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Plötzliche Schwindelattacken oder heftige Kopfschmerzen, halbseitige Lähmungen, Taubheitsgefühle, Schwierigkeiten beim Sehen oder Sprechen, sind alles Symptome, bei denen wir aufhorchen sollten. Denn sie können Anzeichen eines Schlaganfalls sein, ein Schicksal, das jedes Jahr bei rund 16‘000 Personen in der Schweiz zuschlägt. Dabei verschliessen sich hirnversorgende Gefässe, was dazu führt, dass die betroffenen Hirnregionen zu wenig durchblutet werden. Je nachdem welche Bereiche des Gehirns betroffen sind, treten unterschiedliche Funktionsstörungen auf. Ob und wie stark eine Beeinträchtigung nach einem überwundenen Schlaganfall zurückbleibt, hänge nicht nur vom Ausmass der Schädigung des Gehirns ab, sondern auch von der Qualität der darauffolgenden Rehabilitation, erklärte UZH-Professor Andreas Luft, Leitender Arzt an der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich und medizinischer Direktor der Rehabilitationsklinik cereneo, im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Wissen-schaf(f)t Wissen» des Zürcher Zentrums für Integrative Humanphysiologie.
«Das Ziel ist es, schon in der Akutphase möglichst viele Beeinträchtigungen aufzuarbeiten, obwohl man durchaus auch später noch Verbesserungen erzielen kann», erläuterte Luft. Dabei arbeiten Neurologen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Pflegepersonal Hand in Hand, um die Erholung von den verschiedenen neurologischen Ausfällen zu fördern und somit den Betroffenen zu helfen, ihre Selbständigkeit wieder zu erlangen. «Es mag erstaunen, aber die Intensität der Therapie ist dabei wichtiger als der Inhalt», fügte Luft an. So fanden Studien keinen Erfolgsunterschied zwischen einer Roboter-gestützten Therapie und einer Physiotherapie, die auf solche Hilfsmittel verzichtet, solange beide gleich intensiv waren. Ein Beispiel einer sehr effektiven aber einfachen Form der Therapie ist die sogenannte «Constraint induced movement therapy» (CIMT). Dabei wird beispielsweise der gesunde Arm immobilisiert, sodass der beeinträchtigte Arm in dieser Zeit sowohl während der Physiotherapie als auch im Alltag intensiv benutzt und trainiert werden muss. «Diese Methode ist sehr erfolgreich, da äusserst intensiv», erklärte Luft. Die ständige Benützung des betroffenen Arms fördert die Entwicklung von neuen neuronalen Netzwerken im nicht-geschädigten Rest des Gehirns, sodass der Patient oder die Patientin den Arm immer besser bewegen kann.
«Ohne Wille und Motivation lässt sich eine solche intensive Therapie aber nur schwer durchziehen», sagte Luft. Dies sei möglicherweise ein Grund, weswegen Spitzensportler*innen oft aussergewöhnliche Rehabilitationserfolge zeigen, spekulierte er. Denn sie sind sich intensives Training gewohnt und bringen bereits ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen und einen grossen Erfolgswillen mit. Für die Allgemeinbevölkerung ist es hingegen eine grosse Herausforderung. Erschwerend kommt hinzu, dass rund ein Drittel der Schlaganfallbetroffenen an einer Depression erkranken. Diese wird häufig durch den Schlaganfall selbst ausgelöst, weil er Verletzungen im Belohnungssystem des Gehirns hervorruft. Studien konnten zeigen, dass Schlaganfallbetroffene tatsächlich Belohnungen schlechter wahrnehmen als gesunde Probanden. «Das nimmt einem genau die benötigte Motivation weg», bedauerte Luft.
«Deswegen ist es im Rahmen der Rehabilitation sehr wichtig, die Belohnung und deren Wahrnehmung zu fördern, damit die Motivation wieder zurückkommt», erläuterte er. Dabei kommen heutzutage oft moderne elektronische Geräte zum Zug, die unter anderem von Luft in Zusammenarbeit mit der ETH erarbeitet werden. So hat er beispielsweise In Kooperation mit Prof. Roger Gassert von der ETH ein Armband entwickelt, das Bewegungen misst und der Patientin oder dem Patienten spielerisch Rückmeldungen gibt: Auf einem zu Beginn kahlen Baum auf dem Display sollen durch die Armbewegungen möglichst viele Blätter oder gar Früchte wachsen. Dies soll den Ehrgeiz und die Motivation auf spielerische Art und Weise wecken und einen konstanten Belohnungsreiz setzen. Weitere Möglichkeiten sind für Schlaganfallbetroffene entwickelte unterhaltsame Computerspiele, die vor allem den betroffenen Körperteil trainieren. All diese neuen Möglichkeiten bieten eine recht grosse Abwechslung und verhindern Eintönigkeit und Langeweile, was für das Aufrechterhalten der Motivation entscheidend ist.
Auch in der Neurorehabilitationsklinik cereneo, wo Andreas Luft Direktor ist, greift man auf Belohnungsanreize zurück. So haben im Rahmen einer Studie alle Patient*innen am Ende des Tages jeweils eine elektronische Rückmeldung erhalten, wieviel sie trainiert haben. Dies führte dazu, dass sie sich mehr bewegten. Routinemässig werden in der Klinik wöchentliche Tests absolviert, um die Verbesserungen aufzuzeigen. Luft ist von diesem Konzept überzeugt. Denn viele Patientinnen und Patienten würden sich ohne diese Unterstützung nur an dem orientieren, was sie noch nicht können und was sie nicht geschafft haben. Da hilft es, regelmässig seine Erfolge und Verbesserungen schwarz auf weiss zu sehen. Diese bei cereneo eingeführte strukturierte Rückmeldung hatte bis jetzt einen positiven Einfluss auf die Patientinnen und Patienten. «Dies ist jedoch erst ein Anfang», relativierte Luft, «es ist wichtig, dass man die ganze Arbeit zu Hause auch ohne fremde Hilfe weiterführt». Ansonsten kann trotz eines intensiven und motivierten anfänglichen Einsatzes nicht das ganze Potential ausgeschöpft werden. Und dies wäre sehr schade, denn wer nach einem solchen Schicksalsschlag trainiert und kämpft wie ein Athlet, möchte am Schluss auch die ganzen Lorbeeren ernten.