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Für den Bioinformatiker Michael Baudis geht ohne Digitalisierung gar nichts: «Für unsere Arbeit sind digitale Daten essentiell.» Baudis erforscht anonymisierte Erbgutdaten von Patientinnen und Patienten und sucht nach Varianten, die mit Krankheitsrisiken gekoppelt sind. Hält man sich vor Augen, dass ein einzelnes Genom rund 3,2 Milliarden Basen oder Buchstaben besitzt, deren Abfolge analysiert werden muss, wird die Herausforderung deutlich.
Erst dank leistungsstarken Computern ist es überhaupt möglich, Erbgutdaten verschiedener Menschen zu vergleichen und krankmachende Gene zu identifizieren. So betrachtet ist die Bioinformatik sozusagen eine Tochter der Digitalisierung. Parallel zur Leistungsfähigkeit der Chips, die in den letzten Jahren gewachsen ist, hat auch die Bioinformatik an Bedeutung gewonnen. Es ist nur folgerichtig, dass Michael Baudis an der Digital Society Initiative der UZH partizipiert.
Hinter der Bioinformatik steckt aber mehr als kühle Rechnerei. «Die wirkliche Herausforderung ist es, das Genom und seine Variationen zu verstehen», sagt Michael Baudis, der Medizin studiert hat und in Molekularer Zytogenetik promovierte. Was die Genfunktionen betrifft, so hat sich ihre Entschlüsselung als deutlich schwieriger erwiesen, als ursprünglich gedacht. Ein Grund ist, dass einzelne genomische Varianten in der Mehrheit nur einen kleinen Einfluss auf die Gesundheit oder das Verhalten haben.
Stattdessen sind es viele Gene rsp. Genomvarianten, die zusammen zum Krankheitsgeschehen beitragen. «Wir haben die Wirkung einzelner Gene auf die Gesundheit überschätzt», bilanziert der Bioinformatik-Professor. Es sind deshalb möglichst viele Erbgutdaten verschiedener Patienten nötig, um diese Puzzles zu entschlüsseln. Internationale und nationale Genom-Datenbanken, die sprichwörtliche "Big Data", sind wichtige Arbeitsinstrumente der Bioinformatiker.
Die Gesellschaft erwartet von dieser Forschung einerseits medizinischen Fortschritt, das heisst wirkungsvolle und individuelle Therapien. Andererseits besteht auch ein Unbehagen wegen möglichen Missbräuchen von genetischen Daten. Was passiert, wenn DNA-Daten in falsche Hände geraten, wird etwa gefragt. Oder sind Patientenrechte genügend geschützt?
«Die DSI erlaubt es, diese wichtigen gesellschaftlichen Fragen mit Fachleuten anderer Disziplinen zu diskutieren und Lösungen zu entwickeln», sagt Baudis. Nebst Genetikern und Informatikern befassen sich auch Juristen, Soziologen oder Ethiker mit diesen Themen. Persönlich ist er der Meinung, dass der potentielle Nutzen individueller genetischer Daten gegenüber dem Missbrauchspotential deutlich überwiegt – insbesondere im Kontext der sich rapide entwickelnden Interaktionen in anderen Bereichen der digitalen Gesellschaft. Zudem hat ihn die Genominformatik gelehrt, dass einzelne Gendaten weniger brisant sind als angenommen.