die Muskeln mit den Knochen. Sie sind verhältnismässig dünn, müssen aber gewaltige Kräfte aushalten. Sind die Sehnen leicht elastisch, können sie hohe Belastungen wie zum Beispiel einen Stoss aufnehmen ohne dabei zu reissen. In Sprint- und Sprung-betonten Sportarten sind allerdings steife Sehnen ein Vorteil, denn sie übertragen die in den Muskeln entfalteten Kräfte direkter auf die Knochen. Entsprechendes Training führt denn auch zu einer optimalen Versteifung der Sehnen.
Forschende der Universität Zürich und der ETH Zürich, die an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich tätig sind, haben nun entschlüsselt, wie die Zellen der Sehnen mechanische Belastungen wahrnehmen und die Sehnen an die Anforderungen des Körpers anpassen können. Sie haben ihre Erkenntnisse in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Nature Biomedical Engineering veröffentlicht.
Kern des neuentdeckten Mechanismus ist ein molekularer Kraftsensor in den Zellen der Sehnen, ein sogenanntes Ionenkanal-Protein. Dieses erkennt, wenn sich die Kollagenfasern, aus denen die Sehnen bestehen, gegeneinander in Längsrichtung verschieben. Kommt es zu einer starken solchen Scherbewegung, lässt der Sensor Kalziumionen ins Innere der Sehnenzellen strömen. Dies fördert die Produktion bestimmter Enzyme, welche die Kollagenfasern miteinander verbinden. Die Sehnen verlieren dadurch an Elastizität, sie werden steifer und stärker.
Interessanterweise kommt das dafür verantwortliche Ionenkanal-Protein bei Menschen in verschiedenen genetischen Varianten vor. So haben andere Wissenschaftler vor wenigen Jahren gezeigt, dass eine bestimmte Variante mit dem Namen E756del bei Personen mit westafrikanischer Abstammung gehäuft vorkommt. Damals war die Bedeutung dieses Proteins für die Sehnensteifigkeit noch nicht bekannt. Ein Drittel der Personen mit afrikanischer Abstammung trägt diese Genvariante, während sie in anderen Bevölkerungsgruppen nur selten ist. Diese Genvariante schützt ihre Träger vor schweren Verläufen der Tropenkrankheit Malaria. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich die Variante wegen dieses Vorteils in dieser Bevölkerungsgruppe durchsetzen konnte.
Die Forschenden unter der Leitung von Jess Snedeker, Professor für orthopädische Biomechanik an der Universität Zürich und der ETH Zürich, konnten nun zeigen, dass Mäuse mit dieser Genvariante steifere Sehnen haben. Sie halten es für wahrscheinlich, dass diese Genvariation dazu führt, dass die Anpassungsreaktion der Sehnen auf Training «überschiesst».
Dies wirkt sich auch direkt auf die Sprungkraft bei Menschen aus, wie die Wissenschaftler in Untersuchungen mit 65 freiwilligen afroamerikanischen Studienteilnehmenden zeigten. Von den Teilnehmenden trugen 22 die Variante E756del, bei den restlichen 43 kam diese Variante nicht vor. Weil die Sprungkraft einer Person von sehr vielen Faktoren abhängt, unter anderem von Körperbau, Training und allgemeiner Fitness, verglichen die Forschenden die Leistung der Probanden während eines langsamen und eines schnellen Sprungs. Sehnen spielen während langsamen Sprüngen nur eine kleine Rolle, sind aber bei schnellen Sprüngen besonders wichtig. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den Einfluss der Genvariante auf die Sprungleistung untersuchen.
Dabei zeigte sich, dass Träger der Variante E756del im Schnitt 13 Prozent besser abschnitten. «Es ist faszinierend, dass eine Genvariante, die sich aufgrund einer Anti-Malaria-Wirkung herausgebildet hat, gleichzeitig mit besseren sportlichen Fähigkeiten verbunden ist. Das hatten wir zu Beginn des Projekts nicht erwartet», sagt Fabian Passini, Doktorand in Snedekers Gruppe und Erstautor der Studie. So könne es sein, dass diese Genvariante teilweise erklärt, warum Athleten mit Abstammung aus Ländern, wo E756del sehr häufig ist, bei sportlichen Wettkämpfen brillieren, etwa im Sprint, im Weitsprung oder beim Basketball. «Bis jetzt gibt es noch keine wissenschaftliche Untersuchung, ob diese Genvariante unter Spitzenathleten gehäuft vorkommt. Eine entsprechende Untersuchung wäre jedoch wissenschaftlich interessant», sagt Passini.
Dass nun der Kraftsensor und der Mechanismus bekannt sind, mit dem sich Sehnen an körperliche Anforderungen anpassen können, ist auch für die Physiotherapie wichtig. «Wir verstehen nun besser, wie Sehnen funktionieren. Das dürfte auch helfen, Sehnenverletzungen in Zukunft besser therapieren zu können», sagt Snedeker. Mittelfristig sei ausserdem die Entwicklung von Medikamenten denkbar, welche an den neuendeckten Kraftsensor andockten. Solche könnten dereinst helfen, Sehnen- und andere Bindegewebserkrankungen zu heilen.
Diese Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.