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Unser Körper funktioniert durch das Zusammenspiel unzähliger Proteine. Diese lassen unter anderem chemische Reaktionen kontrolliert ablaufen, sorgen für die Kommunikation zwischen Körperzellen oder für eine funktionierende Immunabwehr. Ihre Aufgaben erfüllen sie aufgrund ihrer dreidimensionalen Struktur: Durch diese docken sie gezielt an Moleküle an, bringen Reaktionspartner zusammen oder aktivieren und deaktivieren Substanzen – damit alles genau so funktioniert, wie es sollte.
Die dreidimensionale Struktur von Proteinen sichtbar zu machen, ist darum essentiell für die Erforschung von Krankheiten und für die Entwicklung von Medikamenten. Das ist die Aufgabe der Strukturbiologie. «Heutzutage werden praktisch alle Wirkstoffe mithilfe von Strukturbiologie gefunden», sagt Andreas Plückthun, Biochemieprofessor an der UZH. Denn wie präzise Wirkstoffe arbeiten, lässt sich nur dann verstehen und optimieren, wenn man erkennt, wie Wirkstoff und Zielprotein ineinanderpassen.
Dafür nutzen Strukturbiologen verschiedene Verfahren, die in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht haben. Darunter die sogenannte Proteinkristallografie, die genauste der Methoden: Mit ihr lässt sich die Struktur von Proteinen und ihrer Bindungspartner auf das einzelne Atom genau rekonstruieren. Dazu wird die Proteinprobe in gebündeltem Röntgenlicht bestrahlt. Aus der Streuung dieses Strahls lässt sich auf die Struktur zurückrechnen.
Der Nachteil des Verfahrens ist allerdings, dass die Proteine dafür in eine Kristallform überführen werden müssen. Denn in einem Kristall sind Millionen einzelner Proteinmoleküle gleich orientiert in Reih und Glied angeordnet. Nur so verstärken sich die Signale der einzelnen Moleküle zu einem kollektiven Signal, das messbar ist.
Doch die Proteine in eine Kristallform zu bringen, ist schwierig: Häufig dauert es Jahre, herauszufinden, wie sich Kristalle eines bestimmten Proteins herstellen lassen. Vor allem an den medizinisch wichtigen, aber schwierig zu handhabenden Membranproteinen ist die Methode lange Zeit gescheitert. Das hat sich geändert, unter anderem durch Entwicklungen im Protein-Engineering.
Dabei modifizieren Wissenschaftler die Zielproteine so, dass sie stabiler werden und dadurch leichter zu kristallisieren sind. «Das hat einen wahnsinnigen Schub ausgelöst», sagt Plückthun, der selbst Spezialist für Protein-Engineering ist. «Zum Beispiel wurden damit die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs) zugänglich für strukturelle Untersuchungen.»
Zu der Familie der GPCRs gehören mehr als 800 Rezeptoren in der Zellmembran, die viele physiologische Prozesse steuern und deshalb Angriffspunkt vieler Medikamente sind. Beispielsweise spielen sie eine entscheidende Rolle bei Entzündungsprozessen, der Wirkung von Hormonen sowie der Teilung und Differenzierung von Zellen.
Eine weitere Methode ist die Cryo-Elektronenmikroskopie (Cryo-EM). Ihr Vorteil: Man benötigt keine Kristalle, sondern einfach stabiles Protein in einer Lösung. Doch die Methode lieferte lange nicht detaillierte Proteinstrukturen, sondern nur deren grobe Form. Jüngst haben technische Entwicklungen die Methode enorm vorwärtsgebracht. So gibt es seit kurzem Strukturen aus Cryo-EM, welche annähernd so genau sind wie solche aus Proteinkristallografie. «Gut möglich, dass wir vor einer Revolution stehen und Cryo-EM die Entwicklung von neuen Wirkstoffen künftig deutlich einfacher macht», sagt Plückthun.
Allerdings: Beide Verfahren, Proteinkristallografie und Cryo-EM, machen nur statische Zustände eines Proteins sichtbar. «Will man einen Prozess vollständig verstehen, muss die Dynamik dazukommen», sagt Plückthun. Immer häufiger sind darum ergänzende Methoden Teil von strukturbiologischen Untersuchungen, etwa Kernspinresonanzspektroskopie, Massenspektrometrie, oder Einzelmolekülspektroskopie. Mit diesen Verfahren lassen sich die wechselnden Interaktionen zwischen Protein und Wirkstoff nachverfolgen. Gekoppelt mit Strukturinformationen wird das Bild vollständig: Man erkennt, wie sich Protein und Wirkstoff zueinander bewegen.
«Das Feld lebt davon, dass die Methoden zusammenkommen», sagt UZH-Professor Plückthun. Er ist deshalb Mitorganisator eines Symposiums auf dem Campus Irchel, an welchem sich führende Strukturbiologen austauschen – mit dem Ziel, in Zukunft neue und immer bessere Wirkstoffe gegen Krankheiten zu entwickeln.