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Wenn sie davon erzählt, klingt ihr Leben nach einer einzigen glücklichen Fügung. Ihre Kindheit verbringt sie in Japan, später studiert sie an der Universität Zürich, absolviert den diplomatischen Concours, leitet die Abteilung Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht beim Bund, arbeitet als Botschafterin in Bangkok und Berlin und schliesslich, seit Mai 2018, als UN-Sondergesandte für Myanmar.
Christine Schraner Burgener, 55, Juristin, ist seit dem vergangenen Jahr mit ihrer bisher grössten beruflichen Herausforderung beschäftigt: Sie soll Frieden stiften in einem Konflikt, der für viele als unlösbar gilt. Sie muss vermitteln zwischen Militärs, die unter Verdacht stehen, einen Genozid an ihrer eigenen Bevölkerung angerichtet zu haben, und ihren Opfern, 700 000 geflüchteten Rohingyas. Die Muslime zählen zu einer Minderheit im Gliedstaat Rakhine, die in Myanmar seit Jahrzehnten staatlich verfolgt wird und keine Bürgerrechte hat.
Das Leid ist gross, und die Chance, etwas bewirken zu können, klein. Trotzdem glaubt Christine Schraner Burgener daran. Sie sagt: «Ich muss, sonst könnte ich diesen Job nicht machen. Ich bin eine hoffnungslose Optimistin.» Dieser Optimismus, gepaart mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit, ist ständig präsent, wenn sie spricht, auch dann, wenn sie sich an ihre Ausbildung erinnert. Sie sei nach dem Gymnasium in Winterthur nicht sicher gewesen, was sie danach tun wolle, sagt sie. «Mich hat sehr vieles interessiert. Ich habe gerne Geige gespielt und gezeichnet; in den musischen Fächern war ich am stärksten.» Schliesslich entscheidet sich Christine Schraner Burgener gegen die Kunstgewerbeschule und auch gegen das Lehrerseminar. Sie schreibt sich für Rechtswissenschaften an der Universität Zürich ein, «weil dieses Gebiet so viele Bereiche des Lebens abdeckt».
Das Studium gefällt ihr von Anfang an. Sie mag die Professoren, lernt rasch andere Kommilitonen kennen, ihr liegt die Auseinandersetzung mit konkreten Fällen und die Suche nach Gerechtigkeit. Nach einer Vorlesung kommt Schraner Burgener ein erstes Mal in Berührung mit ihrem heutigen Beruf: Sie besucht den Vortrag eines Diplomaten. Die Arbeit, von der er erzählt, sagt ihr zu. Sie ist international, beschäftigt sich mit anspruchsvollen Diskursen und erfordert Verhandlungsgeschick.
Nach dem Studium macht Schraner Burgener zunächst ein Praktikum am Bezirksgericht Horgen, weil das eine Voraussetzung für die Anwaltsprüfung ist. Dort bleibt sie länger als vorgesehen, wird Gerichtssekretärin, schreibt und begründet Urteile. Als Vorsitzende der Schlichtungsstelle für Miet- und Arbeitsrecht tut Schraner Burgener das, was sie am meisten interessiert: nach einer gerechten Lösung für alle Involvierten in einem Konflikt suchen. «Ich hätte nicht Anwältin werden wollen», sagt sie, «weil ich mir nicht vorstellen kann, nur eine Partei zu vertreten.»
Statt für die Anwaltsprüfungen entscheidet sie sich für die Aufnahmeprüfungen als Diplomatin, den sogenannten Concours. «Die Grenzen des Bezirks wurden mir -irgendwann zu eng», sagt sie. Sie besteht – und unter den Auserwählten ist auch Christoph Burgener, ihr damaliger Freund und späterer Ehemann. «Wir hatten grosse Freude, eigentlich hatten wir damit gerechnet, dass keiner von uns die Prüfung schaffen würde, weil sich Hunderte von Kandidaten bewerben», sagt Schraner Burgener. Die beiden werden später das erste Paar, das eine Diplomatenstelle im Jobsharing bekleidet. Von ihrem Studium profitiert Schraner Burgener bis heute fachlich und menschlich. Sie hat noch immer Kontakt mit ehemaligen Professoren, etwa mit dem renommierten Völkerrechtler Daniel Thürer. Und manche Freundschaften halten seit Jahrzehnten: 30 Jahre Lizentiat konnte Schraner Burgener im vergangenen Jahr zusammen mit ihrer ehemaligen Lerngruppe feiern. Das prominenteste Mitglied ist Altbundesrätin Doris Leuthard. Die beiden Frauen stehen sich seit den Studienzeiten nahe.
Und was ist aus der Geige geworden? Schraner Burgener sagt, sie habe lange in einem Orchester gespielt. Dafür fehle ihr im Moment leider die Zeit, obwohl sie noch immer sehr gerne musiziere. Als UN-Sondergesandte pendelt die Diplomatin zwischen Bern, New York und Südostasien. Es ist viel Arbeit im Hintergrund, die sie leistet, fernab von der Öffentlichkeit. Mit Journalisten spricht sie nicht über den Verlauf der Verhandlungen, ihren Zeitplan oder die politische Situation vor Ort, das würde ihr Mandat gefährden. So dringt vor allem Christine Schraners Leidenschaft nach aussen, ihr frohes Gemüt. Die harte Arbeit hingegen bleibt meist verborgen.