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Meine Alma Mater

«Ich bin gern theoretisch kreativ»

Persönlichkeiten blicken auf ihre Studienzeit an der UZH zurück. Diesmal Salome Hohl, Kunsthistorikerin, Kuratorin und neue Direktorin des Cabaret Voltaire.
Alice Werner
Salome Hohl interessiert sich besonders für Frauen wir Emmy Hennings (l.) und Sophie Taeuber-Arp, die in der Dada-Historisierung lange wenig beachtet wurden.

 

Im historischen Saal des Cabaret Voltaire ist es an diesem heissen, helllichten Sommertag angenehm schummrig. Salome Hohl, 35, Ostschweizerin, lange blonde Haare, leuchtend rote Lippen, knallblauer Hosenanzug, besprüht sich die Hände mit Desinfektionsmittel, schiebt Tische und Stühle auseinander. Auch am Geburtsort der Dada-Bewegung, der traditionellen Adresse für Querdenker, Künstlerinnen, Träumer und Närrinnen, hält man sich strikt an die Covid-19-Schutzmassnahmen. Wo einst alles Schräge, Groteske und Absurde erlaubt und Normalität verpönt war, herrschen heute normierte Verhaltensregeln.

Eine Krise, die zu Konformität zwingt – wie passt das mit Dada zusammen? Salome Hohl hat gleich eine Antwort parat: «Bei den Schutzmassnahmen geht es um Solidarität und darum, dass Kultur auch mit Covid-19 weiterbestehen kann und auf die aktuellen Ereignisse reagiert – nicht um normiertes Handeln und Denken.»

Das dadaistische Erbe pflegen

Seit Januar ist Hohl als Direktorin des Cabaret Voltaire im Amt und für das künstlerische Konzept und das Veranstaltungsprogramm verantwortlich. Nach ihrem pandemiebedingten «surrealen Start» freut sie sich jetzt auf ein anregendes zweites Halbjahr als Initiatorin und Gastgeberin interdisziplinärer Diskussionsrunden, wöchentlicher Soireen, überraschender Performances, Lesungen und Ausstellungen. «Der disziplinenübergreifende Austausch, das Gemeinschaftliche, die Gespräche, Begegnungen und Konfrontationen sind der Kern des dadaistischen Erbes, das ich nach Möglichkeit auch unter Corona-Vorzeichen pflegen will. Daher sind mir Kollaborationen mit anderen Kulturschaffenden, Denkerinnen, Künstlern und Forschenden sehr wichtig.»

Viele Kontakte in die Szene hat sie während ihrer Ausbildungszeit geknüpft. Seit 15 Jahren lebt die Appenzellerin, die in einer 1800-Seelen-Gemeinde aufgewachsen ist, in Zürich. Ging es ihr anfangs nur darum, so schnell wie möglich in die grösste Stadt der Schweiz zu ziehen, hat sie hier mittlerweile ihre Heimat gefunden.

«Meine Studienzeit war identitätsstiftend»

Weil sie etwas Sinnvolles machen und die Gesellschaft mitprägen wollte, absolvierte Salome Hohl an der Pädagogischen Hochschule Zürich zunächst einen Doppelbachelor auf Kindergarten- und Primarstufe und unterrichtete auf diversen Schulstufen. Parallel dazu tauchte sie in die Zürcher Kulturszene ein – und merkte bald zweierlei: «Dass ich zwar gerne künstlerisch tätig bin, aber noch lieber theoretisch kreativ werde.» Um sich das dafür nötige geistige Rüstzeug und das entsprechende Vokabular anzueignen, schrieb sie sich zum Zweitstudium an der Universität Zürich für Kunstgeschichte, Philosophie und Kulturanalyse ein.

Rückblickend, so formuliert es Hohl beim Treffen im Cabaret Voltaire, empfinde sie ihre Zeit an der UZH als absolut prägend, ja gar identitätsstiftend: «Ich war älter als die anderen Studierenden, vielleicht auch fokussierter und zielorientierter, gleichzeitig aber auch sehr neugierig und offen für intellektuelle Anreize.» Im geisteswissenschaftlichen Studium habe sie gelernt, ein Thema gut zu durchdenken und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, komplexe, ambivalente Problematiken durch hartnäckiges, kritisches (Nach-)Fragen zu analysieren, sich auch auf sperrige, herausfordernde Materie einzulassen und relevante Debatten zu führen, die andere zum Mitdenken anregten. An dieser Stelle wird Salome Hohl, die ihre Rolle als Gesprächspartnerin sehr professionell spielt, persönlich: «Für mich war die Universität eine unglaublich wichtige Basis. Ich bin, gerade auch in meiner jetzigen Jobposition, sehr froh über die geistige Landkarte, die ich während meiner Zeit an der UZH anlegen konnte.»

Bereits während ihres Studiums versuchte Hohl in der Kunstwelt Fuss zu fassen, konzipierte Ausstellungen in Zürcher Offspaces, schrieb Texte für Fachpublikationen und absolvierte ein Praktikum in der Kunst Halle Sankt Gallen. Schnell stieg sie im renommierten Haus, das sich als «Labor der Gegenwart» versteht, zur Assistenz- und Co-Kuratorin auf und machte erste Erfahrungen in der Kunstvermittlung, insbesondere als Dozentin für Kunstgeschichte an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich.

Der perfekte Ort

Dass sie ihren Arbeitsort nun an einer international bekannten Kunstadresse habe, sei «absolut grossartig», meint Salome Hohl am Ende des Gesprächs. «Das Cabaret Voltaire ist der perfekte Ort für mich. Hier vereinen sich alle Themengebiete, die mich interessieren: die zeitgenössische Kunst, die Wissenschaft, das Historische, Experimentelle und Gemeinschaftliche und das aktuelle Zeitgeschehen.» In diesem Sinn wird die Corona-Krise Salome Hohl noch einige Zeit «als Ereignis, das die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft in allen Bereichen herausfordert», begleiten.

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