Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Ringvorlesung

500 Jahre Reformation und ihre Folgen

Luther und seine Thesen, Zwingli und sein Einfluss auf die Schweiz und die Welt: Eine neue UZH-Ringvorlesung widmet sich der Reformation. Die erste Vorlesung vermittelte einen Einblick in die aktuelle Forschung zur Reformation.
Marita Fuchs
Reformation in Zürich: Darstellung der Ersten Zürcher Disputation 1523 im alten Rathaus von Zürich. Der Zürcher Stadtrat lässt in aller Öffentlichkeit disputieren, welche Religion die «richtige» sei.

1517 gilt als Beginn der Reformationsbewegung, die weite Teile Europas umgestaltet hat. Heute, 500 Jahre später, wird europaweit an das Jahr gedacht, an dem Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlichte. Das Jahr 1517 war aber auch ein Jahr politischer wie ökonomischer Umbrüche und es war eingebettet in eine Zeit geografische Entdeckungen und naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.

Im Jubiläumsjahr 2017 richtet sich der mediale Blick auf Wittenberg und die Hammerschläge an der Tür der Schlosskirche; schnell wird dabei der Blick auf die Person Luthers verengt. Zürich als Reformationsstadt der ersten Stunde und der Reformator Zwingli sollten nicht ausser Acht gelassen werden, waren doch die Beschlüsse des Zürcher Rats in den frühen 1520er Jahren europaweit von epochaler Bedeutung.

Und auch die Universität Zürich hat einen direkten Bezug zur Reformation: Die Grossmünstertürme im Logo der UZH zeugen davon, dass sie letztlich historisch aus der Reformation, aus der durch Zwingli und Bullinger ins Leben gerufenen «Hohen theologischen Schule» hervorgegangen ist.

Wie jede geschichtliche Bewegung ist aber auch die Reformation facettenreich und wird heute unterschiedlich beurteilt. Die aktuelle Ringvorlesung an der UZH will diese verschiedenen Sichtweisen auf das Phänomen Reformation öffentlich diskutieren.

Gab es 1919 noch eine offizielle universitäre Zwinglifeier, so soll die Reformation hundert Jahre später im Rahmen einer Ringvorlesung interdisziplinär beleuchtet werden, wie Peter Opitz an der ersten Veranstaltung vom vergangenen Donnerstag erläuterte. Der grosse Hörsaal 180 im Kollegiengebäude war gefüllt, das Thema Reformation stösst offensichtlich auf Interesse. Der Reformationsforscher Opitz, der die Ringvorlesung organisiert hat, sprach als erster Referent unter anderem über die unterschiedlichen Ansätze der Forschung zur Reformation.

Reformation als geschichtliche Bewegung

Während einige Forschende die Reformation aus den Schriften der Reformatoren selbst zu erklären suchen, fragt ein anderer Ansatz nach der Interaktion zwischen Reformatoren und ihrer Anhängerschaft. Der Fokus richtet sich dabei auf die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse zur Zeit der Reformation und auf die gesellschaftliche Wirkung der Reformatoren. Die Reformation könne dann nur als eine kollektive Aktion verstanden werden, so Opitz. In der Schweiz habe das reformatorische Gedankengut in den Städten zu mehr politischer, ökonomischer und rechtlicher Autonomie der bürgerlichen Gesellschaft geführt, und auf dem Land trug es deutliche Züge einer bäuerlichen Revolution.

Reformation als Gemeindereformation

Dieser Perspektive verwandt sei das Verständnis der Reformation als «Gemeindereformation», sagte Opitz. Es waren politische Einheiten wie Städte, Dörfer und Herrschaftsgebiete, die die Reformation durchführten. Es ging hier natürlich um Religion und das Verhältnis zur römischen Kirche. «Aber nicht nur», betonte Opitz. Religion, Kultur, Politik waren in der frühen Neuzeit sehr eng verknüpft. Das war auch der Grund, warum eine Reformation – auch wenn sie auf Kirche und Religion zielte – nicht ohne Gewalt vor sich gehen konnte. Lokale Machthaber und Profiteure leisteten Widerstand. Aber auch im Widerstand mischen sich die Ebenen von Religion, Politik und Gesellschaft. Dieser Ansatz werde seiner Meinung nach der Reformation – besonders in der Schweiz – am ehesten gerecht wird, sagte Opitz.

Aber kann man überhaupt von der Reformation sprechen? Wenn man die Karte Europas im Blick habe, löse sich die Reformation in Reformationen auf, so Opitz. In Luthers Augen hätten die Schweizer Reformatoren den entscheidenden Punkt nie verstanden und in den Niederlanden und Teilen Osteuropas sei die Reformation in ganz eigener Weise verlaufen. In der Forschung ist es deshalb üblich geworden, anstatt von der Reformation über die europäischen Reformationen zu sprechen.