Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Hochschulmedizin Zürich

Viele Schlaufen für einen guten Schlaf

«Hochschulmedizin Zürich» hat sein neues Flagship-Projekt «SleepLoop» vorgestellt. Es zielt darauf ab, den Schlaf zu modulieren und eröffnet grosse Anwendungsmöglichkeiten.
Magdalena Seebauer
Mit SleepLoop wird der Schlaf vermessen. Der aktuelle Prototyp besteht aus einem Stirnband, das Elektroden enthält und einem Kopfhörer, über den das akustische Signal den Probanden erreicht.

 

Nicht nur für die Entwicklung des Gehirns ist er wichtig, auch für das tägliche «Aufräumen» von Abbauprodukten und für das Lernen: Unser Schlaf ist der Schlüssel zu Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. Ihn mittels eines miniaturisierten tragbaren Computersystems zu beeinflussen, das ist das ehrgeizige Ziel eines innovativen Projekts von Forschenden der UZH, der ETH Zürich und der universitären Spitäler.

Am Jahresanlass der «Hochschulmedizin Zürich» präsentierte Christian Baumann, Professor für Neurologie an der UZH, das Projekt «SleepLoop». Im Rahmen eines interdisziplinären Konsortium konzipierten die Forschenden und Ingenieure ein System, das während des Schlafs an der Kopfoberfläche die Gehirnströme misst, diese in Echtzeit analysiert und sodann zielgenau moduliert.

Möglich ist dies, da die Nervenzellverbände des Gehirns je nach Schlaftiefe mit einem charakteristischen Wellenmuster schwingen. Erreicht nun ein akustisches Signal das Gehirn zu einem spezifischen Zeitpunkt dieses Wellenmusters, so lässt sich die Amplitude der Schwingung vergrössern. Der Schlaf wird tiefer. Auch das Gegenteil ist möglich: Trifft das akustische Signal zum entgegengesetzten Zeitpunkt des Schwingungszyklus‘ ein, so wird der Schlaf oberflächlicher.

Am Jahresanlass der «Hochschulmedizin Zürich» präsentierte Christian Baumann, Professor für Neurologie an der UZH, das Projekt «SleepLoop».

Vorbeugung und Behandlung von Zivilisationskrankheiten

«Dieser Ton ist aber so leise, dass niemand davon aufwacht», erläuterte Baumann. Der aktuelle Prototyp besteht aus einem Stirnband, das die Elektroden enthält und einem Kopfhörer, über den das akustische Signal den Probanden erreicht. Beide sind drahtlos verbunden mit einem Smartphone. Die technische Weiterentwicklung sei integraler Bestandteil des Projekts, sagte Baumann. «Unser Ziel ist, das System so zu miniaturisieren, dass es wirklich benutzerfreundlich und für den Gebrauch zu Hause geeignet ist.»

Doch «SleepLoop» setzt nicht nur beim Nachtschlaf an. Ein Bewegungssensor am Handgelenk zeichnet die körperliche Aktivität während des Tages auf. Und wie jemand den Touchscreen seines Smartphones benutzt, lässt Rückschlüsse auf die Wachheit dieser Person zu. «All diese Daten werden in das System integriert und ermöglichen uns, die Stimulation individuell abzustimmen», sagte Baumann.

Lebensqualität verbessern

Die Anwendungsbereiche von «SleepLoop» sind vielfältig. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson möchte das Forscherkonsortium beispielsweise untersuchen, ob mehr Tiefschlaf die typischen Symptome am Bewegungsapparat mildern und die Lebensqualität verbessern kann. Wer unter Depressionen leidet, wird häufig mit akutem Schlafentzug als einem der wirksamsten Mittel zur Stimmungsverbesserung behandelt.

Doch über lange Zeit sei das nicht durchführbar, sagte Baumann. «Mit «SleepLoop» können wir den Schlaf partiell oberflächlicher machen, sodass wir den therapeutischen Effekt haben, aber die Nebenwirkungen vermeiden.» Und nicht zuletzt steht der Schlaf in engem Zusammenhang mit vielen weiteren Körperfunktionen, vom Stoffwechsel bis zum Immunsystem. Bei der Vorbeugung und Behandlung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen würde diese Technologie enorme Möglichkeiten mit sich bringen, sagte Baumann.

In der Podiumsdiskussion ging es um Pioniergeist in der Medizin, moderiert wurde sie von Journalist Beat Glogger (r.), es diskutierten Adriano Aguzzi, Professor für Neuropathologie an der UZH (l.), Beatrice Beck Schimmer, Professorin für Anästhesiologie an der UZH (zweite v.l.), und Timm Schroeder, Professor für Zellsystem-Dynamik an der ETH Zürich (dritter v.l.).

Aufeinander zugehen

Um Pioniergeist für die Medizin der Zukunft ging es dann auch in der anschliessenden Podiumsdiskussion, moderiert von Beat Glogger, Wissenschaftsjournalist und Herausgeber des Buchs «Zürcher Pioniergeist». Was es denn brauche, damit Pionierleistungen überhaupt möglich seien? Vor allem Zeit und Musse, da waren sich die Diskutanten einig. Allerdings sei das besonders für jüngere Forschende schwierig. «Genau dann, wenn sie sich am Höhepunkt ihrer Kreativität befinden, stehen sie unter dem enormen Druck, möglichst viel zu publizieren», sagte Timm Schroeder, Professor für Zellsystem-Dynamik an der ETH Zürich. «Doch es ist falsch zu meinen, es käme auf jede einzelne Woche an, die ein neues Resultat früher publiziert ist.»

Besonders für Ärztinnen und Ärzte an den universitären Spitälern sei es sehr schwierig, genügend freie Forschungszeit im Klinikalltag zu haben, sagte Beatrice Beck Schimmer, Professorin für Anästhesiologie an der UZH. Sie ist eine Pionierin, was die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher und klinischer Tätigkeit betrifft und hat an der UZH das Laufbahnförderprogramm «Filling the Gap» etabliert.

Doch neben Zeit brauche es für echte Durchbrüche vor allem das Talent und das Engagement des Einzelnen, sagte Adriano Aguzzi, Professor für Neuropathologie an der UZH. Er sieht das keineswegs im Widerspruch zu Teamwork und Kollaborationen. Wichtig sei vor allem, dass die Forschenden aneinander interessiert seien. «Wir müssen mehr aufeinander zugehen und von der Expertise und den Ideen des anderen wissen», sagte er.

Genau für diese Vernetzung setzt sich «Hochschulmedizin Zürich» ein und hat soeben ein Kompendium «Who is Who in Medical Research» herausgegeben.

Weiterführende Informationen