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Pflanzenforschung aus dem All

Satelliten im Tandemflug

Die europäische Weltraumbehörde ESA setzt auf Pflanzenforschung aus dem All: Kürzlich gab sie der Satellitenmission FLEX grünes Licht. Sie soll Informationen zum Gesundheitszustand von Pflanzen weltweit liefern. Am Projekt sind Forschende des Geographischen Instituts der UZH beteiligt.
David Werner
«Die Nachfrage nach Satellitendaten über die Pflanzenwelt ist gewaltig», sagt Alexander Damm vom Geographischen Institut der UZH. (Bild zVg)

In welchen Gegenden der Welt leiden überproportional viele Pflanzen unter Klimaveränderungen oder unter Umweltverschmutzung? Wo geht die Artenvielfalt besonders dramatisch zurück? Wo verschlechtert sich die Bodenqualität? Satellitenfernerkundung macht es möglich, den Zustand der Vegetation auf dem ganzen Erdball im Zusammenhang zu erfassen. «Die Nachfrage in Forschung, Politik und Landwirtschaft nach solchen Daten ist gewaltig», sagt Alexander Damm vom Remote Sensing Laboratories (RSL) am Geographischen Institut der UZH.

Die Pflanzenforschung hat für die Europäische Weltraumbehörde ESA hohe Priorität. Im November gab sie einem Projekt namens «Fluorescence Explorer» den Zuschlag. «Fluorescence Explorer», kurz FLEX, ist ein Fernerkundungs-Satellit, der in knapp sieben Jahren auf seine Umlaufbahn um die Erde geschickt werden soll. Er soll hochauflösende Karten zur globalen Pflanzenaktivität auf dem Land wie im Wasser liefern. «In Kombination mit den zum Teil bereits angelaufenen Sentinel-Missionen der ESA wird das Projekt die Erdsystemforschung und die Biodiversitätsforschung substantiell voranbringen», so Damm. Neben Untersuchungen der Landvegetation wird es auch erstmals möglich sein, die Aktivität von Algen zu messen, womit sich neue Perspektiven für die Untersuchung der Wasserqualität eröffnen.

Das Glühen der Pflanzen messen

Herzstück der FLEX-Mission wird ein Spektrometer sein, das mit einer räumlichen Bildauflösung von 300 mal 300 Metern die sogenannte Chlorophyllfluoreszenz der Pflanzen aufzeichnet. Unter Chlorophyllfluoreszenz versteht man ein schwaches, von blossem Auge nicht zu erkennendes Lichtsignal, das Pflanzen im Zuge des Photosynthese-Prozesses aussenden.

Pflanzen fangen mithilfe des Pigments Chlorophyll Sonnenlicht ein und verwandeln es in Energie, mit der sie aus Kohlenstoffdioxid und Wasser Biomasse herstellen. Ein Teil der aus der Photosynthese gewonnenen Energie verpufft in Form von Wärme und Licht: Je mehr Photosynthese eine Pflanze betreibt, desto intensiver ist das Fluoreszenzsignal. Nimmt die Fluoreszenz ab, dann deutet dies zuverlässig darauf hin, dass die Pflanzen unter Stress stehen – zum Beispiel wegen Trockenheit, Hitze, Luftverschmutzung, Parasitenbefall oder wegen schlechter Bodenverhältnisse.

Erstmals ganze Ökosysteme im Blick

Mit der FLEX-Mission betreten die beteiligten Forschenden technologisches und wissenschaftliches Neuland. Methoden zur Quantifizierung der Pflanzenaktivität im Laborbereich sind zwar etabliert, es gibt auch bereits Erfahrungen mit entsprechenden Messungen vom Flugzeug aus – wobei aber immer nur einzelne Pflanzenarten beobachtet wurden. Vergleichbare Messungen ganzer Ökosysteme im globalen Massstab aber gab es bisher noch nie.

«Die schwachen Fluoreszenzsignale der Pflanzen aus einer Distanz von 815 Kilometern präzise und zuverlässig zu erfassen, ist eine gewaltige Herausforderung», sagt Damm. Das Vorhaben ist so komplex, dass es nur im Rahmen eines internationalen und interdisziplinär zusammengesetzten Forschungskonsortiums angegangen werden kann.  Forschungsgruppen aus Deutschland (Forschungszentrum Jülich), Spanien, Italien, Frankreich, Tschechien, den Niederlanden, Kanada und den USA arbeiten bei der Entwicklung der FLEX-Mission zusammen. Neben der Geographie sind Disziplinen wie die Atmosphärenphysik, die Biologie, die Ökologie und die Ingenieurwissenschaften in das Projekt involviert

Die Gruppe um Alexander Damm an der UZH beteiligt sich daran, die Anforderungen und Ziele der Mission präzise festzulegen und die Messverfahren zu verfeinern. Ausserdem testet die Gruppe zurzeit eine selbst entwickelte Softwareinfrastruktur zur Extraktion des Fluoreszenzsignals aus Spektrometermessungen.

Vom Weltall zur Pflanzenzelle

Zu Alexander Damms Aufgaben im Rahmen des FLEX Projekts gehört zudem, zusätzliche Umweltinformationen für die inhaltliche Interpretation der Fluoreszenzmessungen festzulegen. Dieser Teil des Projekts ist besonders anspruchsvoll. Er setzt Spezialwissen über Lichtreaktionen auf Zell- und Molekularebene voraus. An den Remote Sensing Laboratories (RSL) der UZH, die von Michael Schaepman geleitet werden, ist dieses Spezialwissen reichlich vorhanden. «Wir sind bekannt dafür», sagt Damm, «dass wir die grossflächige mit der kleinmassstäblichen Spektrometrie verbinden können. Das macht uns international zu einem gefragten Kooperationspartner bei Fernerkundungsprojekten.»

Satelliten-Duo teilt sich die Arbeit

Um die Daten, die der Fluorescence Explorer aus dem All zur Erde schicken wird, dereinst richtig interpretieren zu können, sind weiterführende Pflanzen- und Umweltdaten nötig. Man braucht zum Beispiel Informationen zur Temperatur, zum Chlorophyllgehalt der Pflanzen oder zur Vegetationsdichte. Einen Teil dieser Informationen wird der Sentinel 3 Satellit der ESA beschaffen: Er wird dem Fluorescence Explorer auf seiner Umlaufbahn im Abstand von sechs Sekunden folgen. «Dieser Tandemflug wird es ermöglichen, Vorgänge in der Pflanzenwelt wie Photosynthese, CO2-Aufnahme oder die Transpiration vom Wasserdampf im Kontext von Umweltveränderungen zu untersuchen», erklärt Damm. Sentinel 3 wird also die Umweltzustände erfassen, während FLEX messen wird, wie die Vegetation darauf reagiert.

Erfolgreiches Fernerkundungs-Programm

Die Remote Sensing Laboratories (RSL) des Geographischen Instituts der UZH sind sowohl an der FLEX-Mission als auch an wichtigen Komponenten des Sentinel-Programms der ESA beteiligt. Zwei Satelliten der Sentinel-Familie sind bereits im Umlauf um die Erde – Sentinel 1A und Sentinel 2A.

Sentinel 1A, der im Frühjahr 2014 ins All geschossen wurde, gehört zum Typus der Radarsatelliten. Er beleuchtet die Erdoberfläche aktiv und misst die zurück gestreute elektromagnetische Strahlung. Dabei liefert er beispielsweise Daten zu Erdbeben oder zur Bodenfeuchte, und er ermöglicht es, die Schneeschmelze in den Schweizer Alpen in einer nie zuvor dagewesenen räumlichen und zeitlichen Auflösung zu untersuchen. Bereits sind viele Erkenntnisse, die aus dem Datenmaterial von Sentinel 1A gewonnen wurden, in wissenschaftliche Publikationen eingeflossen.

Sentinel 2A ist seit Juni 2015 auf seiner Umlaufbahn. Er ist kein Radarsatellit, sondern wie FLEX ein passiv-optischer Satellit. Das bedeutet: er misst die von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenstrahlung. Ein besonderes Augenmerk dieser Mission liegt auf der Landvegetation. Für Sentinel 2A gehen in diesen Tagen die ersten Testphasen zu Ende, bereits können die ersten Daten der Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung gestellt werden. «Die Bilder, die Sentinel 2A bisher auf die Erde geschickt hat, sind enorm detailscharf – und überzeugen rundum», freut sich Damm.

Die Messdaten der Sentinel- und der FLEX-Mission werden sich also gegenseitig ergänzen: «Alle Missionen zusammen werden wertvolle Informationen über den Zustand der Erde liefern und es ermöglichen, Prozesse, die sich im Erdsystem abspielen, besser zu verstehen und besser prognostizieren zu können», sagt Damm.