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Lehrkredit

Vertiefter Blick auf die Schweiz

Die neue Lehrveranstaltung «Schweiz für Incomings» richtet sich exklusiv an Mobilitätsstudentinnen und -studenten. Sie vermittelt anhand innovativer Lehrformate ein ethnologisch-kulturwissenschaftliches Verständnis der Schweiz.
Nathalie Huber
Sechseläutenplatz in Zürich
Mobilitätsstudierende beobachten den Alltag in der Schweiz – beispielsweise auf dem Sechseläutenplatz in Zürich.


Wer für ein Austauschsemester an der UZH studiert, der muss sich in der Regel nicht nur im universitären, sondern auch im Schweizer Alltag schnell zurechtfinden. Um die Gepflogenheiten der Hochschule sowie jene des Gastlands kennenzulernen und um sich untereinander zu vernetzen, bieten viele Universitäten ihren Mobilitätsstudierenden spezifische Programme an. Ein solches Angebot, das sich fächerübergreifend und ausschliesslich an Austauschstudentinnen und -studenten richtet, fehlte bis anhin an der UZH.

Yonca Krahn, Juliane Neuhaus und Mischa Gallati schliessen diese Lücke: Die wissenschaftlichen Mitarbeitenden am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft haben das Modul «Schweiz für Incomings» entwickelt. Die auf Englisch geführte, interdisziplinäre Lehrveranstaltung richtet sich ausschliesslich an Austauschstudierende – unabhängig von ihrem Fach und ihrer Studienerfahrung. 26 Mobilitätsstudentinnen und -studenten haben im vergangenen Herbstsemester den ersten Pilotkurs besucht. Das Projekt wird vom Lehrkredit der UZH, der neue Ideen in der Lehre fördert, unterstützt.

Alltagspraktiken anstatt Matterhorn

Wie kann Mobilitätsstudierenden aus Amerika, Australien oder Asien die Schweiz nähergebracht werden? «Gestützt auf unseren fachlichen Hintergrund wollen wir ihnen eine ethnologisch-kulturwissenschaftliche Perspektive auf die Schweiz vermitteln», erklärt Yonca Krahn. «Wir fokussieren uns nicht auf besondere Schweizer Sehenswürdigkeiten. Diese touristische Sichtweise und die damit einhergehenden Vorurteile gilt es gerade zu hinterfragen», ergänzt Juliane Neuhaus. «Wir haben eine Lehrveranstaltung konzipiert, die den Austauschstudierenden zeigt, wie Menschen in einer pluralen Einwanderungsgesellschaft wie der Schweiz leben», fügt Mischa Gallati an. Es gehe darum, einen Blick auf den Alltag der in der Schweiz lebenden Menschen zu werfen, und zu verstehen, wie plural dieses Land sei.

Um diesen Blick zu schärfen, lasen die Studentinnen und Studenten kulturwissenschaftliche und ethnologische Texte mit Bezug zur Schweiz und diskutierten diese gemeinsam. Daneben besuchten sie urbane Orte, beispielsweise den Zürcher Sechseläutenplatz – um diese zu beobachten und zu erfahren, wie sich der Alltag in der Schweiz abspielt. Neben der systematischen Beobachtung wurden die Mobilitätsstudierenden in die ethnografischen Methoden der Interviewführung sowie der Fotoethnografie eingeführt, und sie erprobten diese Methoden anhand eigener Fragestellungen. «Gerade indem die Studierenden durch die eigene Forschung in Kontakt mit Einwohnern kamen, gewannen sie ein vertiefteres Verständnis von der Schweiz», sagt Juliane Neuhaus. 

Blog für den Wissenstransfer

Das Projektteam kombinierte in ihrem Modul bewährte Lehrformate, wie zum Beispiel Präsenzunterricht, mit innovativen Lehrformen – etwa forschendes Lernen ausserhalb der Universität. Ausserdem erprobten sie mithilfe eines Blogs die Vernetzung unter den Studierenden und schafften einen Wissenstransfer in ein anderes Medium: Die Studierenden teilten auf dem Blog die Ergebnisse ihrer Forschungsübungen mit ihren Mitstudierenden und konnten sich dadurch ideal auf die gemeinsame Diskussion ihrer Resultate vorbereiten. Gleichzeitig nutzte die Dozierende Yonca Krahn, die das Seminar im ersten Durchgang unterrichtete, den Blog, um den Studierenden ihr Feedback direkt mitzuteilen. Darüber hinaus diente der Blog dem Peer-Feedback der Studierenden. «Es ist uns wichtig, dass Studierende in unserem Modul auch neue Lernformate ausprobieren, beispielsweise das elektronische Publizieren wissenschaftlicher Inhalte oder das Peer-Feedback, und dass sie ihre Sprachkompetenzen erweitern», erklärt Mischa Galati.

Team des Lehrmoduls Switzerland for Incomings
Juliane Neuhaus, Yonca Krahn und Mischa Gallati haben das Modul «Schweiz für Incomings» entwickelt.

Chance für die eigenen Fächer

Ein anderes Lernziel des Moduls ist, dass die Studierenden nicht nur basale Kenntnisse ethnographischer Methoden erwerben, sondern diese auch anwenden können. Wurden die Studierenden diesem Anspruch gerecht, angesichts dessen, dass die meisten unter ihnen keinen ethnologisch-kulturwissenschaftlichen Studienhintergrund hatten? «In der Tat war es für einige schwierig, sich mit unseren Methoden auseinanderzusetzen und sie anzuwenden», stimmt Yonca Krahn zu. Die Leistungen der Studierenden ausgewogen zu bewerten, sei für für sie eine Herausforderung gewesen. «Wir wollten natürlich, dass die Studierenden die ethnografischen Methoden korrekt anwandten, mussten aber berücksichtigen, dass sie das Fachverständnis erst erlernt haben.» Für sie sei es auch eine grosse Chance, das eigene Fach und die eigenen wissenschaftlichen Methoden fachfremden Studierenden nahezubringen. Insgesamt ist Krahn mit dem Ergebnis der ersten Lehrveranstaltung sehr zufrieden: «Ich denke, dass uns der fächerübergreifende Unterricht gelungen ist und sich der Einsatz neuer Lehr- und Lernformate gelohnt hat.»

Anspruchsvoller bilingualer Unterricht 

Wenige Punkte gilt es dennoch für die zweite Durchführung der Lehrveranstaltung zu verändern: «Wir kürzen die Anzahl Themen», hält Yonca Krahn fest. Somit bleibe mehr Zeit für die Diskussion der Forschungsergebnisse und den inhaltlichen Austausch. Ausserdem werde das Modul nun ausschliesslich auf Englisch angeboten. Für den ersten Kurs haben die Dozierenden ursprünglich geplant, gewisse Inhalte auch auf Französisch oder Deutsch zu vermitteln, und die Studierenden in entsprechende Sprachgruppen einzuteilen. «Von dieser Idee haben wir aber bereits im Verlauf der ersten Sitzungen abgesehen, weil für einige Studierende schon Englisch als gemeinsame Sprache für den Unterricht und die Lektüre recht anspruchsvoll war.»   

«Schweiz für Incomings» wird im Herbstsemester 2019 ein zweites Mal durch Juliane Neuhaus durchgeführt. Das Modul stösst auf grosses Interesse: Bereits haben sich mehr Studierende angemeldet, als es Plätze gibt. Der Lehrkredit der UZH ermöglicht die Durchführung der ersten beiden Lehrveranstaltungen. Ob und in welcher Form das Modul verstetigt wird, ist noch offen. «Ein Ziel unseres Pilotprojektes ist auch, dass andere Studienfächer das didaktische Konzept übernehmen und <Schweiz für Incomings> aus ihrer Fachperspektive anbieten», schliesst Neuhaus.

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