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Lea*, Medizinstudentin im 4. Semester, loggt sich in ein Lernprogramm ein. Es geht darum, anhand eines virtuellen Patienten Krankheitssymptome einzuordnen und eine Diagnose zu stellen. Leas virtueller Patient schildert seine Leiden, und Lea stellt am Ende des digitalen Kurses eine sachgerechte Diagnose. Anders ihr Kollege Frank*: Er hat es mit einem wenig kooperativen Patienten zu tun, der unwirsch und schlecht gelaunt reagiert. Frank lässt sich verunsichern, er kommt zu einer falschen medizinischen Einschätzung.
Dass selbst in digitalen Formaten der Kontext – wie etwa die Stimmung des Patienten – Auswirkungen auf die medizinische Entscheidung haben kann, ist ein Ergebnis der Forschung von Inga Hege. «Das ist sehr interessant», sagt sie, «wir können Situationen so gestalten, dass die Studierenden aus Fehlern lernen und sich für die Untersuchungen am ‘echten’ Patienten gut vorbereiten können».
Inga Hege wurde als Inge-Strauch-Gastprofessorin von der UZH eingeladen, ihr Fachwissen über digitale Lehre in der Medizinischen Fakultät einzubringen. Zusammen mit dem Team des Studiendekanats arbeitet sie seit Februar an einem Digital-Skills-Projekt, das von swissuniversities gefördert wird. Dabei werden Wünsche und Bedürfnisse von Studierenden und Lehrenden im Bereich digitaler Lehre eruiert, kleinere Pilotprojekte in Vorklinik und auch im klinischen Studienabschnitt sollen zum Entscheid beitragen, welche digitalen Formate künftig in das Curriculum einfliessen sollen. Die Einbindung neuer multimedialer Medien hat durch die Corona-Pandemie neuen Schub erhalten, doch steht nun zur Diskussion, welche Lern- und Lehrinhalte weiterhin in digitaler Form vermittelt werden sollen.
Die Privatdozentin der Universität Augsburg hat Medizin und Informatik studiert und sich auf Medizindidaktik spezialisiert. Für ihre Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) entwickelte sie ein Lernprogramm im Bereich Arbeitsmedizin. An der LMU sei die Medizindidaktik seit längerer Zeit etabliert, sagt Hege. Sie spricht aus Erfahrung, wenn sie betont, dass nur eine Mischung aus digitalen Formaten und Präsenzveranstaltungen Erfolg haben könne. Es sei zudem sehr wichtig, dass digitale Formate nicht als Beiwerk verstanden werde. «Kommen digitale Formate zum Curriculum zusätzlich hinzu, bedeutet das für die Studierenden noch mehr Inhalte, die sie dann als Belastung erleben.» Die Sichtweise der Studierenden habe man zu Beginn der 2000-Jahre, als der E-Learning-Hype begann, zu wenig berücksichtigt. Ihr Ziel sei es hier in Zürich mitzuhelfen, eine langfristige und nachhaltige Strategie zu entwickeln, wie man digitale Formate ins Curriculum einbauen könne.
Inga Hege wird noch bis Juli an der UZH bleiben, danach geht es zurück an die Universität Augsburg, dort wird sie weiter über den Einsatz von virtuellen Patienten im Zusammenhang mit dem Erlernen von klinischem Denken forschen. Es sei bis heute nicht bekannt, welche Eigenschaften bzw. Rahmenbedingungen das Erlernen von klinischem Entscheiden am effektivsten fördern. Inga Heges Ziel ist es, Schlüssel-Konzepte des klinischen Entscheidungsprozesses mit einem qualitativen Ansatz zu identifizieren.
*Namen geändert