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Neurowissenschaftler Tommaso Patriarchi bringt Mäusegehirne zum Leuchten – mit fluoreszierenden Neurosensoren. Diese scheinen in einer bestimmten Farbe auf, je nachdem welcher Botenstoff an ihnen andockt. Patriarchi hat diese Sensoren selbst entwickelt und er verdankt ihnen seinen «Heureka-Moment»: «Ich habe Hunderte von Molekülen ausprobiert. Als ich jenes fand, das funktioniert, sprang ich von meinem Stuhl auf. Ich war wirklich aufgeregt, denn ich wusste, ich hatte etwas Goldenes entdeckt.»
Das Goldene leuchtete grün auf Patriarchis Bildschirm. Es war der erste von ihm entwickelte Sensor für den Neurotransmitter Dopamin, ein chemischer Botenstoff, der auch als Glückshormon bezeichnet wird, weil er unseren Gefühlshaushalt steuert. Glücklich war auch Tommaso Patriarchi in diesem Moment und er gab seiner Erfindung den Namen «dLight», in Anspielung auf das Licht, das der Sensor ausstrahlt, und das englische Wort delight, Entzücken.
«dLight» war Patriarchis wissenschaftlicher Durchbruch. Heute werden seine Sensoren von Labors auf der ganzen Welt eingesetzt, um das Gehirn zu erforschen. Mittlerweile hat sein Team weitere Sensoren für andere Botenstoffe entwickelt. «Unser Ziel ist, eine Werkzeugkiste mit vielen verschiedenen Sensoren zu schaffen», erklärt der 33-Jährige, der als Assistenzprofessor am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UZH arbeitet, «denn im Gehirn gibt es Hunderte von Neurotransmittern. Jeder vermittelt spezifische Botschaften und reguliert spezifische Funktionen.»
Patriarchi selbst war schon als Kind fasziniert vom Gehirn, «dem komplexesten Produkt der Evolution, das heute noch eines der grössten ungelösten Rätsel ist», wie er sagt. Mit Hilfe seiner Sensoren will er nun die Vorgänge entschlüsseln, die unseren Gehirnfunktionen zugrunde liegen: die Interaktion der Nervenzellen, die über die verschiedenen Botenstoffe miteinander kommunizieren. Er nennt dies die chemische Sprache des Gehirns. «Sie moderiert alle Prozesse, die im Gehirn ablaufen oder von diesem gesteuert werden, wie Bewegungen, Wahrnehmung, unsere Emotionen und unser Denken», erklärt Patriarchi.
Doch wie «sprechen» die Nervenzellen miteinander? «Sie tun dies mit den Neurotransmittern, das sind kleine Moleküle, die wir als die Wörter beschreiben können, die die Nervenzellen sich gegenseitig zurufen.» Neurotransmitter werden von den Neuronen ausgeschieden und empfangen. Für den Empfang haben die Nervenzellen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren, für jeden Botenstoff einen spezifischen. Um den jeweiligen Empfänger sichtbar zu machen, hat Patriarchi diesen mit einem fluoreszierenden Protein versehen. Dieses leuchtet auf, wenn der Botenstoff an den Rezeptor bindet.
Patriarchis Sensoren eröffnen einen hochaufgelösten Blick auf die zeitliche und räumliche Dynamik der Botenstoffe im Gehirn. «Dank der Sensoren können wir beispielsweise Dopamin von anderen Neurotransmittern unterscheiden», erklärt der UZH-Neurowissenschaftler, «und wir können nachverfolgen, wie es an den Nervenzellen andockt. Das war bisher nicht möglich.»
Dank Patriarchis fluoreszierenden Sensoren kann mit bildgebenden Verfahren dabei zugeschaut werden, wie Nervenzellen miteinander «reden» und was dieses Zwiegespräch auslöst. Im Fall von Dopamin allenfalls Glücks- oder Belohnungsgefühle. Doch wenn die Kommunikation zwischen den Neuronen schiefläuft, können es statt mentaler Höhenflüge Psychosen und andere psychische Störungen sein. «Die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin oder Serotonin beeinflusst die Befindlichkeit unseres Gehirns», sagt Patriarchi, «wenn diese gestört ist, kann das zu Erkrankungen wie Depressionen oder Drogensucht führen.»
Angefangen hat Tommaso Patriarchis wissenschaftliche Karriere an der Universität Siena. Von dort kam er als Doktorand an die Universität von Kalifornien in Davis. Zu dieser Zeit erforschte er, wie die Neurorezeptoren funktionieren und wie sie die neuronale Aktivität regulieren. «Dabei wurde mir klar, dass uns weitgehend die Werkzeuge fehlten, die wir bräuchten, um auf unserem Forschungsgebiet voranzukommen und die Gehirnfunktion besser zu verstehen», erzählt der Neurowissenschaftler. Er hat sich umgesehen und jene Technologie entdeckt, die er heute so erfolgreich anwendet: genetisch kodierte Sensoren. Sie erlauben, die Aktivitäten von Zellen mit Hilfe von fluoreszierenden Proteinen sichtbar zu machen. Das ist der Schlüssel, um die Vorgänge im Gehirn besser zu verstehen. Das prominenteste Beispiel ist das Protein der Qualle Aequorea victoria, das bei Beleuchtung mit blauem Licht grün leuchtet. Seine Entdeckung wurde 2008 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.
«Die Optogenetik hat die Neurowissenschaften in den vergangenen 15 Jahren revolutioniert», erklärt Patriarchi. Er entschied sich, selbst Teil der Revolution zu werden, und entwickelte seinen ersten eigenen optogenetischen Sensor – «dLight».
Seit einem Jahr ist Patriarchi nun dabei, sein Labor und sein Team an der UZH aufzubauen. Er hat dafür unter anderem neben gut 800000 Franken vom SNF auch einen ERC Starting Grant erhalten, der mit 1,5 Millionen Euro dotiert ist. Die Finanzierung für die nächsten Jahre ist damit gesichert.
Und sein neues Labor kann bereits den ersten wissenschaftlichen Erfolg verzeichnen. «Wir haben drei neue Sensoren für Neuropeptide entwickelt, jeder von einem anderen Studierenden», erzählt Patriarchi stolz. Einer davon soll bald bei einem Top-Journal auf dem Gebiet eingereicht werden.
Nun will Patriarchi den nächsten Schritt machen und seine Sensoren zur Klärung biologischer Fragen einsetzen: «Wir wollen die Mechanismen von Hirnerkrankungen untersuchen.» Auf die Ergebnisse dürfen wir gespannt sein. Vielleicht finden Tommaso Patriarchi und sein Team wieder etwas Goldenes.