Navigation auf uzh.ch
«Mit nachhaltigen Investitionen kann man die Welt retten», sagt Falko Paetzold, «aber es ist kompliziert.» Dann wollen wir mal. Denn Paetzold muss es wissen. Er leitet das Center for Sustainable Finance and Private Wealth (CSP) der Universität Zürich, das daran arbeitet, die weltweiten Finanzströme in nachhaltige Bahnen zu lenken. Dass das nicht einfach ist, liegt auf der Hand, denn wie die natürlichen Wasserläufe fliesst auch das globale Kapital durch zum Teil tief eingegrabene Kanäle an die immer gleichen Orte.
Das muss sich ändern. Und das kann sich ändern. Dies zeigt die Forschung des CSP. «Ein Grossteil der Superreichen sind daran interessiert, nachhaltig zu investieren», weiss Paetzold aufgrund von Umfragen und eigenen Studien, «aber weniger als zehn Prozent tun das im Moment.» Der UZH-Ökonom erklärt, woran es liegt: Viele Investoren wissen nicht, wie sie ihr Geld nachhaltig anlegen können. Verantwortlich dafür sind einerseits sie selbst, andererseits die Berater bei den Banken. «Berater haben oft einen ökonomischen Zielkonflikt: Sie sollen hohe Gebühren generieren und viele Kunden bedienen», kritisiert Paetzold, «da passen nachhaltige Investitionen nicht rein, denn um diese zu erklären, braucht es Zeit und Wissen.» Bankberater verfügen oft weder über das eine noch das andere. Im schlimmsten Fall wolle der Kunde dann nach der Nachhaltigkeit auch noch über Transparenz und Gebühren der Bank selbst sprechen. Da lasse mancher Berater es lieber gleich bleiben, sagt Paetzold.
Das Verrückte dabei: Wenn nur ein Bruchteil der grossen Vermögen in nachhaltige Anlagen fliessen würde, könnten viele globale Probleme gelöst werden. Um die UNO-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen, werden geschätzt 2,5 Billionen Dollar pro Jahr benötigt. Auf der anderen Seite kontrollieren die Millionäre und Milliardäre, das sind 0,7 Prozent der Weltbevölkerung, 140 Billionen, was der Hälfte aller Vermögen entspricht.
Das heisst: Auf der einen Seite haben wir eine enorme Konzentration von Kapital und Macht und ein grosses Interesse an Nachhaltigkeit. Auf der anderen Seite heutige und künftig drohende Umweltdesaster, für die es Lösungen gibt wie beispielsweise Alternativen zu Fleisch oder zu fossilen Energien, wie Sonnenenergie, Wind- oder Wasserkraft.
Das CSP spricht deshalb die Superreichen direkt an, mit Workshops, in denen ihnen aufgezeigt wird, wie sie nachhaltig investieren können. Die Strategie ist ein Erfolg. Am letzten Workshop, der in Harvard durchgeführt wurde, nahmen 33 Personen mit einem Durchschnittsvermögen von zwei Milliarden Dollar teil. Oft sind das Sprösslinge reicher Familien, die mit ihrem Geld etwas Sinnvolles tun wollen und die die älteren Familienmitglieder überzeugen müssen, die noch die Zügel in der Hand halten.
Die CSP-Seminare haben drei Ziele: Den Investoren wird gezeigt, wie sie ihr Geld mit der grösstmöglichen Wirkung nachhaltig anlegen können; die Teilnehmer tauschen sich gegenseitig aus und merken so, dass sie ähnliche Probleme und Widerstände in ihren Familien erfahren; und sie lernen, wie sie andere Familienmitglieder und ihre Berater davon überzeugen können, ihr Kapital in neue Bahnen zu lenken.
Nur: Rechnen sich nachhaltige Investitionen? Sind sie riskanter als konventionelle? Paetzolds Antwort ist eindeutig: «Wer glaubt, nachhaltig bedeute weniger profitabel, macht einen Denkfehler.» Einerseits zeigten Studien, dass nachhaltige Investitionen gleich gute oder bessere Erträge erbringen können, andererseits sollte man seinen gesunden Menschenverstand befragen: «In welches Unternehmen würden Sie eher investieren: in eines, das seine Mittel verschleudert, oder eines, das achtsam mit seinen Ressourcen, den Mitarbeitern und der Umwelt umgeht?» Welches Unternehmen dürfte mittel- und langfristig erfolgreicher und profitabler sein? «Nicht nachhaltig zu wirtschaften, bedeutet oft einfach, Ressourcen zu vergeuden», so Paetzold. Im Umkehrschluss bedeutet das: Nachhaltigkeit bei Unternehmen kann ein Indikator für gutes Management sein. «Nachhaltig zu investieren, heisst oft einfach nicht doof sein», sagt Paetzold.
Ja, und wer ist schon gerne doof? Nur, um nicht doof zu sein, muss man Bescheid wissen, verstehen, wie die Dinge funktionieren. Das CSP berät nicht nur die Superreichen, es macht auch Grundlagenforschung. So wird untersucht, welche Investitionen wirklich nachhaltig sind und welche pro Dollar die grösste Wirkung haben. Schliesslich soll das Kapital etwas verändern. Deshalb ist entscheidend, wofür es eingesetzt wird. So bringt es beispielsweise wenig, nicht mehr in Kohle zu investieren, solange jemand anderes die Aktien kauft. Ausser man ist ein wichtiger Investor und spricht darüber wie die Rockefeller-Stiftung, deren Ankündigung, nicht mehr in Öl und Gas zu investieren, auf der Titelseite der «New York Times» landete. Hoch wirksam kann es dagegen sein, direkt in Firmen zu investieren, die versuchen, Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen und die Geld brauchen, um dieses Ziel zu verwirklichen.
Die Banken und ihre Berater sind heute Teil des Problems, weil sie oft noch zu wenig tun, um ihren Kunden nachhaltige Anlagen anzubieten. Künftig sollen sie ein Teil der Lösung sein. Auch daran arbeitet das CSP, indem es Informationen zur Verfügung stellt und diese an Berater und Banken heranträgt. «Im Moment tut sich einiges», sagt Paetzold, «viele Banken realisieren, dass ihre Kunden nachhaltig investieren wollen und sich damit für sie ein neues Geschäftsfeld auftut.» In Zukunft, so hofft Paetzold, sollten nachhaltige Investitionen Standard sein. Wer das nicht will, müsste sich aktiv dagegen entscheiden. Heute ist es noch umgekehrt.
Das Bewusstsein, mit Investitionen etwas verändern zu können, brauchen nicht nur Milliardäre, sondern wir alle. «Wir müssen verstehen, dass wir alle reich sind», sagt Paetzold. Wer über ein Vermögen inklusive Pensionskasse von rund 90000 Franken verfügt, gehört weltweit zu den reichsten zehn Prozent. Bei einem Vermögen von 860000 Franken gar zum reichsten Prozent (Haus nicht eingerechnet). Das bedeutet: Wir müssen uns an der eigenen Nase nehmen und etwas tun. Etwa indem wir von unseren Pensionskassen verlangen, nachhaltig anzulegen. Oder indem wir bei unserer Bank nachfragen, ob die Fonds, in die unsere Vorsorge investiert ist, nachhaltig sind. Oder indem wir als Aktionäre aktiv von unserem Stimmrecht Gebrauch machen. Oder indem wir Parteien wählen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen.
Es gibt einiges, was wir tun können, um die Finanzströme so umzulenken, dass sie eine nachhaltige Wirtschaft zum Blühen bringen. So kompliziert, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag, ist es gar nicht. Nachhaltig zu denken und zu investieren, sollte so selbstverständlich werden, wie Bioäpfel zu essen, findet Paetzold. Am CSP der UZH wird daran gearbeitet, dass sich dieser Gedanke in der Welt verbreitet.