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Herr Fehr, Sie sind Leiter des Departements Public & Global Health am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der UZH, wozu auch das Zentrum für Reisemedizin gehört. Sie haben nun in den Räumen des Zentrums ein COVID-19-Testzentrum eingerichtet. Gestern hat das Testzentrum seine Türen geöffnet. Wie ist der erste Tag verlaufen?
Jan Fehr: Das «Go Live» hat gut funktioniert. Nicht selbstverständlich, in Anbetracht der knappen Zeit, die wir hatten, um alles aufzusetzen. Das war nur möglich dank eines hochmotivierten Teams. Besonders gefreut hat uns aber das Feedback einer Patientin, die betonte, dass sie sich gut aufgehoben fühlte.
Was hat Sie dazu bewogen, das Testzentrum einzurichten?
Das Testzentrum kann bei der Bewältigung der aktuellen COVID-19-Pandemie helfen, denn bisher wird nicht genug getestet. Zudem schliessen wir eine Lücke im Testing-Angebot von Grundversorgern, Spitälern, aber auch von Drive-Through – dem Testen vom Auto aus, wie es zum Beispiel manche Permanence-Dienste anbieten. Getestet wird bei uns nach den Richtlinien des Bundesamts für Gesundheit (BAG), wonach vorerst nur Personen mit Symptomen und einem erhöhten Risiko getestet werden.
An wen richtet sich das Angebot des Zentrums?
Manche Hausärztinnen und -ärzte sind froh, wenn sie an ein Zentrum überweisen können, insbesondere auch, da es aufwendig ist, strikte Hygienekonzepte umzusetzen. Und nicht alle Patienten wollen direkt auf die Notfallstation eines Spitals gehen. Zudem müssen die Kapazitäten der Spitäler frei sein für schwere Fälle – wozu nicht nur Corona-Patienten gehören.
Beim Drive-Through können viele Menschen getestet werden, aber man kann dabei nur zwischen SARS-CoV-2 positiv und negativ unterscheiden. Die Gefahr besteht dann, dass andere Krankheiten verschleppt oder verpasst werden. Es ist uns wichtig, dass wir zusätzlich zum Test eine gründliche Abklärung des Gesundheitszustands der Patientinnen und Patienten anbieten. Deshalb installierten wir auch ein mobiles Röntgen. Wir können somit dazu beitragen, dass «normale» Lungenentzündungen nicht verpasst werden.
Sie betreiben auch klinische und epidemiologische Forschung. Können Sie aufgrund der gesammelten Daten einen Verlauf erstellen, um zu prognostizieren, wie diese Pandemie sich ausbreitet?
Prognosen zum jetzigen Zeitpunkt sind schwierig – wir arbeiten jedoch an Modellen, um die nächsten 30 Tage abschätzen zu können. Darüber hinaus kann eigentlich gar keine Voraussage gemacht werden. Wir müssen lernen, mit der Krise zu leben und mit Unsicherheiten umzugehen. Eine enorme Flexibilität ist gefragt.
Inwieweit können aufgrund der Tests Daten der Länder miteinander verglichen werden? So hat zum Beispiel Island sehr viel getestet und entsprechend auch viele Corona-Fälle?
Vergleiche sind nur bedingt möglich, aus mehreren Gründen. Einer davon ist zum Beispiel die gesamthafte Testaktivität. Weitere sind: Zu welchem Zeitpunkt der Epidemie wird getestet, wer wird getestet, wie wird getestet, was sind die Kriterien dazu. Hier könnten Wissenschaft und Universitäten eine wichtige Rolle spielen, indem sie über die Grenzen hinweg an gemeinsamen Protokollen arbeiten und Standards festlegen aufgrund von gesammelter Evidenz.
Was genau testen Sie im neuen Zentrum?
Wir machen Nasen- und Rachenabstriche und weisen die SARS-Co-2-Viren direkt mit so genannten PCR-Tests nach. Diese Tests spüren das Erbgut des Virus in den Abstrichen auf.
Führen Sie auch Antikörpertests durch?
Zurzeit führen wir noch keine Antikörpertests durch. Die Frage, wer schon immun ist, interessiert allerdings brennend und hat Implikationen für die ganze Gesellschaft und auch die Wirtschaft, die unter enormem Druck steht. Noch ist es aber so, dass niemand weiss, wie zuverlässig die bisherigen Antikörpertests sind.
Die Virologie der UZH ist jetzt gerade mit Hochdruck daran, einen vielversprechenden, qualitativ hochstehenden Antikörpertest zu entwickeln. Ich bin sicher, dass wir in Kürze mehr dazu hören werden.
Kann ich zum Testzentrum kommen, wenn ich Fieber habe?
Personen, die unsicher sind, ob sie getestet werden müssen, oder die einen Verdacht haben, sollten sich bei ihrem Hausarzt, der Hausärztin oder dem Arbeitgeber (Universität / ETH / Kita / Spitex oder andere Arbeitgeber im Gesundheitswesen) melden, damit sie ans Triagetelefon weitergeleitet werden können. Dort werden sie von einem unserer Ärzte nach Symptomen und Beschwerden befragt und bekommen dann einen Termin.
Mitarbeiter der UZH und der ETH, die die Testkriterien erfüllen, haben sogar die Möglichkeit, direkt über die Arbeitsmediziner Dr. Guckenberger (UZH) oder Dr. Sigel (ETH) bei uns am Testcenter einen Test zu bekommen. Alternativ kann man sich auch über die E-Mail coronatest-anmeldung@ebpi.uzh.ch direkt an uns wenden. Insgesamt schliessen wir damit eine Lücke im Gesundheitssystem und unterstützen Hausärztinnen und Hausärzte. Dies könnte ein Modell für die ganze Schweiz sein.
Wichtig ist: Wir sind ein COVID-Testzentrum, aber keine «Walk-in»-Klink, da wir möglichst wenig Patienten zum gleichen Zeitpunkt bei uns haben möchten. So können wir die Ansteckungsgefahr verhindern. Mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept setzen wir alles daran, Patienten, aber auch unsere Mitarbeiter zu schützen. Dies ist unser oberstes Gebot. Wir wissen aus anderen Ländern, dass sich bis zu einem Drittel der Gesundheitspersonen angesteckt haben und dann ausfallen, womit das Gesundheitssystem lahm gelegt zu werden droht.
Werden die erhobenen und anonymisierten Daten später wichtig für weitere Forschung im Bereich der Epidemiologie?
Ja, es ist eine Chance, mehr zu lernen. Wir fragen die Patienten, ob sie einverstanden sind, an einer Kohortenstudie teilzunehmen. Wir haben dazu ein Protokoll, das es erlaubt, wichtige Fragestellungen zu Symptomen, Präsentation und Verläufen zu beantworten.
Wie lange wird diese Epidemie noch anhalten?
Das weiss wohl niemand. Hinzu kommt: Zum Zeitpunkt der Publikation dieses Artikels wäre meine Aussage wohl schon wieder überholt. Aber ich vermute, dass wir noch bis in den Sommer hinein mit dem neuen Coronavirus beschäftigt sein werden, und wir müssen auch davon ausgehen, dass wir uns auch auf eine zweite Welle vorbereiten müssen.