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Woran spürt man eine Epochenschwelle, wie bemerkt man sie? Wird sie etwa nur in der Ex-post-Betrachtung erkennbar? Und bezogen auf unsere Zeit: ist die Epoche der Postmoderne nun vorbei, oder ist sie es nicht? Man erinnert sich an die eigenen Studienjahre zurück: Seit Beginn der 1980er-Jahre wird über die zeitliche, aber auch die inhaltliche Bestimmung dessen, was genau unter «postmodern» zu verstehen sei, diskutiert. Bezeichnend dafür ist ein Bonmot des Theoretikers Paul Atkinson: «Sobald man meint, die Postmoderne endlich niedergerungen (im Sinne einer Definition) zu haben, bricht sie wieder aus».
Aus und vorbei sei es mit der Postmoderne tatsächlich nicht. Postmodernes Denken bestimme die heutige Wissensproduktion weiterhin massgeblich, argumentierten die beiden Referenten Martino Stierli und Mechtild Widrich zum Auftakt der neuen Ringvorlesung der Universität Zürich unter dem Titel «Postmoderne. Zur Genealogie und globalen Aktualität eines umstrittenen Konzepts». Dies, obwohl Einiges auf ihr Ende hindeutet: Die Ausstellung «Postmodernism – Style and Subversion, 1970–1990» etwa, die 2012 im Landesmuseum zu sehen und vom Victoria and Albert Museum konzipiert worden war, begriff die Postmoderne erstmals als historische, in sich abgeschlossene Epoche.
Um die ungebrochene Wirkkraft der Postmoderne in der Gegenwart zu belegen, erläuterten die Referenten deren Resonanz in ihren Spezialdisziplinen, der Architektur (Martino Stierli) und der Performancekunst (Mechtild Widrich). Seit den 1960er-Jahren kann von der Entstehung einer postmodernen Theorie ausgegangen werden, wie Mechtild Widrich (Universität Basel/School of the Art Institute) ausführte. Hierbei spielten Impulse aus der Literaturwissenschaft eine Schlüsselrolle: 1959 wies Irwing Howe auf das niedrige Innovationsvermögen der damaligen zeitgenössischen Literatur zur vorausgegangenen Moderne hin und bezeichnete sie als «post modern».
Mit dieser Kritik war die entscheidende Debatte lanciert: Handelt es sich bei der Postmoderne um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt der Moderne in Form einer Fortschreibung respektive Ablehnung, oder lediglich um eine epigonale Aneignung eines vormaligen Vokabulars? Wie Mechtild Widrich zeigte, brachte die Kunst ab den 1960er-Jahren mit Performance, Installation, Land Art und Konzeptkunst durchaus wesentliche neue Strömungen hervor. Gemein ist ihnen die Ablehnung des Objekts und seiner ökonomischen Verwertbarkeit, die Präsenz des Betrachters, Intermedialität und Autonomie.
Martino Stierli, SNF-Förderungsprofessor am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich und ab März 2015 Chefkurator für Architektur und Design am Museum of Modern Art in New York, verwies seinerseits auf die Rolle der Architektur als zentrales Feld des postmodernen Diskurses. Er verwies auf die folgenreiche Debatte, die an der ersten Architekturbiennale 1980 unter dem Titel «The Presence of the Past – die Gegenwart der Vergangenheit» entflammte. Kernstück dieser Biennale war die so genannte Strada Novissima, eine fiktive Hauptstrasse mit Fassadenprojekten von zwanzig international renommierten Architekten. Kaum facettenreicher hätte man den historischen Eklektizismus der postmodernen Architektur dokumentieren können.
Dies nahm Jürgen Habermas zum Ausgangspunkt einer scharfen Kritik an der zeitgenössischen Architektur. Er erkannte darin einen Angriff auf das Projekt der Moderne aus neokonservativer Warte sowie eine unreflektierte Aneignung der Vergangenheit. Die Gegenposition zu Habermas formulierte der Literaturwissenschaftler Andreas Huyssen: Auch er diagnostiziert zwar eine nostalgische Sehnsucht nach Geschichte. Er wertete sie aber vielmehr als eine kritische Auseinandersetzung mit früheren Stilen, was er mit einer Reihe von Beobachtungen unterlegte: dem technischen Optimismus der frühen Postmoderne etwa oder der Hinwendung zum Trivialen, Populären als sichtbarem Beweis eines neuen Paradigmas.
Im Gegensatz zu Theoretikern wie Charles Jencks, der den Tod der Moderne genau datierte (auf den 15.7.1972, den Zeitpunkt der Sprengung von Pruitt-Igoe, einem gescheiterten Projekt des sozialen Wohnungsbaus in St. Louis), glaubt Martino Stierli nicht an einen Bruch mit der Moderne. Vielmehr beobachtet er eine kontinuierliche Revision der Moderne sowie den Versuch, die Postmoderne in eine kritische, bewusste und schöpferische Epoche zu transformieren. Niedergerungen ist also weder die Epoche noch die Diskussion um die Postmoderne.