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Herr Siegfried, Sie sind Immobilien-Unternehmer, zugleich studieren Sie Philosophie an der UZH. Was hat Sie zur Philosophie geführt?
Urs Siegfried: Ich mag meinen Beruf, aber er allein reichte mir nicht. Mich lockte die Freiheit des Denkens.
Haben sich Ihre Erwartungen an das Philosophiestudium erfüllt?
Siegfried: Mehr als erfüllt. Ich war vom ersten Seminar an begeistert. Philosophie zu betreiben heisst, sich mit Gedankenexperimenten an die eigenen Vorstellungsgrenzen zu wagen. Es heisst, das scheinbar Bekannte von ungewohnten Seiten her nochmals neu zu durchdenken. Ich habe bereits ein Studium der Geschichte und Betriebswirtschaft hinter mir, Philosophie ist mein Zweitstudium – und für mich eine enorme Bereicherung.
Was war Ihre wichtigste Lektion?
Siegfried: Dass man Vorbehalte zurückstecken sollte, wenn einem ein philosophischer Gedankengang zunächst befremdlich vorkommt. Eine offene Haltung ist anstrengender als eine, die beim anderen sofort nach Fehlern sucht, aber sie bringt auch mehr ein. Wer reflexartig mit Kritik auf ungewohnte Denkarten reagiert, statt sich ums Verstehen zu bemühen, kann zwar bequem an liebgewonnenen Denkmustern festhalten, verpasst aber oft das Beste. Vorschnelle Kritik ist wie ein Brett vor dem Kopf.
Welche Philosophinnen und Philosophen mögen Sie besonders?
Siegfried: Simone de Beauvoir, David Hume, John Stuart Mill, und immer wieder Platon. Platon zeigt, welch immenses Potential im Dialog liegt.
Was ist ein gutes philosophisches Gespräch?
Siegfried: Ein gutes philosophisches Gespräch beginnt damit, dass man einander genau zuhört, aufeinander Bezug nimmt, nachfragt, zu verstehen versucht. So kommen Gedanken in Bewegung. Türen gehen auf, Räume öffnen sich. Das Gegenteil eines solchen Gesprächs ist das gegenseitige Bombardement mit Überzeugungen. Echter Dialog hat es heute schwer in der Öffentlichkeit. Social-Media fordern uns auf, unsere vorurteilsbeladenen Meinungen abzusondern wie Duftmarken. Das Philosophie Festival möchte demgegenüber einen Beitrag leisten zu einer Kultur des Dialogs.
Kommen Sie als Festival-Organisator selbst überhaupt noch zum Studieren?
Siegfried: Das letzte Semester musste ich in der Tat schwänzen, die Organisation des Festivals hat mich voll beansprucht.
Das Zürcher Philosophie-Festival dauert drei Tage und umfasst fast dreissig Einzelveranstaltungen. Was hat Sie dazu ermutigt, einen Anlass in dieser Grössenordnung zu organisieren?
Siegfried: Ich hatte einfach Lust darauf, meine Begeisterung für die Philosophie unter die Leute zu bringen. Alleine hätte ich mir das nicht zugetraut – deshalb habe ich mich mit zwei Mitstreitern zusammengetan, dem Philosophen Jonas Pfister – er ist das fachliche Gewissen der Veranstaltung – und dem Zürcher Gemeinderat, Kommunikationsfachmann und Buchautor Matthias Wiesmann. Zu dritt haben wir das Konzept für das Festival entwickelt und das Programm auf die Beine gestellt.
Kann man mit der Organisation von Philosophie-Festivals Geld verdienen?
Siegfried: Unser Engagement ist ehrenamtlich, wir verdienen nichts dabei.
Das Festival steht unter dem Motto «Vom Turm zur Tat». Sie wollen die Philosophie von der Akademie auf die Strasse hinaustragen. Warum überhaupt?
Siegfried: Die Philosophie ist zu wichtig und zu wertvoll, um sie nur in der Akademie zu betreiben. Denken ist ein Teil unserer Wirklichkeit, durch die Art und Weise, wie wir über unsere Gesellschaft denken und reden, formen wir sie mit. Unser Festival lädt dazu ein, Denkgewohnheiten reflektieren und aus eingefahrenen Bahnen auszubrechen.
Welches Publikum sprechen Sie mit dem Festival an?
Siegfried: Angesprochen sind alle, die bereit sind zuzuhören und Spass haben am Denken. Akademische Voraussetzungen braucht es nicht. Das Festival ist niederschwellig und herausfordernd zugleich, es soll unterhalten und zugleich philosophisch aufs Ganze gehen.
Einfach und anspruchsvoll zugleich – wie wollen Sie diesen Spagat schaffen?
Siegfried: Erstens haben wir Themen ausgesucht, die lebensnah sind und jeden betreffen. Das Motto lautet «Ich, Ich, Ich». Was liegt uns näher als das eigene Ich? Zweitens sorgt die Auswahl der Gäste dafür, dass die angestrebte Mischung aus Publikumsnähe und fachlicher Seriosität gelingt: Wir haben einerseits bekannte Gesichter wie den Schriftsteller Philipp Tingler, die Journalistin Michèle Binswanger, den Psychoanalytiker und Kolumnisten Peter Schneider oder den Schauspieler Mike Müller eingeladen, anderseits aber auch ausgewiesene Fachleute wie Gianfranco Soldati aus Fribourg und Susanne Schmetkamp aus Basel, zudem mehrere UZH-Dozierende, darunter Jürg Berthold, Christoph C. Pfisterer oder Dominique Kuenzle. Drittens haben wir die Moderatoren sorgfältig ausgewählt, es handelt sich dabei durchwegs um journalistische Profis, die zugleich über ausgewiesene philosophischen Kenntnisse verfügen. Die meisten von ihnen sind bewährte Moderatorinnen bzw. Moderatoren der TV-Sendung «Sternstunde Philosophie».
Sind auch Philosophie-Studierende der UZH willkommen?
Siegfried: Selbstverständlich. Viele davon beteiligen sich ehrenamtlich an der Festival-Organisation.