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Seit Beginn des 17. Jahrhundert ist bekannt, dass Zitrusfrüchte Skorbut verhindern. Doch erst 1776 kam Captain Cook erstmals auf die Idee, Zitronen und Sauerkraut auf seine Expedition mitzunehmen. Bis die britische Marine nachzog, vergingen nochmals 20 Jahre, in denen zahlreiche Seeleute an Vitamin-C-Mangel starben.
Diese Geschichte erzählte Professorin Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin an der UZH, in ihrer Begrüssungsrede vom 28. Oktober am Launch Event des Instituts für Implementation Science in Health Care. «Auch heute dauert es in der Regel noch 15 Jahre oder mehr, bis gesichertes Wissen die Routineversorgung erreicht», stellte Beck Schimmer fest. Dabei habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass es mit dem nötigen Druck und einer guten Zusammenarbeit schneller gehen kann.
Mit der Gründung des schweizweit ersten Instituts für Implementation Science in Health Care soll sich die Situation verbessern. Ziel der noch jungen wissenschaftlichen Disziplin ist es, den Weg von der klinischen Forschung in die Patienten-Versorgung zu ebnen. Denn häufig werden die Resultate nicht effizient in die Praxis übertragen. Dieses Systemversagen kann zu Über-, Unter- oder Fehlversorgung führen.
Der Forschungsprozess umfasse die Bereiche Grundlagenforschung, translationale und klinische Forschung sowie die Implementierung in die Versorgung, erklärte die Vize-Dekanin für Forschung Professorin Maries van den Broek. Zwischen diesen Bereichen will die Medizinische Fakultät Brücken bauen. «Da die verschiedenen Bereiche oft eine andere Sprache sprechen, ist es wichtig, sie zu verbinden», führte die Vize-Dekanin aus. Auf jeder Stufe können wieder neue Fragen auftauchen, die in eine andere Stufe zurückfliessen müssen. «Wichtig wäre es, mit einem Bein in der Forschung zu stehen und mit dem anderen am Patientenbett.»
Die nächste Referentin wurde vom geschäftsführenden Direktor Peter Brauchli als Geburtshelferin des neuen Instituts eingeführt. Professorin Claudia Witt, Direktorin des Instituts für komplementäre und integrative Medizin, erzählte, wie sich der Aufbau gestaltet hat: «Der Weg war weder schnell noch geradlinig. Und das ist gut so.» Dadurch sei eine innovative Ausrichtung möglich, die parallele Entwicklungen wie Digitalisierung, Wissenszirkulation und Interprofessionalität integriert.
Bei der Entwicklung seien zahlreiche Stakeholder einbezogen worden – von lokalen bis zu internationalen. Zudem wurde bei der Zusammenstellung des Teams auf Diversität geachtet, damit verschiedene Blickwinkel vertreten sind. Wichtig sei auch der geographische Standort in unmittelbarer Nähe des Universitätsspitals, wo Implementierung stattfindet, betonte Witt. Sie stellte im Weiteren die drei Professuren am IfIS vor.
Aus den USA zugeschaltet war David A. Chambers, Deputy Director for Implementation Science am National Cancer Institute. Der bekannte und erfahrene Wissenschaftler führte eindrücklich aus, wie ineffizient die Übertragung von Forschungsergebnissen in der Regel verläuft: Im Durchschnitt dauert es 17 Jahre, um 14 Prozent der ursprünglichen Forschung zum Wohl von 50 Prozent der Bevölkerung umzuwandeln. «Wenn wir uns nur auf unsere Publikation verlassen, werden wir nicht die wunderbare Wirkung erzielen, die wir uns erhofften.» Vielmehr müsse man auch beim Training der Ausführenden ansetzen und sicherstellen, dass die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen. Bei all diesen Hindernissen werden in der Regel nur sechs Prozent des ursprünglich erhofften Nutzens realisiert, erläuterte Chambers.
Hat es ein Forschungsergebnis einmal zur Umsetzung in der Praxis geschafft, muss sichergestellt werden, dass dieser Erfolg nachhaltig ist. Ein wichtiger Aspekt des Fachgebiets ist zudem die De-Implementierung von Behandlungsformen, die sich als zu wenig wirksam oder überholt erweisen. Im Bereich der Implementation Science gibt es zahlreiche Modelle, die an verschiedenen Punkten ansetzten – zum Beispiel bei den spezifischen Fachpersonen oder auf der organisatorischen oder regulatorischen Ebene. Auf die Frage nach sichtbaren Erfolgen in den USA, wo die Disziplin bereits seit Jahren etabliert ist, antwortete der Experte: «Einige Systeme machen es sehr gut, andere konnten wir noch nicht optimal erreichen.»
Am anschliessenden Podium wies Patientenvertreterin Judith Safford darauf hin, wie wichtig bei Forschungsprojekten ein früher Einbezug von Patienten und Patientinnen sowie der Bevölkerung ist. Sie stellte zudem die Methode nach der James Lind Alliance vor, bei der Fachleute und Patienten gemeinsam Forschungsprioritäten definieren. Derweil skizzierte Professor Frank J. Rühli, Dekan der Medizinischen Fakultät, die weiteren nötigen Schritte: «Es braucht Überzeugungsarbeit vor Ort und bis in die Politik hinein.» Die Öffentlichkeit müsse den Sinn der Implementation Science verstehen, letztlich auch, damit das benötigte Geld gesprochen wird. Gefragt, wo das neue Institut in fünf Jahren stehen sollte, antwortete Rühli: «Es sollte eine gewissen Selbstverständlichkeit erreicht haben, sodass die Leute automatisch auf das Team zukommen.»