Navigation auf uzh.ch
Einem Nicht-Physiker zu erklären, was sie tagein-tagaus beschäftigt, ist nicht so einfach. Offenbar ist ihre Forschung aber hochmotivierend und macht Spass: Die Physikerin Maria Haney und ihr Physiker-Kollege Shubhanshu Tiwari lachen viel, wenn sie von ihren Arbeiten zu Gravitationswellen erzählen – ein Forschungsgebiet, das am 14. September 2015 regelrecht explodierte und seither die Kosmologen und Astrophysiker auf der ganzen Welt entzückt.
Damals gelang mit dem Gravitationswellen-Observatorium LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) in den USA erstmals ein experimenteller Nachweis von Gravitationswellen. Ein Jahrhundert-Ereignis: Kein Geringerer als Albert Einstein prognostizierte 1916 aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie diese Wellen, die man sich als Erschütterung des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums vorstellen kann. Sie entstehen, wenn aufgrund kosmischer Ereignisse gewaltige Energien freigesetzt werden, zum Beispiel bei der Fusion von Schwarzen Löchern.
Seit diesem ersten Nachweis steht die Physik Kopf. Grund sind die neuen Möglichkeiten dieser Präzisionsmessungen durch die Interferometer: «Gravitationswellen ermöglichen einen Blick auf kosmische Objekte und Ereignisse, die wir bisher nicht beobachten konnten», sagt Maria Haney.
Die Postdoktorandin im Labor von Professor Philippe Jetzer ist theoretische Physikerin und Mitarbeiterin der Advanced LIGO-Kollaboration. Dank ihr ist die UZH – übrigens als einzige Schweizer Universität – mit dem weltweiten LIGO Netzwerk verknüpft, an dem weltweit rund 108 Institutionen beteiligt sind. Ihr Kollege Shubhanshu Tiwari arbeitete vor der Anstellung an der UZH für den französisch-italienischen Gravitationswellendetektor Advanced VIRGO bei Pisa.
Die transatlantische Zusammenarbeit erhöht die Messgenauigkeit und erlaubt die genauere Positionierung der Ereignisse im Kosmos, die Gravitationswellen aussenden. Die Detektoren arbeiten an der Grenze der heutigen technischen Möglichkeiten und registrieren Längenverschiebungen in der Grössenordnung von 10-14 Metern, das heisst einem Bruchteil eines Atomkerns. Dieses feine Signal entsteht beim Durchlauf einer Gravitationswelle im Interferometer.
Im Fall der ersten Messung 2015 wurden die Gravitationswellen von zwei schwarzen Löchern erzeugt, die vor rund 1.3 Milliarden Jahren in den Tiefen des Kosmos verschmolzen. Bei der Fusion wurde die dreifache Masse unserer Sonne in Gravitationsenergie rsp. -wellen verwandelt – sie passierten vor dreieinhalb Jahren unseren Planeten. Wie energiereich dieser Fusionsknall gewesen sein muss, zeigt ein Vergleich mit dem Atombombenabwurf über Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Bei dieser Explosion wurde ein Massen-Äquivalent von weniger als einem Gramm in Energie verwandelt, bei der Fusion der Schwarzen Löcher waren es mehrere Sonnenmassen. «Wir beobachten unglaublich energiereiche Ereignisse, sozusagen kosmische Katastrophen», sagt Tiwari.
Wenn schwarze Löcher verschmelzen, kreisen die beiden Objekte zunächst umeinander, nähern sich aufgrund des Verlusts von Bahnenergie durch die Abstahlung von Gravitationswellen immer stärker an und verschmelzen schliesslich. Die entstehenden Gravitationswellen hängen unter anderem von den Massen und der Form der Umlaufbahn der involvierten schwarzen Löcher ab, das heisst ob die Objekte auf einer kreisförmigen oder elliptischen Bahn umeinander drehen.
Als Ko-Präsidentin der «Waveforms Working Group» der LIGO/VIRGO-Kollaboration arbeitet Haney an theoretischen Modellen der zu erwartenden Signale elliptischer Systeme und deren Anwendung in den Datenanalysen. «Wir interessieren uns für die Signaturen elliptischer Doppelsysteme», sagt Maria Haney, «weil uns diese klare Hinweise auf den astrophysikalischen Entstehungsprozess verschmelzender Schwarzer Löcher geben können».
In den bisherigen Messungen wurden ausschliesslich kreisförmige Quellen von Gravitationswellen entdeckt. Tiwaris Spezialität sind Datenanalysen und er wird die von den Interferometern gelieferten Daten nach den prognostizierten Signaturen durchforsten. Nur so ist es möglich, die feinen Signale aus dem Grundrauschen der Messgeräte herauszufiltern.
Für Laien mögen die Projekte zwar ein wenig abgehoben klingen. Aber die beiden Astrophysiker haben eine klare Antwort parat, wieso ihre Arbeit wichtig ist: «Das Universum besteht zu überwiegendem Teil aus dunkler Energie und Materie, die wir mit herkömmlichen Teleskopen nicht direkt beobachten können», sagt Tiwari. Schwarze Löcher sind Teil dieser Mysterien im Kosmos. «Dank Gravitationswellen werden wir sie besser verstehen», betont Haney.