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Pandemiefonds

UZH-Forschende im Kampf gegen das Coronavirus

Die UZH Foundation hat einen Sammelaufruf für dringende Forschungsprojekte zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie lanciert. Im Zentrum stehen Untersuchungen zu Antikörpern zur Erfassung der Immunität und Verbesserungen der Behandlung.
Stefan Stöcklin, Marita Fuchs, Nathalie Huber
Mittels hochspezifischer Blutanalysen sollen wichtige Elemente der Immunabwehr von Covid-19-Infizierten untersucht werden.


Dank ihrer starken Life-Sciences-Forschung kann die Universität Zürich einiges zur Bewältigung der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie beitragen. Angesichts der viralen Bedrohung sind in der aktuellen Situation vor allem Projekte gefragt, die zum Verständnis des Virus und der Krankheit beitragen und Wege aus dem Lockdown aufzeigen können.

Die Forschungsressourcen sind allerdings begrenzt. Die UZH Foundation hat deshalb in Zusammenarbeit mit der Direktorin Universitäre Medizin, Beatrice Beck Schimmer und dem Prorektor Forschung, Michael Schaepman, eine Spendenkampagne für den Pandemiefonds lanciert, um zusätzliche Mittel für drei dringende Forschungsprojekte zu sammeln. Ziel ist es, in einem ersten Schritt möglichst rasch 500'000 Franken für die Unterstützung ausgewählter Projekte einzuwerben. Als Leitlinie bei der Auswahl der Forschungsvorhaben diente die Vorgabe, dass sie beitragen sollen, möglichst schnell mit wissenschaftlichen Grundlagen die Bewältigung der Krise voranzutreiben.

Wir stellen die drei Projekte im Folgenden genauer vor.

 

Milo Puhan
Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health

1 ­– Die Ausbreitung des Coronavirus bestimmen

Wie gross ist die Ausbreitung in der Schweiz und welchen Einfluss haben die Massnahmen des Bundes? Ist man nach einer Infektion immun? Das sind bis jetzt noch die grossen Unbekannten. «Nur eine gut koordinierte, schweizweite Bestimmung der Corona-Immunität bringt uns Gewissheit», sagt Milo Puhan, Präsident der SSPH+ und Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention an der UZH. «Dieses Wissen wird dann eine Grundlage für zielführende politische Entscheide sein.» Denn noch ist nicht bekannt, wie viele Einwohner der Schweiz sich bereits mit dem Coronavirus infiziert haben und mit einiger Wahrscheinlichkeit immun dagegen sind. So wird vermutet, dass die Infektion bei vielen Menschen unbemerkt verläuft, oder, bei leichten Beschwerden, schlicht mit einer Erkältung verwechselt wird.

Unter dem Dach der Swiss School of Public Health (SSPH+) sind zwölf Schweizer Universitäten und Fachhochschulen vereint. Gemeinsam arbeiten sie daran, die Ausbreitung des Virus zu erfassen (www.corona-immunitas.ch). Die Universität Genf hat bereits begonnen und wichtige Aufbauarbeit geleistet. Geplant ist es, in sechs Regionen der Schweiz wiederholt jeweils mindestens 200 zufällig ausgewählte Menschen in jeweils drei Alterskategorien zu testen: die unter 20-Jährigen, die 20- bis 65-Jährigen und die über 65-Jährigen.

Auf Unterstützung angewiesen

Zusätzlich sollen, je nach Bedürfnis eines Kantons, spezifische Berufsgruppen oder vulnerable Gruppen wie Altersheimbewohner untersucht werden. Diese Tests sollten über längere Zeit wiederholt werden, um die Entwicklung der Epidemie und der Immunität, und den Einfluss der Massnahmen verfolgen zu können. Nach dem Zufallsprinzip werden dabei Männer, Frauen und Kinder ausgewählt. «Der einzige Wermutstropfen sind die hohen Kosten, die bei rund fünfzehn Millionen Franken liegen dürften», sagt Puhan und fügt hinzu: «Um die Finanzierung zu sichern, sind wir auf Unterstützung des Bundes, der Kantone und von Firmen und Privatpersonen angewiesen.» Die SSPH+ ist aktiv daran, Gelder für diese nationale Initiative einzuwerben. Das Geld, das über die Kampagne der UZH-Foundation gespendet wird, soll speziell für die Datenerhebung im Kanton Zürich eingesetzt werden.

Im Moment wird die aktuelle Durchseuchung in der Schweiz anhand von Modellen auf drei Prozent geschätzt. «Das wäre wenig, wir gehen allerdings nicht davon aus, dass es mehr als zehn Prozent sind. Aber es kann regionale Unterschiede und eben Unterschiede zwischen Berufs- und Bevölkerungsgruppen geben», sagt Puhan. Mit der Koordination unter den Partnern der SSPH+ sollte sichergestellt werden, dass die Daten auf gleiche Weise erhoben werden und mit denselben Tests, um die Ergebnisse vergleichen zu können. (mf)

 

Onur Boyman, Professor für Klinische Immunologie
Onur Boyman, Professor für Klinische Immunologie

2 ­– Risikopatienten im Voraus erkennen

Die aktuelle Datenlage zeigt, dass die meisten an Covid-19 erkrankten Personen geringe Beschwerden zeigen. Dennoch kann es bei einigen Patientinnen und Patienten zu einer lebensgefährlichen Lungenentzündung kommen, die eine Intensivbehandlung im Spital benötigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem schweren Krankheitsverlauf kommt, ist nicht bei allen Personen gleich: Die über 65-Jährigen und Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet. In seltenen Fällen verläuft die Erkrankung auch bei jungen Menschen schwer.

Die medizinischen Ursachen für einen schweren Krankheitsverlauf sind zurzeit noch unklar. Ihnen auf den Grund zu gehen, ist aber matchentscheidend: «Würden wir Patienten, die einen schweren Verlauf zeigen, sehr früh erkennen, könnten wir sie nicht nur rascher und individueller behandeln und damit ihre Überlebenschancen steigern, sondern auch die Ressourcen der Spitäler besser planen und nutzen», erklärt Onur Boyman, Professor für Klinische Immunologie der UZH. Zusammen mit Jakob Nilsson, Leitender Arzt der Klinik für Immunologie am UniversitätsSpital Zürich, verfolgt er das Ziel, Patienten zu identifizieren, die ein hohes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs haben.

Immunreaktion untersuchen

Dabei soll überprüft werden, ob schwere Verläufe von Covid-19 entweder mit einer zu schwachen Immunantwort oder mit einer zu heftigen Entzündung zusammenhängen könnten. Mit anderen Worten: Ältere Patienten würden dann schwer erkranken, wenn Immunzellen, insbesondere T- und B-Zellen, das Coronavirus nicht genügend erkennen und bekämpfen könnten. Im Gegensatz könnten jüngere Erkrankte dann schwere Verläufe erleiden, wenn sie auf das SARS-Coronavirus-2 mit einer zu starken Entzündung reagierten. «Um diese Hypothesen zu prüfen, analysieren wir die Immunantwort bei Patientinnen und Patienten mit neudiagnostizierter Covid-19», erklärt Boyman.

Das Forscherteam will mittels hochspezifischer Blutanalysen alle wichtigen Elemente des Immunsystems untersuchen. Dabei überprüft es die verschiedenen Zelltypen des sogenannten angeborenen und erworbenen Immunsystems sowie ihre Reaktion auf das SARS-Coronavirus-2. «Gemäss unserer Hypothese wären ältere Personen mit schwachen Immunzellen, die zu wenig reagieren, besonders gefährdet», sagt Nilsson. Um zu prüfen, ob hingegen bei jüngeren Personen die Immunzellen zu stark mit einem sogenannten Zytokinsturm reagieren, messen die Forschenden diese Botenstoffe des Immunsystems, die das Abwehrsystem steuern.

Umfassender Nachweis von Antikörpern

Ausserdem untersucht das Team auch die Menge und Art der Antikörper. Anhand einer differenzierten Analyse ist es möglich, Antikörper gegen die meisten Viren nachzuweisen, die Menschen infizieren – insgesamt rund 200 Viren. Somit wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob Antikörper, die bei früheren Infektionen mit anderen Erregern produziert wurden und noch im Körper vorhanden sind, allenfalls auch vor einem schweren Verlauf von Covid-19 schützen. 

«Mithilfe von mathematischen Modellen werden wir unsere immunologischen Messungen mit den klinischen Daten vergleichen. Somit erhoffen wir uns, Personen mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu identifizieren», sagt Nilsson. Das könnte wiederum die Behandlung dieser Patienten beeinflussen: Jene mit einer schwachen Immunreaktion würden mit antiviralen Medikamenten behandelt. Hingegen könnten Erkrankte mit einer zu starken Immunantwort mit entzündungshemmenden Medikamenten besser therapiert werden. «Letztlich könnten unsere Studienresultate wichtige Informationen für die Herstellung einer wirksamen Impfung liefern», so Boyman. (hna)

 

Alexandra Trkola
Alexandra Trkola, Professorin für Medizinische Virologie

3 – Die Immunantwort auf das Virus verstehen

Zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie und einer gezielten Lockerung der Massnahmen ist ein vertieftes Verständnis der Immunantwort extrem wichtig. Wie wir wissen, kann eine durchgemachte Infektionskrankheit wie zum Beispiel Masern zu einem lebenslangen Schutz führen, während wir an Grippeviren immer wieder erkranken. Wie reagiert das Abwehrsystem beim neuen Sars-CoV-2-Virus? Schützen die bei einer Infektion gebildeten Antikörper vor einer Neuinfektion – und falls ja, wie lange? Bilden auch Kinder und Jugendliche, die eine Infektion ohne Symptome durchgemacht haben, einen Schutz auf? «Wir untersuchen in unseren Studien im Detail die Antikörperantwort und unterstützen damit auch die Entwicklung eines neuen Impfstoffes», sagt Alexandra Trkola, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie der UZH. Unter ihrer Leitung sind Forschungsarbeiten in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten des Universitätsspitals Zürich (USZ), des Universitäts-Kinderspitals sowie mit Hausärzten geplant.

Wie bereits bekannt ist, reagiert das menschliche Immunsystem bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 – aber in unterschiedlichem Masse. Spezielle Abwehrzellen bilden verschiedene Typen verschiedener Antikörper (sogenannter Immunglobuline), die im besten Fall das Virus inaktivieren können. Sie binden an charakteristische molekulare Bereiche des Virus und hemmen so seine Vermehrung. So können Antikörper zum Beispiel an die nadelförmigen Ausstülpungen an der Virusoberfläche binden, die das Virus zum Befall der Zellen benötigt. Inaktivieren sie das Virus und seine Vermehrung, spricht man von neutralisierenden Antikörpern. Diese Immunantwort kann je nach Art und Menge der gebildeten Antikörper mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Am Institut für medizinische Virologie sind in den letzten Wochen Messsysteme aufgebaut worden, die es erlauben, die Immunantwort qualitativ und quantitativ zu messen.

Beitrag zur Impfstoff-Entwicklung

Trkola und ihre Kolleginnen und Kollegen werden in ihren Studien die Blutseren von Infizierten und Genesenen auf die Anwesenheit verschiedener Typen von Immunglobulinen (IgA, IgG, IgM) in Zeitreihen untersuchen. Dabei wird sich zeigen, ob sich die Immunantwort mit der Zeit abschwächt und ob Personen, die starke Krankheitssymptome hatten, einen länger anhaltenden Schutz aufgebaut haben oder nicht. Die Studien dürften auch aufzeigen, inwieweit sich die Immunantworten von Frauen und Männern unterscheiden. Bekanntlich nimmt die Krankheit bei Männern häufiger einen schweren Verlauf als bei Frauen. Weitere Testverfahren basierend auf modifizierten Viren werden es erlauben, die Güte der Immunantwort zu messen. In diesen Studien wird untersucht, inwieweit die Antikörper fähig sind, Sars-CoV-2-Viren zu neutralisieren. Diese Ergebnisse sind auch mit Blick auf die Impfstoff-Entwicklung wichtig, denn sie geben Hinweise darauf, was von möglichen Impfstoffen erwartet werden kann und wo bei ihrer Entwicklung anzusetzen ist.

«Wir müssen die Immunantwort und ihren zeitlichen Verlauf besser verstehen», betont die Virologin. Die Lockerung der gegenwärtigen Massnahmen hängt nicht zuletzt von diesem Wissen über die Immunantwort ab. Nur so kann abgeschätzt werden, ob und wie lange Personen nach einer Infektion gut oder zumindest teilweise geschützt sind. Die Studien am Institut für medizinische Virologie tragen so dazu bei, die Immunität der Bevölkerung besser einzuschätzen und bei den Lockerungsmassnahmen zu berücksichtigen. (sts)