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Eine grosse, blumenreiche Wiese im Frühsommer. Sie leuchtet in allen Farben. Die Biologin Karin Gross vom Institut für Systematische Botanik der UZH geht bedachtsam über die Grünfläche, sie interessiert sich für eine Pflanze ganz besonders. Es ist eine heimische Orchideenart, die Mückenhandwurz, mit dem botanischen Namen Gymnadenia conopsea. Den deutschen Namen verdankt die Pflanze der Form ihrer Blüten, die mit ihrem gebogenen Sporn an kleine Mücken erinnern.
Die einzelnen Exemplare der Mückenhandwurz auf der Wiese unterscheiden sich voneinander. Dort steht eine prächtige, mit lilavioletten Blüten, sie duftet auch anders als ihre Artgenossin, die nur einige Meter entfernt ein blasseres Leben fristet. Sie kommt farblich, als auch von der Grösse her, bescheidener daher. Der Unterschied liegt in der Genetik. Die ‚bescheidene’ Mückenhandwurz hat zwei, die üppige vier Chromosomensätze, die Biologen sprechen von diploiden oder tetraploiden Pflanzen.
Karin Gross ging für ihre Disseratation einer interessanten Forschungsfrage nach: Orientieren sich Bestäuber an der Farbe und bevorzugen sie die grösseren und üppigeren Orchideen mit dem kräftigen Violett?
Dazu hat sie das Verhalten des Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) untersucht. Es bevorzugt Orchideen, weil es mit seinem langen Rüssel den Nektar der Blüten gut aufnehmen kann. Anders als andere Schwärmerarten ist es nicht nachts, sondern tagsüber aktiv und fliegt von Orchidee zu Orchidee. Lässt es sich dabei von der Farbe leiten?
Das erstaunliche Ergebnis: Dem Taubenschwänzchen ist die Farbe egal. Es orientiert sich wahrscheinlich an der Grösse, der Anzahl der Blüten oder am Duft, nicht aber an der Farbe. Karin Gross‘ Studie wurde kürzlich im Journal «Annals of Botany» veröffentlicht.
Insekten nehmen die Farben der Blüten anders wahr als der Mensch. Das liegt an den unterschiedlichen Farbrezeptoren der Facettenaugen. Das Taubenschwänzchen kann die Farbe Rot nicht sehen. Dafür kann es Farben im UV-Bereich des Lichtes wahrnehmen, die für den Menschen unsichtbar sind.
Karin Gross hat mit speziellen lichtmessenden Verfahren wie der Spektrophotometrie die Farbreflexion der diploiden und der tetraploiden Blüten der Mückenhandwurz untersucht. Anschliessend verwendete sie Angaben über die Farbempfindlichkeit der Netzhaut-Rezeptoren des Schwärmers und analysierte die Farbwahrnehmung des Taubenschwänzchens.
So konnte sie nachweisen, dass überraschenderweise nicht die Blütenfarbe dafür verantwortlich ist, dass Taubenschwänzchen bevorzugt die prächtigsten Exemplare bestäuben. «Wahrscheinlich geben die Grösse, die Anzahl der Blüten und der Duft den Ausschlag», sagt die Biologin. Das ist aber erst eine Vermutung. Welches Kriterium die Taubenschwänzchen bei der Wahl ihrer Blüten tatsächlich leitet, muss erst noch erforscht werden.