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So hart es für Nostalgiker sein mag: Das Diktiergerät, einst das liebste Arbeitsinstrument des Anwalts, stirbt aus. Die Zukunft gehört der Spracherkennungssoftware. Rechtsschriften und Plädoyers schreiben sich damit zwar nicht von selbst – aber immerhin wie von Geisterhand. Das führt möglicherweise dazu, dass eine Fachkraft im Sekretariat überflüssig wird.
Gleichzeitig entstehen neue Stellen bei den Anbietern solcher Software, für welche nicht nur Programmierer, sondern auch juristische Fachkräfte gefragt sind. Schliesslich muss auch jemand die Software «trainieren» und an spezifische Anwendungen anpassen. Aus der Distanz betrachtet ist das Verschwinden des Diktiergeräts damit blosse Fussnote einer viel grösseren Entwicklung: Die Digitalisierung macht auch vor der Rechtswissenschaft nicht Halt.
Legal Technology – kurz Legal Tech – bezeichnet den Einsatz digitaler Instrumente im Zusammenhang mit juristischen Arbeitsprozessen. Anfang Oktober fand in Zürich die erste Swiss Legal Tech-Konferenz statt. Dabei wurde deutlich, dass Nachfrage und Angebot an Legal Tech-Dienstleistungen rasch wachsen.
Es geht längst nicht mehr nur um die Dokumentenverwaltung – auch andere Anwendungen, beispielsweise für die automatisierte Durchsetzung von Fluggastrechten, gelten schon fast als Low-Tech. Stattdessen spricht man heute von Blockchain und künstlicher Intelligenz. Zahlreiche Startups bieten bereits Lösungen an, welche diese Technologien nutzen.
Die Tendenz geht dahin, alle wesentlichen Bausteine der Rechtsordnung digital – also in Programmiersprache – abzubilden. Das beginnt mit der elektronischen Identität, geht über zu so genannt smarten Verträgen bis zu Kryptowährungen. So gesehen scheint es, als stünden uns die wirklichen High-Tech-Anwendungen erst noch bevor.
Legal Tech wird den Zugang zum Recht erleichtern. Dies gilt insbesondere für Massengeschäfte wie Standardverträge oder einfache Verwaltungsverfahren. Wer sich beispielsweise gegen eine Busse wegen Falschparkierens wehren will, für den sinken die finanziellen oder organisatorischen Hürden: Ein Online-Formular auf der Website eines spezialisierten Dienstleisters auszufüllen reicht oft schon. Das ist in der Regel effizienter, einfacher und günstiger als der Gang zum Anwalt. Aber auch die Gründung eines Unternehmens, bestimmte Registerauskünfte oder die Aufnahme von Risikokapital könnten sich in Zukunft wesentlich vereinfachen.
Neue Herausforderungen für Juristen
Legal Tech wird die juristischen Berufe massgeblich verändern. Für die Juristinnen und Juristen der Zukunft wird es essentiell sein, diese neuen Technologien zu verstehen und erfolgreich einzusetzen. Auch die universitäre Ausbildung muss auf diese Entwicklungen eingehen und sicherstellen, dass die Absolventinnen und Absolventen eines Jus-Studiums auch künftig gut auf die Herausforderungen vorbereitet sind, die sie in ihrem Berufsalltag erwarten. An der Universität Zürich leistet das Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) dazu einen wichtigen Beitrag.
Neue Rechtsfragen
Gleichzeitig stellt die technische Entwicklung die Rechtswissenschaft aber auch vor neue Herausforderungen, indem sie interessante neue Rechtsfragen aufwirft: Wer haftet für Schäden, die von künstlicher Intelligenz bei der Rechtsberatung verursacht werden? Wie geht die bestehende Finanzmarktregulierung mit Bitcoins um? Solchen Fragen widmet sich das Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) nicht nur in seiner Forschung, sondern auch in einer Veranstaltung am 14. November. Sie richtet sich hauptsächlich an Studierende, ist aber auch der Öffentlichkeit zugänglich. Für Masterstudierende planen Mitarbeitende des ITSL im Frühjahr zudem ein Seminar – damit die nächste Generation der Studierenden für die nächste Generation der Technologie gerüstet ist.