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Die Schweiz ist kein Land der sozialen Aufsteiger. Ein Indiz dafür ist die relativ geringe Bildungsmobilität. Kinder aus bildungsfernen Familien schaffen es in der Schweiz viel seltener an eine Hochschule als Kinder aus privilegierten Familien.
«Im Schweizer Bildungssystem sind Hürden eingebaut, die Kindern aus bildungsferneren Schichten den Sprung ans Gymnasium erschweren, auch wenn sie begabt und leistungsfähig sind», sagte Katharina Maag Merki im «Talk im Turm» an der UZH. Maag Merki ist Professorin für Theorie und Empirie schulischer Bildungsprozesse und erforscht die Gründe für ungleiche Bildungschancen im Schulsystem.
Das Schweizer Bildungssystem sei zwar prinzipiell durchlässig, und höhere Abschlüsse können später nachgeholt werden. Es seien jedoch vorwiegend Jugendliche aus bildungsnahen Familien, die von diesr Möglichkeit Gebrauch machten. In der Praxis sei die Bildungsmobilität in der Schweiz weit weniger gross, als es das System zulasse.
Für die Erziehungswissenschaftlerin ist klar: In der Schweiz werden die Weichen zwischen akademischer Ausbildung und Berufsausbildung zu früh gestellt. Um mehr Chancengleichheit zu erreichen, müsste das Schweizer Schulsystem grundlegend reformiert werden. Statt auf Selektion sollten Bildungspolitik und Schulen ihre Aufmerksamkeit noch stärker als bisher auf die Förderung von Schülerinnen und Schülern richten, empfahl Maag Merki.
In der politischen Öffentlichkeit nicht weniger umstritten als die Frage nach dem richtigen Bildungssystem ist die Frage nach der richtigen Steuerpolitik. Steuern gelten als das Instrument erster Wahl, um die Gegensätze zwischen Arm und Reich auszugleichen. Allein durch mehr Steuern werde die Welt aber nicht gerechter, erklärte Ökonomie-Professor Florian Scheuer auf dem Podium. Der Akzent in der Steuerpolitik liege noch immer noch viel zu sehr auf Umverteilung. Volkswirtschaftlich sinnvoller sei es, Steuerpolitik als Instrument zu verstehen, um Anreize für produktive Tätigkeiten zu setzen.
Welche Tätigkeiten bringen volkswirtschaftlich einen Nutzen – und welche weniger? Und wie müsste eine die Produktivität fördernde Steuerpolitik aussehen? Diesen Fragen geht Scheuer in seiner Forschung nach. Auf dem Podium plädierte der Ökonom dafür, bei der Besteuerung von Spitzenverdienern genauer hinzuschauen, in welchem Verhältnis ihr Verdienst zu ihrer Produktivität steht. CEOs zum Beispiel, die sich gegenseitig lukrative Kompensationsverträge in den Verwaltungsräten zuschanzen, trügen wenig zur Prosperität der Volkswirtschaft bei. Statt mitzuhelfen, den wirtschaftlichen Kuchen zu vergrössern, würden sich die «rent seekers» nur Stücke vom bereits vorhandenen Kuchen abschneiden. In diesen Fällen seien Spitzensteuersätze fruchtbar. Anders sehe es bei fähigen und leistungsstarken Managern aus, welche die Produktivität der von ihnen geführten Unternehmen steigerten. Sie mit Maximalsteuersätzen zu vergraulen sei volkswirtschaftlich gesehen unklug, sagte Scheuer.