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Werden Sie Ostern im Kreise Ihrer Lieben mit einem leckeren Lammbraten feiern? Oder gehen Sie lieber wandern und verzehren auf dem Gipfel ein feines Picknick? Wie auch immer Sie die Feiertage über Ostern begehen, diese Auszeit haben wir uns verdient, und es sollen schöne, glückliche Tage werden.
Doch was, wenn der Partner gereizt ist. Die Jungen lieber zu den Freunden statt zur Verwandtschaft gehen. Die Oma Fieber bekommt und zuhause bleiben muss. Der Gipfel wolkenverhangen und zu kalt zum Picknicken ist. Sie selbst einfach zu angespannt sind, um Festtagsstimmung zu verspüren.
Dann hilft ein Blick in jenes Buch, das uns die ganze Chose eingebrockt hat: die Bibel. Wenn die weiss, dass Jesus an Ostern von den Toten auferstanden ist, dann wird sie auch wissen, wie man an Ostern glücklich ist. Und die Bibel enthält tatsächlich einige Stellen, die darlegen, wie man glücklich wird. Der UZH-Theologe Daniel Maier hat das «biblische Glück» in seiner Dissertation* herausgearbeitet – und das gilt nicht nur für Ostern.
Der Königsweg der Glücksfindung ist das Beseeltsein vom Heiligen Geist. Den kann man leider nicht einmal im Bioladen bestellen. Er ist ein anspruchsvoller Gast, der am ehesten erscheint, wenn man ihn innerlich offen und freudig erwartet und man seinem Umfeld mit Liebe begegnet. Wen der Heilige Geist heimsucht, der empfindet Glück pur, ein riesiges inneres Erfülltsein, eine innere Flamme der vollkommenen Freude, das absolute Glücksmaximum, das man sich vorstellen kann. Arbeiten wir daran – gläubige Christen haben dabei einen gewissen Vorsprung –, doch bis Ostern wird es wohl nicht mehr reichen.
Gottseidank kannten die jüdischen Gelehrten zur Zeit Jesu noch andere Wege zum Glück. Nachwuchshaben zum Beispiel. Im katholischen Spanien weiss man das schon lange, dort ist der Spruch verbreitet «Niños traen alegría» (Kinder bringen Freude). Die empirische Wissenschaft konnte dieses Glück allerdings nicht vollumfänglich bestätigen. Besonders für die jungen Mütter kommt nach der Euphorie der Geburt oft ein Gefühl der Ernüchterung, wenn ihre persönliche Freiheit in den ersten Wochen, Monaten, Jahren auf gefühlte zehn Minuten pro Tag schrumpft.
Sogar im Alten Testament gibt es Stellen, wo das Kinderkriegen ambivalent beschrieben wird: So wirft sich Stammvater Abraham auf sein Angesicht und lacht, als ihm verkündet wird, dass er in hohem Alter endlich doch noch Vater werde (Genesis 17). Manche antiken Bibelinterpreten sehen Abrahams Lachen eher als Ausdruck von «Das kann doch nicht wahr sein» denn als Ausdruck des Glücks. Andere wiederum machen an Abrahams Lachen eindeutig sein Glück über die Verheissung fest und sehen es als Zeichen seines starken Glaubens.
Das biblische Glück über Nachwuchs hängt bei Abraham und Sara, die lange Zeit keine Kinder bekommen können, stark mit dem Glauben zusammen, der ebenfalls eine Quelle des Glücks sein kann. Aber zu glauben und ein gottgefälliges Leben zu führen, ist gerade in komplizierten Situationen wie einem unerfüllten Kinderwunsch nicht einfach. Als Sara nicht schwanger wird, nötigt sie ihren Ehemann, zumindest mit ihrer Magd Hagar Nachwuchs zu zeugen, was dieser dann tut – ein schwieriges Glück.
Nicht allen ist es gegeben, Kinder zu bekommen. Für sie hält das Judentum, in welchem Jesus aufwuchs, einen anderen Weg bereit: Weisheit. Damit ist nicht etwa das Resultat eines bewegten Lebens voller verschiedener Erlebnisse und Erfahrungen gemeint. Auch wenn ein Mensch vermeintlich alles richtig gemacht hat, selbst wenn er eine bedeutende Position in der Gesellschaft, Macht, Einfluss, Geld, Frauen, Luxus, Saus und Braus errungen hat, stellen sich Weisheit und Glück nicht unbedingt ein. Das musste zumindest Salomon, der dritte König über Israel und Juda, erfahren. Nein, nicht Erfolg macht einen weise, sondern ein Gott zugewandtes Leben. Am besten begibt man sich, so der jüdische Philosoph Philo von Alexandria, dazu in Retraite, wie man heute sagen würde. Damals hiess es: Geh in die Wüste und philosophiere alleine in einer klosterartigen Anlage über das Alte Testament, alle sieben Tage unterbrochen von einem Festtag, an dem du den Vorträgen der Ältesten lauschen und mit anderen singen darfst. Heute würde man raten: Wenn du glücklich sein willst, mach eine Stille-Meditation. Allerdings reichten dem alexandrinischen Philosophen ein paar Tage nicht aus, um Glück und Weisheit zu erlangen. Es müsste schon etwas mehr sein. Ein ganzes Erwachsenenleben zum Beispiel.
Sollte nun der Eindruck entstanden sein, die antiken Bibeltraditionen und ihre Ausleger lieferten wenig brauchbare Anleitungen zum Glücklichsein heute, so ist das falsch. Es gibt einen Weg, um glücklich zu sein, der sehr zeitgemäss und derzeit sogar en vogue ist: dankbar zu sein. Dankbar für das, was wir haben und sind. Zum Beispiel dankbar zu sein, dass die Oma nur Fieber hat und nicht auf der Intensivstation liegt. Dass die Jugendlichen, die nicht am Familienfest teilnehmen wollen, Freunde haben, zu denen sie gehen können. Dass man am Osterfest zwar nicht entspannt ist, aber immerhin frei hat.
Einen Anspruch auf Glück hat der Mensch gemäss Bibel nämlich nicht. Anders als die amerikanische Verfassung behauptet weder das Alte noch das Neue Testament, dass das Streben nach Glück immer von Erfolg gekrönt sein muss. Im Gegenteil. Glück ist eine Gabe, eine Gnade, ein Geschenk Gottes. Es wird dem Menschen von Gott gegeben. Natürlich ist es von Vorteil, wenn man ein ethisch korrektes Leben führt, aber eine Glückgarantie ist das noch lange nicht, wie die schrecklichen Heimsuchungen des frommen Gerechten Hiob im Alten Testament zeigen. Die Glücksfindung unterliegt in der jüdischen Antike und auch im Neuen Testament nicht einer einfachen Wenn-dann-Logik. Der Schöpfer hat das Glück für seine Schöpfung vorgesehen – aber nicht als Folgerichtigkeit, sondern als Gnade und als Ausdruck seiner Liebe.
Einer der aktuell gangbarsten Wege zum Glück ist also wie gesagt die Dankbarkeit. Heute würde man wohl «Achtsamkeit» sagen. Das Konzept Dankbarkeit in der Bibel bezeichnet die gleiche innere Haltung, dass man das Gute, das einen umgibt (in der Bibel: von Gott gegeben wird), bewusst wahrnimmt und schätzt und irgendeiner anderen, höheren Instanz (Gott) dafür dankt. Sich selbst kann man ja schlecht für das Glück, am Leben zu sein (und Ostern feiern zu dürfen), danken. Insofern hat Dankbarkeit immer auch eine transzendente, über das Individuum hinausgehende Komponente. Wenn das Transzendente an Ostern dann auch noch in Form des Heiligen Geistes auf Besuch kommt, ist das Glück perfekt. Muss aber nicht.
Denn schliesslich sind und bleiben wir Menschen. Und das menschliche Glück kann auch nach jüdischer und christlicher Tradition nie perfekt sein. Denn das perfekte Glück kommt nur Gott zu. In diesem Sinne: so glückliche Ostern wie möglich!
* Der obige Artikel beruht auf einem Gespräch mit Dr. Daniel Maier über seine Dissertation «Das Glück im antiken Judentum und im Neuen Testament. Eine Untersuchung zu den Konzepten eines guten Lebens in der Literatur des Zweiten Tempels und deren Einfluss auf die frühchristliche Wahrnehmung des Glücks», WUNT II, Tübingen 2021. Wer zum biblischen Glück gerne wissenschaftlich liest, kann Daniel Maiers bald im Verlag Mohr Siebeck erscheinende Dissertation ab Sommer in der Zentralbibliothek Zürich ausleihen.