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Anlass war die bislang grösste Massenlesung von Homers Epos «Odyssee», organisiert vom Festival Européen Latin Grec in Lyon. Mehr als 5'000 Homer-Enthusiastinnen und -Enthusiasten aus 27 verschiedenen Ländern nahmen an der Lesung teil und erzählten in verschiedenen Sprachen von den Irrfahrten des Odysseus. Dabei wurden die zahlreichen Rezitationen live über das Internet nach Lyon übertragen, wo das Festival später einen Zusammenschnitt zeigte. «Ein gelungener Anlass, um einen Gründungstext der europäischen Literatur zu feiern», sagt Christoph Riedweg, Leiter des Seminars für Griechische und Lateinische Philologie der UZH.
Für die Rezitation der UZH verwandelte das Seminar das Sofa von Pipilotti Rist im Lichthof in ein Theater und brachte das sechste Buch der Odyssee auf Altgriechisch zu Gehör. Darin ist Odysseus an einem absoluten Tiefpunkt angelangt: Nachdem Poseidon mit einem Sturm sein Floss zerschlagen hat, strandet er, modernen Flüchtlingen gleich, ohne Hab und Gut auf der Insel Scheria. In seinem desolaten Zustand begegnet er der phaiakischen Prinzessin Nausikaa und ihren Dienerinnen, die bei seinem Anblick sofort die Flucht ergreifen. Einzig die Königstochter, bestärkt von der Göttin Athene, lässt sich auf ein Gespräch mit dem Schiffbrüchigen ein. Sie besorgt ihm Kleidung und Nahrung und weist ihm den Weg zum Königshof. Dort wird sich Odysseus dann bei einem Mahl mit dem König zu erkennen geben und von seinen Irrfahrten erzählen, ehe er mit Hilfe der Phaiaken nach Ithaka zurückgelangt.
Auch wenn in der Odyssee eine romantische Beziehung zwischen Odysseus und Nausikaa nie explizit erwähnt wird, lässt Homer in seinen Zeilen die Zuneigung der beiden füreinander gefühlvoll anklingen. Für Riedweg ist darum das sechste Buch der Odyssee ein Stück von besonderer Zärtlichkeit: «Es erzählt verspielt von einer jungen Frau, die einem Mann, der ihr idealer Partner sein könnte, ein zweites Leben schenkt.» Und er gibt zu: «Es ist meine liebste Erzählung aus der Odyssee.»