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Romanistik

Reise durch romanische Sprachwelten

Wer ein Romanistikstudium an der UZH beginnt, taucht seit neuestem in sieben Sprachtraditionen zugleich ein. Möglich wird dies dank einem Blended-Learning-Angebot, das Videos in verschiedenen romanischen Sprachen integriert. Das innovative Lehr- und Lernkonzept hat Leuchtturmcharakter.
Nathalie Huber
Sprachwissenschaftlerin Carlota de Benito Moreno führt in die Grundlagen der Morphologie ein.
Videoausschnitt zur Einführung in die Morphologie durch Sprachwissenschaftlerin Carlota de Benito Moreno.

 

Das Romanische Seminar der UZH vereint alle Sprachen lateinischen Ursprungs unter einem Dach. Dieses besondere Merkmal der Mehrsprachlichkeit rückt im Studienalltag häufig in den Hintergrund. Die Studentinnen und Studenten gehen in der Regel getrennte Ausbildungswege: Wer Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch oder Rätoromanisch studiert, besucht die Veranstaltungen des jeweiligen Studienprogramms.  

«Wir haben schon seit längerem überlegt, wie wir die verschiedenen Studierendengruppen innerhalb des Romanischen Seminars zu Beginn ihres Studiums in Kontakt bringen und somit ihr Interesse für andere romanische Sprachen wecken können», sagt Seminarleiterin Tatiana Crivelli. «Ausserdem diskutierten wir im Zuge der Bologna-Reform, wie wir eine sprach- und disziplinenübergreifende Einführung ins Romanistikstudium anbieten können.»

Nun ist es soweit: Die Studienanfängerinnen und -anfänger der Romanistik absolvieren gemeinsam zwei Einführungsmodule, die ihnen die Grundlagen verschiedener Teilgebiete der romanischen Sprach- und Literaturwissenschaft vermitteln. «Prolegomena Linguistik» und «Prolegomena Literatur», so heissen die obligatorischen Module, werden vom strategischen Lehrkredit der UZH gefördert.

Innovativer Blended-Learning-Ansatz

Die Einführungskurse verfolgen einen innovativen Lehr- und Lern-Ansatz: Sie bestehen hauptsächlich aus videobasierten Online-Lektionen, die in allen Sprachen der Romanistik angeboten werden. «Ein gemeinsamer Präsenzunterricht mit allen Sprachgruppen wäre zu anspruchsvoll und didaktisch ungeeignet gewesen», erklärt Crivelli. Deshalb einigten sich die Dozierenden auf Videobeiträge in verschiedenen Sprachen – in Kombination mit wenigen Präsenzveranstaltungen für alle Sprachgruppen. Da die Romanistik über keine gemeinsame Sprache verfügt, unterrichten die Professorinnen und Professoren in den Videos in der Sprache ihres Fachs. Konkret: Auf Spanisch erklärt beispielsweise Sprachwissenschaftlerin Carlota de Benito Moreno die Grundlagen der Morphologie. Und Philologin Ursula Bähler spricht auf Französisch über die literarische Textinterpretation. In diesem Fall blenden alle Studierenden, die nicht der französischen Sprachgruppe angehören, die Untertitel auf Spanisch, Italienisch, Rumänisch, Portugiesisch, Romanisch oder Deutsch ein.

Via Lernplattform OLAT greifen die Studentinnen und Studenten auf die Einführungsmodule zu. Die Lektionen beinhalten aber nicht nur Videos, sondern auch einführende Materialen, Sekundärliteraturhinweise, zusammenfassende Powerpoint-Folien, Übungen und Prüfungsfragen sowie ein Literaturrecherche-Tool.

Chat-App und Foren für den Austausch

Zum Herbstsemesterbeginn haben sich die rund 100 Studienanfängerinnen und -anfänger im Romanischen Seminar getroffen, um den Ablauf des Studienprogramms zu besprechen und um sich gegenseitig kennenzulernen. Während des Semesters arbeiten sie hauptsächlich online, was ihnen ein flexibles Arbeiten ermöglicht. Im freiwilligen wöchentlichen Tutorat, das an der Universität stattfindet, können die Studierenden das Gelernte mit den Dozentinnen und Dozenten besprechen. An zwei weiteren Präsenzveranstaltungen treffen sich alle Sprachgruppen erneut zum Austausch. Auf einem Online-Forum oder mit einer Chat-App tauschen sie sich untereinander aus – und bleiben stets in Kontakt.

Gleiche Basis für alle

«Dank dieser neuen und gut strukturierten Einführungsmodule stellen wir sicher, dass alle Studierenden das notwendige Grundwissen für das weiterführende Romanistik-Studium mitbringen», fasst Crivelli zusammen. In den online angebotenen Vertiefungsmaterialien und -übungen sind alle Fachtraditionen vertreten. Die Studentinnen und Studenten können Vergleiche anstellen und erkennen dadurch die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Romanistik-Fächer. Nicht zuletzt lernen sie bereits im ersten Semester alle Dozierenden des Romanischen Seminars kennen, persönlich oder virtuell.

Für die Romanistik-Professorinnen und -Professoren wiederum war die Erarbeitung der Einführungsmodule eine fruchtbare Zusammenarbeit. «Wir haben dadurch unseren Blickwinkel auf die anderen Romanistikfächer erweitert und wir lernten uns noch besser kennen», resümiert Projektleiterin Crivelli. Für die Dozierenden war es eine lehrreiche Erfahrung, ihre Beiträge kurz zu halten. Nicht länger als zehn Minuten durften die einzelnen Videobeiträge werden. Es galt, die richtige Balance zwischen Prägnanz und Komplexität zu finden.

Schweizweit einzigartig

«Prolegomena Linguistik und Prolegomena Literatur» ist ein Pilotprojekt, das bereits jetzt Leuchtturmcharakter hat: Die obligatorischen Einführungskurse in sieben Sprachen sind sowohl für die UZH als auch gesamtschweizerisch einzigartig. Insgesamt 60 Videos umfassen beide Module, rund elf Stunden Lehrstoff vermitteln sie.

Nicht nur für die Studierenden ist es ein anspruchsvoller Einstieg ins Romanistik-Studium. Eine Herkulesaufgabe hat auch die Abteilung Digitale Lehre und Forschung der Philosophischen Fakultät bewältigt. «Aufgrund der riesigen Dimension sind die E-Learning-Module auch für uns eine neue Erfahrung», sagt Anita Holdener. Gemeinsam mit Marion Gruber und Lukas Loeffel beriet sie das Romanische Seminar vom Entwickeln des didaktischen Konzepts bis hin zum Kamera-Auftritt. Um den Zeitaufwand und die Hemmschwelle für die Professorinnen und Professoren zu reduzieren, baute das Team sogar ein Mini-Videostudio im Dachstock des Romanischen Seminars auf.  

An der Vorbereitung der Einführungsmodule beteiligten sich auch fortgeschrittene Romanistik-Studierende. Sie erstellten die Untertitel und wurden dafür speziell geschult. Hilfsassistentin Lisa Gasner erstellte die Online-Lektionen auf OLAT und agierte als Schnittstelle zwischen den Dozierenden, den Tutorinnen und Tutoren sowie der Abteilung für Digitale Lehre und Forschung.

Zur Nachahmung empfohlen

Die ersten Feedbacks der Studienanfängerinnen und -anfänger sind positiv. Die in Zusammenarbeit mit der Hochschuldidaktik geplante Evaluation wird zeigen, wie das innovative Lehrformat an der UZH weiter genutzt werden kann. «Wir haben einen Modultyp entwickelt, der auch von anderen Seminaren oder Instituten übernommen werden könnte», sagt Crivelli. Gerade wenn es sich um Lehrveranstaltungen handle, in denen man die Grundlagen verschiedener Teilgebiete vermitteln wolle. Vielleicht könnten die Einführungsmodule in Zukunft auch als Basis für einen Massive Open Online Course zur Romanistik genutzt werden.