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Die Welt zu Beginn der neunziger Jahre: Der eiserne Vorhang ist gefallen, das Schreckgespenst des drohenden Kommunismus ist besiegt. «Mit dem Ende des Kalten Krieges schien der Bedarf an aktualitätsbezogener Osteuropaforschung wegzufallen», erklärt Jeronim Perović, SNF-Förderprofessor am Historischen Seminar UZH. «Jetzt erkennt man, dass dies ein Fehler war.»
Denn der Übergang vom Kommunismus zur Demokratie verlief in vielen Staaten Osteuropas nicht reibungslos. So lässt sich seit einigen Jahren eine starke Tendenz zum Militarismus und zur autoritären Staatsführung feststellen – besonders in Russland, im Kaukasus und in Zentralasien. Zudem tragen Geschehnisse wie der Ukraine-Konflikt im Jahr 2014 zu neuen geopolitischen Unsicherheiten in Europa bei, die auch für die Schweiz von Bedeutung sind. Angesichts dieser neuen Unabwägbarkeiten hat der Bedarf nach Expertise seitens der Medien, der Politik, der Wirtschaft und einer interessierten Öffentlichkeit stark zugenommen.
Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, möchten Nada Boškovska, Professorin für Osteuropäische Geschichte, und Perović gemeinsam das «Center for Eastern European Studies» (CEES) an der UZH lancieren. Dies ist nach der zugesprochenen finanziellen Unterstützung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation nun geglückt. Die Finanzierung beginnt ab 1. März 2017.
Für das CEES möchte die Abteilung für Osteuropäische Geschichte eng mit der Slavistik und anderen Lehrstühlen zusammenarbeiten, die sich mit Osteuropa beschäftigen: «Unter dem Dach der UZH wollen wir das vorhandene Fachwissen bündeln und neue Forschungsfragen stellen», erklärt Boškovska. Auch weitere interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UZH und andere Institutionen im In- und Ausland sind eingeladen, sich an der Forschung des CEES zu beteiligen. Denn das Zentrum legt viel Wert auf die Interdisziplinarität: So können Synergien für die Wissenschaft und gemeinsame Lehrveranstaltungen genutzt werden.
Den thematischen Schwerpunkt legt das CEES auf die Entwicklungen in der postsozialistischen Zeit. Angesichts der Spannungen des Westens mit Russland sei es nötig, die Russlandkompetenzen innerhalb der Schweiz zu stärken. «Insbesondere darum, weil die Schweiz auf hoher diplomatischer Ebene oftmals eine Vermittlerrolle zwischen den Staaten einnimmt», hält Boškovska fest.
Als mögliches Forschungsprojekt ist eine Untersuchung zum Thema «Feindbilder» geplant, die sich mit der Wahrnehmung des «Anderen» resp. des «Feindes» in Osteuropa und seiner Gesellschaft befasst. «Ein solches Thema ist für viele unterschiedliche Disziplinen, wie beispielweise Geschichte, Linguistik, Politologie oder Ethnologie, interessant», so Perović.
Der Vorteil eines gemeinsamen Dachs ist die Sichtbarkeit gegen innen und aussen. «Wir können zeigen, was wir tun», freut sich Boškovska.