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Fünf Holzkästen aus der Sammlung des Botanischen Museums verbargen einen wahren Schatz: handkolorierte Glasdiapositive von Pilzen, Flechten, Moosen, Farnen und Blütenpflanzen. Die kürzlich emeritierte Museumskuratorin Christiane Jacquat hat die Lichtbilder im Keller des Instituts für Pflanzenbiologie entdeckt. Dem Institut wurde im Jahr 2015 die gesamte Sammlung des Botanischen Museums anvertraut. Jacquat setzt sich für ihre Restaurierung ein und hat die Serie der 208 Pflanzenbilder digitalisieren lassen. Das meisterhafte fotografische Handwerk und die Schönheit dieser Glasdias haben die Archäobotanikerin in Bann gezogen.
Auf den ersten Blick wirken Fliegenpilz, Moos und Wurmfarm an ihrem natürlichen Standord verblüffend realistisch – wie Farbbilder von heute. Erst als Christiane Jacquat die Glasdias unter der Lupe betrachtet, sieht sie, dass die ursprünglichen Schwarz-Weiss-Fotografien in ganz feinen Farbnuancen handkoloriert sind. Ihr Schöpfer war offenbar auch künstlerisch begabt: Mit feinsten Pinseln konnte er Farbnuancen, Schattierungen oder Lichteinfall wiedergeben. «Die Lichtbilder sehen eigentlich aus wie Gemälde», erklärt Christiane Jacquat.
Wann sind diese 208 Diapositive entstanden, und wer hat sie gemacht? Die Pflanzenbilder stellen Christiane Jacquat vor mehrere Rätsel. Viele dieser acht bis zehn Quadratzentimeter grossen Glasdias sind mit den Initialen «I.H.» versehen, manchmal eingraviert oder aufgemalt. Wer verbirgt sich hinter der Abkürzung? In mühevoller Recherchearbeit hat Jacquat das Rätsel gelöst und den Künstler identifiziert: Es handelt sich um Josef Hanel, der aus dem Sudetenland stammt und die Glasdiapositive zwischen 1915 und 1940 gefertigt hat.
In Ihrem neuen Buch «Die Pflanzenbilder des «I. H.»; Eine rätselhafte Sammlung handkolorierter Glasdiapositive» rekonstruiert Christiane Jacquat ihre Spurensuche und zeichnet auch die Lebensgeschichte von Josef Hanel nach. Ursprünglich Dekorationsmaler, aber fotografischer Autodidakt, spezialisierte er sich auf die Herstellung farbiger Lichtbilder zu Lehrzwecken. Viele seiner Fotografien wurden für Publikationen verwendet – etwa für einen Ragteber für essbare Pilze während des Ersten Weltkriegs.
Josef Hanel verkaufte seine Glasdiapositive für 1.80 Reichsmark, unter anderem an die Firma Wachenfeld & Schwarzschild in Kassel. Von ihr hat das Botanische Museum zwischen 1927 und 1930 Hanels Lichtbilder erworben – zu Lehrwecken. Um die Systematik der Pflanzen zu lehren und lernen, brauchte es damals wie heute originalgetreue Abbildungen. Obwohl Farbfilme seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erschwinglich wurden, waren handkolorierte Glasplatten aufgrund ihrer Tiefenschärfe für die Projektion auf Grossbildleinwand besser geeignet. «Hanels Diapositive sind gerade auch wegen ihrer Exaktheit von grossem, wissenschaftlichem Wert», bekräftigt Christiane Jacquat.
Ihr Buch über das Œuvre des talentierten Fotografen und Kunstmalers Josef Hanel stellt Jacquat an ihrer Buchvernissage am 30. März im Botanischen Museum der UZH vor. Vor Ort sehen Interessierte auch Bilder von Josef Hanels handkolorierten Glasdiapositiven.