Navigation auf uzh.ch
«Der direkte, persönliche Kontakt ist auch in Zeiten der Digitalisierung unersetzlich für die wissenschaftliche Zusammenarbeit», sagt der Zürcher Politologieprofessor Fabrizio Gilardi. Eben ist er aus Kalifornien zurückgekehrt. Am Festival «Zürich meets San Francisco» leitete er als Mitglied der UZH-Delegation eine öffentliche Veranstaltung zum Thema «Digital Democracy». Dabei ging es zum Beispiel um die Frage, welche Wirkung Social Media auf kollektive Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozesse haben.
Die Geschichte zeigt, dass die Durchsetzung neuer Medientechnologien oft dramatische gesellschaftliche Veränderungen zur Folge hat. So war es bei der Verbreitung des Buchdrucks, der Presse und des Rundfunks. Die Vermutung liegt nahe, dass auch die sozialen Medien im Begriff sind, die Gesellschaft tiefgreifend umzukrempeln. «Wie genau sich Social Media aber auf die gesellschaftlichen Strukturen auswirken, darüber ist noch viel weniger bekannt als man denkt», sagt Gilardi.
Gegenwärtig, so der Politologe, schiessen die Theorien zur Wirkung der sozialen Medien regelrecht ins Kraut. Manche dieser Theorien würden bereits als Tatsachen gehandelt, so etwa die vom Zerfall der Gesellschaft in Teil-Öffentlichkeiten.
Eines der beliebtesten Schlagworte in diesem Zusammenhang ist die «Filterblase»: Damit verbindet sich die Vorstellung, dass unser Bild der gesellschaftlichen Wirklichkeit zunehmend durch Algorithmen geformt wird. Die Realitätsbilder der jeweiligen Communities, so scheint es, driften unaufhaltsam auseinander. Doch ist dem wirklich so? Und gibt es möglicherweise auch Korrektive zu dieser Entwicklung? Um dies herauszufinden, sei noch viel empirische Forschung nötig, sagt Gilardi.
Unerlässlicher Rohstoff für jeden, der die Veränderung der Demokratie durch Social Media erforschen will, sind Daten der Tech-Giganten. Die amerikanische Kommission Social Science One vermittelt zwischen den Sozialwissenschaften und den Konzernen im Silicon Valley, allen voran Facebook. Sie handelt Konditionen aus, zu denen Forschende öffentlicher Universitäten Zugriff auf die Daten erhalten, um sie zu analysieren.
«Um zu erforschen, wie sich die Digitalisierung auf die Demokratie auswirkt, ist die Auswertung von Daten zum Mediennutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger essenziell», sagt Gilardi. Deshalb bemüht er sich seit einiger Zeit um eine Zusammenarbeit mit der Kommission Social Science One. Am Festival «Zürich meets San Francisco» wurden seine Bemühungen belohnt: Er erhielt die Möglichkeit, persönlich Bekanntschaft mit dem Stanford-Professor Nathaniel Persily zu schliessen, einem der beiden Co-Vorsitzenden der Kommission.
Nathaniel Persily beteiligte sich zusammen mit Jan Gerlach von Wikimedia und Megan Price von der Human Rights Data Analysis Group an einem öffentlichen Podiumsgespräch zur «Digital Democracy», das in den repräsentativen Räumlichkeiten von swissnex San Francisco über die Bühne ging und von Gilardi geleitet wurde. Über 70 Personen verfolgten die Diskussion, darunter auch viele UZH-Alumniaus dem Raum San Francisco.
Am Rande der Veranstaltung fanden Persily und Gilardi ausreichend Zeit, um sich unter vier Augen über ihre Forschung auszutauschen. Der Schweizer Politologe unterrichte den kalifornischen Verfassungsrechtler über das Digital Democracy Lab, das er zurzeit mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds an der UZH aufbaut, und stiess damit auf grosses Interesse.
Den Kontakt zu Nathaniel Persily hatte swissnex auf Wunsch von Gilardi im Vorfeld des Festivals eingefädelt. Gilardi ist des Lobes voll: «Die sorgfältige Unterstützung durch swissnex war ausserordentlich hilfreich», sagt er. Entsprechend gut gestimmt kehrt der Politologe aus San Francisco nach Zürich zurück.