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Die Forschung zu HIV ist eine halbe Erfolgsgeschichte. Die erfreuliche Hälfte: Es gibt heute wirksame antiretrovirale Medikamente, mit denen AIDS-Kranke ein annähernd normales Leben führen können. Der weniger erfreuliche Teil der Geschichte: Eine effektive Heilung ist noch immer nicht möglich. Das liegt auch daran, dass sich ein Teil der HI-Viren schlummernd in den Immunzellen der Betroffenen versteckt – im «latenten Reservoir». Die Viren vermehren sich in diesem Schlafmodus zwar nicht und können auch nicht auf andere Menschen übertragen werden. Wenn die medikamentöse Behandlung gestoppt wird, wechseln die Viren aber wieder in einen aktiven Modus.
Das «latente Reservoir» besser zu verstehen, ist eines der Ziele des Klinischen Forschungsschwerpunkts (KFSP) «Viral Infectious Diseases» der UZH. Er widmet sich in einem Teilbereich der HIV-Infektion und in einem anderen Teilbereich dem Ziel, bisher unbekannte virale Krankheitserreger ausfindig zu machen.
Geleitet wird der Klinische Forschungsschwerpunkt von Professor Huldrych Günthard, Leitender Arzt an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich, Professorin Alexandra Trkola, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie der UZH, und Professor Nicolas Müller, Leiter des Transplantationszentrums des Universitätsspitals Zürich.
Huldrych Günthard leitet den Teilbereich zu HIV. Der KFSP erlaubt es ihm, die seit 2002 laufende Zurich Primary HIV Infection Study (ZPHI) zu verlängern und zusätzlichen Forschungsfragen nachzugehen. Sein Team sucht unter anderem nach Ansatzpunkten, die schlummernden Viren des latenten Reservoirs zu zerstören: «Die Idee ist, die schlafenden Viren zu aktivieren und damit dem Angriff der antiretroviralen Medikamente und des Immunsystems zugänglich zu machen.»
Dazu gilt es die Entstehung des Reservoirs erst besser zu verstehen. Gebildet wird dieses insbesondere kurz nach der Ansteckung mit dem HI-Virus. Um das Geschehen im menschlichen Körper in dieser Phase zu untersuchen, kann das Team um Huldrych Günthard auf die Datenbank aus der ZPHI-Studie zurückgreifen.
Damit konnten die Forschenden um Günthard in einer früheren Forschungsarbeit zeigen, dass die Zahl der Viren im latenten Reservoir rund 90 Prozent geringer ist, wenn ein Patient schon früh eine antiretrovirale Behandlung erhalten hat. In einem nächsten Schritt wollen die Infektiologen nun untersuchen, ob Patienten mit geringerem Reservoir mit weniger Medikamenten auskommen können – es würde ihnen Nebenwirkungen und dem Gesundheitswesen Kosten ersparen. In einem anderen Teilprojekt will Günthard der Frage nachgehen, ob eine Behandlung mit Interferon in einer Frühphase der HIV-Ansteckung hilft, das latente Reservoir weniger anwachsen zu lassen.
Aus der klinischen Praxis der Behandlung von Patienten mit Immunschwächen hat sich der zweite Teilbereich des Klinischen Forschungsschwerpunktes ergeben. Das «Viral Metagenome Project» will Grundlagen schaffen, um die Behandlung von Menschen mit einer Immunschwäche (HIV-Infizierte, Kinder mit einer angeborenen Immunschwäche) sowie Patienten mit einem supprimierten Immunsystem (nach einer Organtransplantation oder einer Chemotherapie) zu optimieren.
Diese Patienten leiden wegen ihres geschwächten Immunsystems immer wieder an Durchfall, Hirnentzündungen oder Lungeninfektionen. Mit den gängigen Methoden der Diagnostik lassen sich die entsprechenden Erreger nicht befriedigend eruieren. «Bisher konnten wir nur nach Erregern suchen, die bereits bekannt sind. Neue diagnostische Methoden erlauben es jetzt aber, nach bisher unbekannten Viren zu suchen», erläutert KFSP-Co-Direktorin Alexandra Trkola.
Unter der Leitung von Trkola und KFSP-Co-Direktor Nicolas Müller fischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Medizinische Virologie insbesondere mit Hilfe des Next Generation Sequencing (NGS) in den Proben von Blut, Stuhl und Lungensekret nach bisher unbekannten Erregern.
Die Proben von HIV-Infizierten werden im Rahmen der Zurich Primary HIV Infection Study erhoben. Zusätzlich wurde für den KFSP am Universitätsspital Zürich und am Universitäts-Kinderspital Zürich je eine klinische Studie lanciert. Sie fokussieren am USZ auf Immunsupprimierte nach einer Lungen- und Nierentransplantation und am Kinderspital auf Kinder mit genetischen Immundefekten und solchen, bei denen eine Knochenmarktransplantation nötig war.
Technologien wie das Next Generation Sequencing erlauben es, das virale Gengut in grossem Stil zu analysieren und verschiedene Virustypen zu unterscheiden. Einen ersten Erfolg konnten die Forschenden bereits verbuchen: Es gelang ihnen, ein Virus als Auslöser einer Lungeninfektion nach einer Transplantation zu identifizieren, welches in der Routinediagnostik nicht identifiziert wurde.
«Die Studie ist vielversprechend und methodisch bisher insofern einzigartig, als sie die langjährige genaue Beschreibung der Symptome nutzt und beim Virenscan auch Kontrollgruppen einschliesst», so Trkola: «Dies bedeutet translationale Forschung in reinster Form, denn hier werden Grundlagenforschung, Diagnostik und Klinik verbunden.»
Das «Viral Metagenome Project» und die Zurich Primary HIV Infection Study (ZPHI) sind innerhalb des Klinischen Forschungsschwerpunktes eng verzahnt. Sie teilen sich eine Assistenzarzt- und eine Oberarztstelle, PhD-Studierende und Labors. Zudem findet im KFSP ein intensiver Austausch zwischen Grundlagen- und klinischen Forschenden statt.