Navigation auf uzh.ch
Die sechs Wissenschaftler der UZH gehören zu den einflussreichsten Forschenden ihres Fachgebiets. Als viel zitierte Autoren sind sie Teil einer prestigeträchtigen Gruppe namens «Highly Cited Researchers», die rund 3000 Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt umfasst. Die Rangliste 2015 basiert auf dem «Web of Science» von Thomson Reuters und berücksichtigt die wissenschaftlichen Publikationen und ihre Zitationen in 22 Fachgebieten (aus Naturwissenschaften, Ökonomie, klinische Medizin und Sozialwissenschaften), die zwischen 2003 und 2013 veröffentlicht worden sind. «Man sollte die Rangliste nicht überbewerten», sagt der Biostatistiker Torsten Hothorn, der selber unter den Vielzitierten figuriert. «Das Verfahren bevorteilt Publikationen über Methoden, die von vielen Kolleginnen und Kollegen genutzt werden oder grosse Forschungskonsortien. Relative Vorteile haben auch kleinere Fachgebiete und disziplinenübergreifende Themen.» Trotzdem: Die Liste rückt Persönlichkeiten aus der UZH-Forschung ins öffentliche Rampenlicht und ist für die Vielzitierten eine schöne Bestätigung.
Der Pflanzengenetiker Beat Keller vom Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie verdankt seine gute Rangierung einerseits Genomanalysen und andrerseits den Arbeiten mit Resistenzgenen.
Zusammen mit Forscherkollegen aus den USA und Deutschland publizierte Keller 2009 eine Analyse des Genoms von Sorghum bicolor, einer ursprünglich aus Afrika stammenden Hirseart. Die Daten erlaubten ein besseres Verständnis der genetischen Eigenschaften und erleichtern die Entwicklung lokal angepasster Sorten. Im gleichen Jahr gelang Kellers Arbeitsgruppe die Identifikation und Isolierung des Resistenzgens Lr34 in Weizen, das die Pflanzen vor Rostpilzen schützt.
Dieser genetische Schutz ist äusserst robust und wird von den Züchtern seit Jahrzehnten in Kultursorten eingekreuzt. Entsprechend gross war und ist das Interesse an den molekularen Vorgängen, die für die Schutzwirkung verantwortlich sind. Die Funktion des Weizengens Lr 34 beschäftigen Kellers Arbeitsgruppe und sorgen kontinuierlich für vielbeachtete Arbeiten. «Obwohl das Institut im internationalen Vergleich klein ist, können wir mit unseren Arbeiten weltweit punkten», freut sich der Forscher und verweist auf seinen Kollegen Enrico Martinoia, der ebenfalls im Klub der Vielzitierten dabei ist.
Der Pflanzenphysiologe Enrico Martinoia ist der zweite Gruppenleiter aus dem Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie, der es auf die Thomson Reuters Liste geschafft hat. Seine internationale Beachtung basiert auf drei Forschungsthemen: Pflanzenhormone, Schwermetall-Entgiftung und intrazelluläre Transportprozesse.
So hat ihm eine Publikation über Phytohormone namens Strigolaktone aus dem Jahr 2012 viele Zitationen eingebracht. Diese Hormone wurden ursprünglich entdeckt, weil sie das Wachstum parasitierender Pflanzen stimulieren, die den Ertrag von Kulturpflanzen beeinträchtigen. Später hat man beobachtet, dass sie für die Pflanze auch wichtig sind, da sie die Bildung von Mykhorrizen begünstigen, eine Symbiose zwischen der Pflanzenwurzel und Pilzen, die der Pflanze bei der Nährstoffaufnahme hilft. Zudem spielt das Hormon auch eine wichtige Rolle beim Austreiben der Seitentriebe. Martinoias Gruppe identifizierte in dieser Arbeit erstmals die molekularen Transportprozesse für das Phytohormon, das so viele Funktionen auf sich vereint.
Grosse Resonanz erzielten auch seine Forschungsarbeiten über giftige Schwermetalle wie Arsen, Cadmium oder Blei. Manche Pflanzen können diese Umweltgifte chemisch binden und dienen den Forschern als Modellorganismen zur biologischen Säuberung von Böden. Auch hier interessiert sich Martinoia für die biochemischen Transportprozesse, ebenso im dritten Themenschwerpunkt, den intrazellulären Vakuolen, in denen Pflanzen Stoffwechselprodukte deponieren. «Ein Grund für die hohe Beachtung liegt auch in der fachübergreifenden Natur unserer Arbeiten», sagt Martinoia. Ein weiterer beim Plant Science Center, das gemeinsam mit der ETH und der Universität Basel betrieben wird. Die gemeinsame Initiative bündelt die Kräfte und fördert kreative Ansätze.
Der Verhaltensökonom Ernst Fehr vom Departement of Economics publiziert zusammen mit seinen Mitarbeitern seit Jahren vielbeachtete Arbeiten über die sozialen und biologische Grundlagen, die Menschen zu kooperativem Verhalten veranlassen oder sie daran hindern.
Seine beiden meistzitierten Arbeiten «A theory of fairness, competition and cooperation» und «Altruistic punishments in humans» gelten als wegweisend zum Verständnis uneigennütziger Motive und deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Sie liegen zwar ausserhalb des Zeitraums, der für die aktuelle Rangliste berücksichtigt worden ist. Die jüngeren Arbeiten Ernst Fehrs und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind indes nicht weniger bedeutend und erzielen kontinuierlich hohe Zitationswerte. Zum Beispiel die Untersuchung über das Hormon Oxytocin aus dem Jahre 2005, das vertrauensbildend wirkt und daher Tauschakte befördern kann. Oder neurobiologische Untersuchungen zur Entscheidungsfindung.
«Mich haben immer grundlegende Fragen interessiert, die noch ungelöst sind», sagt Ernst Fehr. Auf der Suche nach Antworten hat er sich nicht gescheut, sich mit Disziplinen ausserhalb des eigenen Fachgebiets zu beschäftigen. So hat er als Ökonom den Brückenschlag zur Biologie und zu den Neurowissenschaften gewagt. «Wichtig ist es, die Fragestellungen und Experimente aufgrund der Ergebnisse laufend zu überprüfen und falls nötig neu auszurichten.» Denn oft suche man A und findet B, wobei B interessanter sein kann. Doch nur wer sich auf die unerwarteten Befunde einlasse und seine Forschung entsprechend justiere, stosse in neue Bereiche vor, so der vielzitierte Verhaltensökonom.
Der Systembiologe Christian von Mering vom Institute of Molecular Life Sciences hat eine Datenbank namens «String» mitaufgebaut, die ihm viel Beachtung und Zitationen einbringt. Sie ist ein wichtiges Werkzeug für Genom- und Proteomforscher geworden, denn sie entschlüsselt Wechselwirkungen von Proteinen, das heisst die Interaktionen zwischen den zehntausenden von Eiweissmolekülen einer Zelle.
Benutzer geben dazu die Daten des zu untersuchenden Proteins ein und erhalten das Netzwerk, mit denen ihr Molekül interagiert. Das sind im Schnitt zehn bis zwanzig direkte Interaktionen. Die Identifikation dieser Netzwerke verbessert das Verständnis, wie Zellen funktionieren. Dank der jahrelangen Aufbauarbeit sind heute die Daten von über 9,6 Millionen Proteinen aus 2031 Organismen abgelegt. Dies war möglich dank der finanziellen Unterstützung durch das Schweizerische Institut für Bioinformatik sowie der UZH.
«Die String-Datenbank hat sich als Goldstandard zur Erforschung der Proteinnetzwerke etablieren können», sagt von Mering. Entsprechend häufig geben mehrere tausend Benutzer aus der ganzen Welt tagtäglich ihre Daten ein. Oft führen diese Abfragen zu Publikationen, in denen die Initianten der String-Datenbanken zitiert werden. Die Aufbauarbeit bei diesem Forschungswerkzeug schlägt sich nun in der Zitationsanalyse nieder. «Wir befinden uns in der Erntephase», freut sich der Systembiologe der ersten Stunde.
Der Ökologe Jordi Bascompte vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften analysiert ökologische Netzwerke mithilfe mathematischer Modelle und Simulationen. Ziel ist es, natürliche Systeme und ihre Robustheit besser zu verstehen.
Dieser neue Ansatz kommt zu überraschenden Ergebnissen, die Bascompte und seine Kollegen 2009 in einem vielzitierten Paper publiziert haben: Ganz unterschiedliche Netzwerke wie Finanzmärkte, organische Krankheiten oder Ökoysteme der Erde zeigen ähnliche kritische Umschlagspunkte oder tipping points, die beim Überschreiten das System zum Kippen bringen. Bascompte und seine Kollegen konnten zudem zeigen, dass es ähnliche Warnsignale in solchen kritischen Phasen gibt, bevor das System zusammenbricht. Diese Signaturen ergaben sich aus der mathematischen Analyse der Umschlagspunkte. «Wir verfolgen einen umfassenden Ansatz, komplexe Systeme besser zu verstehen», sagt Bascompte, dessen Arbeiten auch die Vorlage für einen Ökofilm gegeben haben. Das System Erde gerät in diesem Beitrag wegen Überbevölkerung, Zerstörung natürlicher Habitate und dem Klimawandel aus den Fugen.
Bascompte versteht sich bei aller Nähe zur Mathematik und Physik zuallererst als Biologe. Doch um Ökosysteme zu verstehen, reiche das Verständnis einzelner Arten und ihrer Dynamik nicht, denn das System erzeuge auf übergeordneter Ebene eine neue Ordnung von Gesetzmässigkeiten. So sind Ökosystem zwar recht robust, aber der Verlust von wenigen Schlüsselarten kann destabilisierend wirken – Netzwerk-Vorgänge, die Bascompte untersucht und die in der Forschungsgemeinde hohe Beachtung finden.
Der Biostatistiker Torsten Hothorn vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention entwickelt Methoden und frei zugängliche Software für biologische und biomedizinische Analysen. Seine Programmierarbeiten sind Teil von Projekten namens «R» und «Bioconductor-», das heisst es handelt sich um offene Plattformen für statistische Werkzeuge, die den Fachkollegen und – kolleginnen unentgeltlich zur Verfügung stehen. Sie basieren auf der frei zugänglichen und populären Programmiersprache «R» und sind Musterbeispiele von Open Science.
Seit über fünfzehn Jahren beteiligt sich Hothorn an dieser internationalen Kooperation, was ihm entsprechend viele Zitationen einbringt. Seine Klassifizierung als einflussreicher und highly cited Wissenschafter möchte er deshalb relativieren und nicht überbewerten. «Ich betreibe Methodenentwicklung, die oft zitiert wird», sagt der Biostatistiker. Die Popularität von «R» und «Bioconductor» verdeutlicht allerdings die enorme Bedeutung der Biostatistik und Bioinformatik in der molekularen Biologie, der Medizin und in den Life Sciences, sei es bei der Analyse von Genomdaten oder Proteinen, Stoffwechselprozessen oder klinischen Studien. Weitere Publikationen von Torsten Hothorn geben interessante Einblicke, wie Big Data und Crowdsourcing die Forschung gegenwärtig verändern.
So publizierte der Biostatistiker vor kurzem eine Analyse von über 340000 Kollisionen zwischen Rehen und Autos im Vergleich mit gut 850000 Unfällen ohne Wild, basierend auf Datenbanken der Polizei in Bayern. Aufgrund der Auswertungen empfahl Hothorn jahreszeitlich eingeschränkte Temporeduktionen und neue, auf die Lenker zugeschnittene Warnsysteme in den Navigationsgeräten.