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Bologna 2020

«Die Fächervielfalt bleibt bestehen»

Im Zuge des Projekts Bologna 2020 wird die Philosophische Fakultät ihr Studienangebot und ihre Curricula auf Bachelor- und Masterstufe weiterentwickeln. Über einige Änderungen in diesem Zusammenhang hat die Fakultätsversammlung am Freitag entschieden. Im Interview erklärt Dekan Andreas H. Jucker, welche Vorteile diese neue Studienarchitektur den Studierenden und den einzelnen Fachdisziplinen bringt.
Interview: David Werner
Studium
Neu immatrikulierte Bachelor-Studierende der Philosophischen Fakultät werden ab dem Frühjahrssemester 2017 in eine neue Studienarchitektur geleitet. Sie können dann ein grosses (Major) mit einem kleinen (Minor) Studienprogramm kombinieren. Dasselbe gilt für die Masterstufe, die ab Frühjahr 2019 für Neueintretende umgestellt wird. Im Master wird wie bisher in bestimmten Fächern auch ein Mono-Studienprogramm gewählt werden können. Das heutige zweite Nebenfach wird es auf Bachelor- und Masterstufe nicht mehr geben.

An der Philosophischen Fakultät wird ab Frühjahrssemester 2017 für Neueintretende im Bachelor eine neue Studienarchitektur eingeführt, das sogenannte Major-Minor-System. Was bedeutet dies für Studienanfängerinnen und -anfänger der Philosophischen Fakultät konkret?

Andreas Jucker: Bachelor-Studierende werden zwei Studienprogramme wählen können, ein grosses und ein kleines – und nicht mehr wie bisher ein Hauptfach und zwei Nebenfächer.

Was ändert sich für Studierende, die ihr Studium bereits vor dem Frühlingssemester 2017 beginnen oder begonnen haben?

Für sie ändert sich nichts. Sie können ihr Studium im heutigen System absolvieren.

Mit der Einführung des Major-Minor-Systems vertiefen sich Studierende nur noch in zwei statt wie bisher in drei Fächer. Bedeutet dies, dass die Fächervielfalt der Philosophischen Fakultät eingeschränkt wird?

Nein. Die Fächer bleiben als Studienangebot bestehen, auch die kleinen. Die Philosophische Fakultät ist stolz auf ihre Angebotsvielfalt. Diese Vielfalt wird nicht eingeschränkt. Das disziplinäre Spektrum – von der Anglistik bis zur Soziologie, von der Computerlinguistik bis zur Musikwissenschaft, von der Archäologie bis zur Japanologie – wird sich weiterhin in den Studienprogrammen als Major oder als Minor abbilden. Was sich ändern wird, ist die Studienarchitektur – und damit zusammenhängend die Zahl, die Grösse und die Kombinationsmöglichkeiten der Studienprogramme. Im Unterschied zu heute werden zukünftig die verschiedenen Fächer auf Bachelor-Stufe bis auf wenige Ausnahmen nur noch als Major-Programm mit 120 ETCS-Punkten oder als Minor-Programm mit 60 ETCS-Punkten studiert werden können. Das sogenannte zweite Nebenfach entfällt also. Ebenso entfällt die Möglichkeit, zwei gleich grosse Studienprogramme à 90 ECTS-Punkte zu wählen. Das Spektrum der Disziplinen, aus dem die Studierenden an der Philosophischen Fakultät auswählen können, bleibt aber so gross und vielfältig wie zuvor.

Wie steht es mit Angeboten, die bisher nur in Form eines zweiten Nebenfachs studiert werden konnten  – zum Beispiel Sanskrit? Wird man nach dem Wegfall des zweiten Nebenfachs weiterhin Sanskrit studieren können?

Ja. Es werden wie gesagt keine Angebote gestrichen. Sanskrit ist ein Teilgebiet der Indologie. Wer Indologie im Hauptfach oder im ersten Nebenfach studiert, studiert auch Sanskrit. Das wird sich bei der Umstellung auf das Major-Minor-System nicht ändern. Sanskrit fällt nicht aus dem Programm. Die Neuerung besteht darin, dass man Sanskrit als Teilgebiet der Indologie nicht mehr isoliert wird studieren können. Dasselbe gilt zum Beispiel für das bisherige 30-Punkte-Studienprogramm Hindi, oder für Ethik als Teilgebiet der Philosophie.

Was ändert sich auf der Masterstufe?

Auch auf der Masterstufe wird das Major-Minor-System eingeführt, allerdings erst im Frühjahrssemester 2019. Wer von diesem Zeitpunkt an ein Master-Studium beginnt, kann ein Programm mit 120 ECTS-Punkten wählen oder ein 90-Punkte-Programm (Major) mit einem 30-Punkte-Programm (Minor) kombinieren. Nicht mehr geführt werden die bisherigen Master-Programme im Umfang von 15 Punkten oder 105 Punkten.

Was sind die Gründe für die Änderung der Studienarchitektur auf der Bachelor- und der Masterstufe?

Es gibt mehrere Gründe dafür: Ein erster Grund ist, dass wir an der Philosophischen Fakultät mit unserer bisherigen Studienarchitektur national und international fast alleine dastehen. Das Modell mit einem Hauptfach und zwei Nebenfächern stirbt aus. Eine Anpassung an die sonst übliche Struktur mit einem Major- und einem Minor-Studienprogramm wird die Mobilität erleichtern.

Ein zweiter Grund ist, dass das bisherige System zu einer Überfrachtung des Lehrangebots geführt hat. Wir bieten schlicht zu viele Möglichkeiten, ein und dasselbe Fach zu studieren. Variation ist gut, aber zu viel Variationsmöglichkeiten führen zu einem organisatorischen Aufwand, der in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen steht, den die Studierenden davon haben.

Ein dritter Grund: Es hat sich gezeigt, dass der Umfang der 15 ECTS-Studienprogramme zu gering ist, um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Fach zu ermöglichen. Ein Studium an der Philosophischen Fakultät sollte die richtige Balance zwischen Diversität und Vertiefung gewährleisten. Das Major-Minor-System kommt diesem Ziel näher als die bisherige Struktur.

In welchem Zusammenhang steht die Einführung des Major-Minor-Systems zum Reformprojekt Bologna 2020?

In einem ganz direkten Zusammenhang. Das zentrale Ziel von Bologna 2020 ist es, die Bachelor-Stufe und die Master-Stufe deutlicher zu profilieren: Bachelor-Studiengänge sollen eine breite und fundierte Grundorientierung gewährleisten, auf der Masterstufe soll den Studierenden dagegen die Möglichkeit geboten werden, sich intensiver mit Spezialgebieten zu befassen. Mit dieser Neuausrichtung der Bachelorstufe sind kleine Studienprogramme mit nur 30 ETCS-Punkten kaum zu vereinbaren.

Welche Vorteile bringt die Profilierung von Bachelor- und Masterstufe?

Die breite Grundausrichtung des Bachelors hat für Studierende den Vorteil, dass sie den Entscheid, auf welches Teilgebiet eines Faches sie sich spezialisieren wollen, erst fällen müssen, nachdem sie im Bachelor das nötige Grundwissen erworben haben. Für die einzelnen Fächer – gerade für die kleineren – besteht der Vorteil darin, dass sie bei der Grundausbildung zusammenarbeiten können. Das verschafft ihnen Spielräume bei der Gestaltung attraktiver, forschungsnaher Masterprogramme.

Wird die Umstellung auf die neue Studienarchitektur dazu führen, dass kleinere, aber wichtige Fächer wie etwa die Islamwissenschaften weniger häufig studiert werden?

Diese Befürchtung höre ich oft, ich teile sie aber nicht. Ich vermute eher, dass das Gegenteil eintreffen wird. Es kann zwar sein, dass die kleineren Fächer in einer Übergangsfrist von etwa vier Jahren auf der Bachelorstufe weniger Studierende haben werden. Aber längerfristig werden meines Erachtens die kleinen Fächer eher gestärkt.

Warum?

Auf der Bachelor-Stufe wird der Stoff kleinerer Fächer in breiter ausgerichteten Studiengängen eingebettet sein. Die inhaltlich breitere Ausrichtung zukünftiger Bachelor-Studienprogramme wird dazu führen, dass mehr Studierende als heute mit den Inhalten kleiner Fächer in Berührung kommen. Dadurch werden sich mehr Studierende als bisher ermutigt fühlen, im Master ein Studienprogramm in einer kleinen, weniger bekannten Disziplin wie zum Beispiel Allgemeine Sprachwissenschaft, Computerlinguistik oder Persisch zu wählen. Die Masterpogramme der kleinen Fächer werden zudem nach der Umstellung auf das Major-Minor-System mit einiger Wahrscheinlichkeit mehr Mobilitätsstudierende anziehen als heute, weil sie international kompatibler sein werden.

Die neuen, breiter ausgerichteten Bachelor-Studienprogramme werden erst 2020 eingeführt. Warum wartet die Philosophische Fakultät mit der Einführung des Major-Minor-System nicht ebenfalls bis 2020?

Das würde bedeuten, dass alle Studienprogramme inklusive Curricula doppelt  geführt werden müssten: es bräuchte Studienprogramme für die ab Frühjahr 2017 eintretenden Studierenden und Studienprogramme für diejenigen, die ihr Studium bereits zuvor begonnen haben. Damit haben wir bei der Umstellung vom Liz-System auf das Bologna-System vor etwa zehn Jahren eher schlechte Erfahrungen gemacht: Die Parallelführung war mit einem sehr grossen Koordinationsaufwand verbunden.

Deshalb haben wir uns diesmal für eine gestaffelte Umstellung entschieden: Erst wird die Studienarchitektur für Neueintretende umgestellt, dann werden die neuen Studienprogramme und Curricula eingeführt. Die Umstellung auf die breiter ausgerichteten Bachelor-Programme wird flüssiger vonstatten gehen, wenn die grosse Mehrheit der Studierenden bereits im Major-Minor-System studiert.

Vier Programme sind vorläufig von der Umstellung auf das Major-Minor-System ausgenommen: Lateinische Literaturwissenschaft, Griechische Literaturwissenschaft, Mittellateinische Sprach- und Literaturwissenschaft und Rätoromanische Sprach- und Literaturwissenschaft. Warum werden in diesen Fächern Ausnahmen gemacht?

Die Fächer Latein, Gräzistik, Mittellatein und Rätoromanisch rekrutieren heute auf Bachelor-Ebene einen beträchtlichen Teil ihrer Studierenden über das 30-Punkte-Programm. Würden diese Programme gestrichen, wäre wohl damit zu rechnen, dass diese Fächer zu wenig neueintretende Studierende hätten. Wir werden in diesen vier Fächern deshalb die Studienprogramme mit 30 ECTS-Punkten erst ums Jahr 2020 schliessen, wenn die breiter ausgerichteten Bachelor-Programme eingeführt werden. Dasselbe gilt für die kleinen Master-Programme dieser Fächer im Umfang von 15 ECTS-Punkten.