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Stark vergrössert, mit unzähligen wuchernden und wassergefüllten Zysten übersät und in ihrer Funktion stark eingeschränkt. So sieht eine Zystenniere aus. Etwa 10 000 Menschen sind in der Schweiz von der Zystenniere betroffen, weltweit sind es rund 4.5 Mio. Menschen. Dabei ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, dass es sich bei diesem Leiden um eine der häufigsten lebensbedrohenden Erbkrankheiten handelt.
Zystenniere oder korrekt ausgedrückt die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) kommt bei Männern und Frauen gleich häufig vor. Da die Erkrankung dominant vererbt wird, genügt es, wenn das Gen vom Vater oder dasjenige der Mutter die defekte Erbinformation trägt. Leidet ein Elternteil an ADPKD, so beträgt die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, dass er die Krankheit an sein Kind weitergibt.
In der Kindheit verursacht die ADPKD selten Symptome. Anders im Erwachsenenalter. Dann können die Zystennieren Schmerzen und Blutungen verursachen. Ein Grossteil der Betroffenen entwickelt im Verlauf eine Niereninsuffizienz, die durch Dialyse oder Transplantation behandelt werden muss.
Bisher gab es keine wirksame Therapie der Zystennieren. In letzter Zeit sind jedoch vielversprechende Ansätze erforscht worden. Zwei davon verfolgt Meliana Riwanto, Postdoktorandin an der Klinik für Nephrologie und am Institut für Physiologie der Universität Zürich am Lehrstuhl von Professor Rudolf Wüthrich. Riwanto, ursprünglich Pharmazeutin aus Singapur, kam über ein Novartis-Forschungsprogramm nach Basel und von dort nach Zürich, wo sie bereits ihren Doktortitel erworben hat. Bei ihrem jetzigen Forschungsprojekt unterstützt sie der Forschungskredit der Universität Zürich.
Riwanto erklärt, dass der Schlüssel für eine wirksame Therapie der Zystenniere vermutlich darin liegt zu verstehen, wie sich Zellen der Zystenniere in ihrem Stoffwechsel von gesunden Körperzellen unterscheiden. Riwanto fokussiert auf die Unterschiede im Glucose-Stoffwechsel. Normale Körperzellen bauen Glucose durch oxidative Phosphorylierung ab. So gewinnen sie am meisten Energie.
Schon lange ist bekannt, dass Krebszellen für diesen Zweck stattdessen auf Glycolyse setzen. Diesen Weg scheinen auch Zellen der Zystenniere zu bevorzugen. Riwanto hat nun mit 2-Deoxyglucose (2-DG) Versuche durchgeführt. 2-DG ist ein glucose-ähnlicher Stoff, von dem man weiss, dass er die Glycolyse hemmt. Klinische Studien am Menschen haben gezeigt, dass 2-DG den Glucose-Abbau unterbindet und somit die Krebszellen quasi aushungert. Tatsächlich konnte auch Riwanto nach Verabreichung von 2-DG an Ratten mit Zystenniere beobachten, dass das Zystenwachstum verlangsamt war und sich in der Folge die Nierenfunktion bedeutend verbesserte. Dieser «proof-of-concept» soll jetzt noch weiter untersucht und in klinischen Studien erhärtet werden.
Daneben verfolgen Riwanto und das Team um Professor Wüthrich noch einen anderen Weg, nämlich den der microRNAs. Diese kleinen RNA Moleküle, die selber nicht in Proteine übersetzt werden, fungieren als Regulatoren bei der Proteinsynthese. Dabei binden die microRNAs an spezifische mRNA-Abschnitte und verhindern oder erleichtern dort die entsprechende Proteinbildung.
Für die Behandlung der Zystennieren arbeitet Riwanto an der Entwicklung von microRNAs, die an bestimmte mRNA-Abschnitte haften und so die Bildung der notwendigen Enzyme für die Glycolyse verhindern. Damit wird die Glycolyse gehemmt und die Auswirkung ist ähnlich wie bei der Behandlung mit 2-DG: Das Zystenwachstum wird verlangsamt und die Niere kann in erhöhtem Mass ihre Funktion als Entgiftungsstation und Regulatorin des Wasser- und Elektrolythaushaltes wahrnehmen. Diese Therapieform gilt als sehr vielversprechend, so dass in Zusammenarbeit mit Unitectra eine Patentanmeldung geprüft wird. Sollte es mit diesen zwei Ansätzen tatsächlich gelingen, den Weg bis zu einem zugelassenen und möglichst nebenwirkungsfreiem Therapeutikum zu schaffen, wäre dies für zahlreiche Patienten in der Schweiz und weltweit ein wahrer Hoffnungsschimmer.