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Daniel Ziblatt gehört zu den prominenten Analytikern der US-amerikanischen und europäischen Politik. Seine beiden Bücher «Conservative Parties and the Birth of Democracy» und «How Democracies Die», haben in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt, auch bei prominenten Politikern wie Joe Biden und Barack Obama.
Ziblatts Interesse gilt den politischen Mechanismen, die extremen Politikern und Parteien den Weg an die Macht ermöglichen. Am Mittwochabend hat er in einer online-Vorlesung über den sogenannten «Bumerang-Effekt» gesprochen und wie dieser die Demokratie bedroht.
Als Bumerang-Effekt bezeichnet Ziblatt die Tatsache, dass die politischen Prozesse in vielen westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten offener, transparenter und partizipativer, das heisst demokratischer geworden sind. Der Bumerang besteht aus seiner Sicht darin, dass dieses Mehr an Demokratie populistischen Politikern und Parteien neue Möglichkeiten eröffnet, an die Macht zu kommen und sie diese dann nutzen, um die Demokratie auszuhöhlen.
Der Vortrag wurde organisiert vom universitären Forschungsschwerpunkt «Equality of Opportunity» und moderiert von Silja Häusermann, Professorin für Politologie an der UZH.
In seinem Vortrag präsentierte Ziblatt eine Auslegeordnung, in der er einerseits darlegte, weshalb die westlichen Demokratien durch illiberale Bewegungen bedroht werden und andererseits, wie sie sich dagegen schützen können.
Auf die Frage, weshalb antidemokratische Politiker und Parteien so stark geworden sind, gab Ziblatt zwei Antworten. Einerseits eine erwartbare entlang der Stichworte wie Globalisierung, wachsende Ungleichheit, Immigration und ethnische Diversifizierung und die Abwehrreflexe, die diese auslöst.
Damit hielt er sich nicht lange auf, sondern wechselte rasch zu seiner zentralen These. Die geht so: Populistische, antidemokratische Kräfte sind erstarkt, weil das traditionelle Establishment schwächelt. Unter dem traditionellen Establishment versteht Ziblatt den Dreizack aus politischen Parteien, Interessengruppen und den Medien. Sie alle kontrollierten in der Vergangenheit die politischen, finanziellen und medialen Ressourcen, die es brauchte, um an die Macht zu gelangen.
Die Macht dieser Gatekeeper ist erodiert. So werden in den USA seit den 1970er-Jahren die Kandidaten für die Präsidentschaft nicht mehr in den sprichwörtlich verrauchten Hinterzimmern auf den Schild gehoben, sondern in Primärwahlen erkoren.
Die Interessengruppen wie Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften spielen zwar immer noch eine Rolle, aber sie sind beispielsweise für die Finanzierung einer Kandidatur nicht mehr absolut zentral. Das hat der linke Abweichler Bernie Sanders bewiesen, der 2016 gleichviel Geld für seinen Präsidentschafts-Wahlkampf eingeworben hat wie die Kandidatin des Establishments der Demokraten Hillary Clinton.
Auch die früher mächtigen Medien wie die grossen Fernseh- und Radiostationen und Zeitungen haben einen Teil ihrer Gatekeeper-Funktion verloren. Heute kann man dank der sozialen Medien auch ohne sie oder gegen sie an die Macht kommen, wie Trump in den USA und Bolsonaro in Brasilien bewiesen haben.
All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die demokratische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung offener und pluralistischer geworden sind. Gleichzeitig haben sie jedoch die Türe geöffnet für antidemokratische Bewegungen, die mit demokratischen Mitteln an die Macht kommen können und dann die Demokratie aushöhlen.
Beispiele dafür finden sich in Europa in der Türkei, Ungarn oder Polen. In den USA offerierte die Trump-Präsidentschaft einen Vorgeschmack darauf, was passieren kann, wenn ein populistischer Politiker an die Macht kommt, der sich um demokratische Regeln foutiert.
Ziblatt sagt dazu: «In der Vergangenheit hat das Establishment die Macht kontrolliert und Leitplanken für die Demokratie gesetzt. Diese fallen nun immer mehr weg.»
Das Problem ist, dass das Fehlen dieser Leitplanken die Demokratie an sich gefährdet. Was kann dagegen unternommen werden? Was macht Demokratien resilient gegen den Umsturz von rechts oder von links?
Ziblatt schaut in die Vergangenheit und definiert drei mögliche Strategien.
Alle drei Strategien haben sich in der Vergangenheit schon bewährt. Das bietet jedoch keine Gewähr, dass dies in Zukunft auch der Fall sein wird.
Was nach Ziblatts luziden Ausführungen klar ist: Unsere liberalen westlichen Demokratien sind fragil, fragiler als wir noch vor ein paar Jahren glaubten, als ihr scheinbar endgültiger Sieg verkündet wurde. Und es gibt keine einfachen Lösungen. Entscheidend wird letztlich sein, ob die Wählerinnen und Wähler die Demokratie höher gewichten als vollmundige populistische Versprechungen.