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Der Tod galt lange als Tabu. In den 1960er und 1970er Jahren schien es so, als habe der Tod in der Moderne keinen Platz mehr. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten radikal geändert. In sogenannten «Death Cafés» treffen sich Menschen, sprechen über den Tod und berichten über Ängste und Hoffnungen. Nicht nur in Spiel- und Dokumentarfilmen, sondern neu auch digital, etwa in Formen von Blogs wird das Sterben zum Thema gemacht. Technisch ist es leichter geworden, qualitativ gute Filme schnell zu erstellen und Menschen beim Sterben filmisch zu begleiten. In den Niederlanden gibt es sogar eine beliebte Doku-Soap, in der das Schicksal krebskranker Jugendlicher bis zu ihrem Tod geschildert wird. Auf Youtube finden sich viele Filme, die sich mit dem Tod und Sterben auseinandersetzen. Fazit: Mit diesen neuen medialen Formaten werden Tod und Sterben enttabuisiert.
«Das Bedürfnis sich mit dem Sterben und dem Tod zu befassen, wird auf eine neue, eine digitale Bühne verschoben», bilanziert Tobias Eichinger, Oberassistent am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte. Er hat zusammen mit Anna Magdalena Elsner, Marie Heim-Vögtlin Postdoc des SNF, und Nina Streeck, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte und an der Professur für Spiritual Care eine Veranstaltungsreihe über Film und Lebensende organisiert. Bisher wurden vier Veranstaltungen durchgeführt, eine weitere zum Thema Freitod folgt am 8. Mai 2018.
«Das Interesse an den Veranstaltungen ist gross und das Bedürfnis, über Sterben und Tod zu reden, ausgeprägt», sagt Anna Magdalena Elsner. Die Reihe ist so konzipiert, dass im Anschluss an den gezeigten Film jeweils zwei Experten aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen den Film erläutern. Die Filmemacher seien ebenfalls anwesend und würden jeweils ihre Sichtweise einfliessen lassen. Dieses Setting führe dazu, dass die akademischen Ausführungen durch erlebte Erfahrungen aus dem Publikum ergänzt würden. Die gemeinsame Seherfahrung führe zu lebhaften Diskussionen.
Zudem biete die Reihe auch eine Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu zeigen, worüber am Center for Medial Humanitäres geforscht wird. Die drei Organisatoren Nina Streeck, Anna Magdalena Elsner und Tobias Eichinger haben sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema Medizin und Sterben angenähert. Elsner arbeitet im Rahmen ihres SNF-Projekts über Sterbenarrative und Palliativmedizin in der französischen Literatur. Streeck beschäftigt sich in ihrem Forschungsprojekt mit der Frage nach dem guten Sterben. Eichingers Thema ist die Darstellung von medizinethischen Problemen im Film.
Doch was genau treibt einen Sterbenden an, sich filmen zu lassen? Ein Beispiel sei der Schweizer Film «Bouton» von Res Balzli aus dem Jahr 2011, sagt Elsner. Die Brustkrebspatientin und Marionettenspielerin Johanna Bory habe ihr Sterben ganz bewusst im Film in Szene setzen wollen. Im Zwiegespräch mit der Marionette Bouton versucht sie, Sinn in ihrem frühen Tod zu finden.
Aber auch die Idee, ein Vermächtnis zu hinterlassen, könne Motivation für die filmische Begleitung des Sterbens sein, sagt Eichinger. So etwa beim Film «Ein Sommer für Wenke». Die Dreizehnjährige, die an Krebs erkrankte, wollte ihrer Familie eine Erinnerung hinterlassen.
Die Filme würden Aufklärungsprozesse in Gang setzen, meint Eichinger. Sie verweisen auf die Gestaltbarkeit des Todes. «Man nimmt sein Sterben selbst in die Hand. Und im äussersten Fall, beim Suizid, legt man sogar selbst den Zeitpunkt fest.» Davon handelt der Film «How to die. Simon’s Choice», der am 8. Mai gezeigt wird.
Am Dienstag, 24. April, war der Filmemacher David Sieveking anwesend. Er filmte seine Mutter Gretel, die an Demenz erkrankte und starb. Der Film trägt den Titel «Vergiss mein nicht». Als Experten waren Michael Schmieder vom Demenz-Kompetenzzentrum Sonnweid, Wetzikon und der Kulturwissenschaftler und UZH-Professor Harm-Peer Zimmermann eingeladen.