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Nierenspezialistinnen und -spezialisten der Universitäten Zürich, Basel, Genf, Lausanne und Bern und diverser Spitäler haben sich im Forschungsverbund Kidney.CH zusammengetan, um die Prozesse in den Nieren auf der molekularen und genetischen Ebene besser zu verstehen. Sie untersuchen insbesondere die Sauerstoffregulation mittels dem natürlichen Hormon EPO und wie die Nieren die Mineralstoffe und die Basen/Säuren im Gleichgewicht halten. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Frage, weshalb manche Nieren Steine bilden und andere nicht und wie die beste Prävention aussieht.
Menschen, deren Nieren Steine bilden, weisen in 60 Prozent der Fälle eine genetische Veranlagung dafür auf. Nun versucht eine gross angelegte Untersuchung,Schweizer Nierenstein-Kohorte genannt, zu klären, ob und wie weit eine nierenfreundliche Ernährung und ein aktiver Lebensstil die genetische Veranlagung zu kompensieren vermag. Diese Schweizer Nierenstein-Kohorte ist weltweit eine der umfassendsten Untersuchungen zu Nierensteinen.
Sie startete vor sechs Jahren und soll noch bis ins Jahr 2022 Patientinnen und Patienten untersuchen. Wer wegen Nierensteinen in die (Universitäts-)Spitäler in Zürich, Lausanne, Genf, Bern oder Aarau kommt, wird gefragt, ob er oder sie bei der Schweizer Nierenstein-Kohorte mitmachen will. Bei einem Ja werden die wichtigsten Untersuchungsdaten sowie Blut und Urin entnommen und in einer Biobank anonymisiert aufbewahrt. Die involvierten Spitäler werten die Daten und Proben fortlaufend aus und stellen sie ausgewählten Forschungsprojekten zur Verfügung. Bisher haben insgesamt fast 800 Männer und Frauen zwischen 18 und 85 Jahren daran teilgenommen. Ziel ist, insgesamt 1000 untersuchte Personen mit Nierensteinen und 250 ohne Nierensteine zu erfassen.
In der Schweizer Nierenstein-Kohorte wird vor allem die Frage untersucht, wie sich der westliche Ernährungsstil auf die Nieren auswirkt. Die Essgewohnheiten hierzulande zeichnen sich dadurch aus, dass wir viel Phosphat, Salz (Natriumchlorid) und tierische Proteine zu uns nehmen. Diese sind an sich lebensnotwendig für den Menschen – es braucht sie aber nicht in rauen Mengen. Die Nahrungsmittelindustrie fügt jedoch Salz und Phosphat als Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker in Wurstwaren und Fertiggerichte wie Tiefkühlpizza oder in Getränke wie Cola bei; deshalb nehmen viele Konsumenten gemäss den Ärzten eine ungesunde Überdosis zu sich und belasten so ihre Nieren übermässig. Denn es sind die Nieren, die überschüssiges Salz und Phosphat ausscheiden und den Säureüberschuss ausgleichen müssen.
Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, wird bei der Verdauung verstoffwechselt, das heisst, sie wird in die einzelnen Bestandteile zerlegt und so den Zellen über das Blut verfügbar gemacht.
Wenn wir zum Beispiel Rindfleisch mit Brokkoli essen, entstehen bei der Aufspaltung des tierischen Eiweisses als Nebenprodukt Säuren. Bei der Aufspaltung des Gemüses hingegen entstehen Basen. Für gesunde Nieren ist es im Einzelfall kein Problem, das «saure» Fleisch auszugleichen. Wenn aber die Nieren durch eine Erkrankung oder durch Medikamente beeinträchtigt sind oder es dauerhaft bei einem zu hohen Fleischkonsum bleibt, kann das tierische Eiweiss zu einer übermässigen Säurebelastung führen.
Im Säure-belasteten Körper brauchen die Nieren Basen und finden sie im Knochen. Dort sind die Basen an das Kalzium gebunden. Wenn die Nieren die Basen aus dem Knochen «herausholen», kommt das Kalzium mit. Bleibt das Ungleichgewicht länger bestehen, fehlt das Kalzium im Knochen, was zu Osteoporose führt. Auch reichert es sich in den Nieren an und fördert dort die Nierensteinbildung. Eine Studie im Inselspital Bern und weitere internationale Studien haben gezeigt: Nierensteine und Osteoporose gehen Hand in Hand.
Bei einer Veranlagung für Nierensteine ist eine nierenfreundliche Diät angesagt. Das bedeutet vor allem: Genügend zu trinken! Und viel Gemüse und Früchte zu essen. Letztere führen dazu, dass die Nieren im Urin mehr Zitrat ausscheiden und dass sich keine Kristalle im Urin bilden – diese sind letztlich der Ausgangspunkt von Nierensteinen. Bei den Gemüsen sollten oxalathaltige Sorten wie roher Spinat, Mangold und Rhabarber gemieden werden, denn die darin enthaltene Oxalsäure kann sich mit dem Kalzium in der Niere zu steinhartem Kalziumoxalat verbinden – aus diesen Kristallen bestehen die meisten Nierensteine.
Gesunde Ernährung kann der Tendenz zur Nierensteinbildung entgegenwirken – doch ist der Einfluss der Ernährung bei Frauen und Männern sehr unterschiedlich. So kann Frau Meier ohne Schaden zum Frühstück Grüntee (Oxalsäure) und Jogurt (Kalzium) essen, zum Znüni schwarze Schokolade (Oxalat) naschen, zu Mittag Bratwurst (Phosphat, Säure), Spinat (Oxalat) mit Parmesan (Kalzium) verspeisen und zu Abend Rhabarberkompott (Oxalat) futtern, während Herr Müller bei der gleichen Kost längst knallharte Nierensteine entwickelt hätte … Oder anders formuliert: Männer sind doppelt so oft von Nierensteinen betroffen wie Frauen. Weshalb? Das ist eine der vielen Fragen, denen die Forschenden im Rahmen der Schweizer Nierenstein-Kohorte auf der Spur sind.