Navigation auf uzh.ch
Mikrobiologen haben herausgefunden, dass sich Bakterienangriffe statt mit Flächenbombardements – so etwa kann man sich Antibiotikabehandlungen vorstellen – eher mit moderner Kriegsführung abwehren lassen. «Wir tun ungefähr das, was man in militärischen Konflikten heute als Erstes tut: Wir versuchen, die Kommunikation in der Truppe zu stören», sagt Leo Eberl, Professor am Institut für Pflanzenbiologie. Denn, so weiss die Wissenschaft inzwischen, Bakterien sprechen sich ab, bevor sie ihre Offensiven starten.
Die Kommunikation unter Bakterien geschieht über Signalmoleküle. Jedes Bakterium schickt kleine Boten los, um herauszufinden, ob und wie viele Artgenossen sich in seiner Nähe befinden. Treffen die Signalmoleküle auf eine grössere Menge Gleichgesinnter, beeinflusst dies das Verhalten der Bakterien. Diese rotten sich zusammen und marschieren gemeinsam los. «Quorum sensing» nennen Mikrobiologen den Vorgang. Die Bakterien ermitteln also ihr Quorum, die kritische Grösse, die sie brauchen, um koordiniert und erfolgreich anzugreifen.
Wer die Kommunikation von Bakterien stört, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er blockiert einerseits die Virulenz der Bakterientätigkeit und löst andererseits den Biofilm auf, in dem sich die Bakterien verschanzen.
Das ist ein völlig neuer Ansatz im Kampf gegen bakterielle Infektionen. Bisher versuchte man stets, mit Antibiotika Bakterien grossräumig zu zerstören. Die Mikrobiologie beschreitet einen anderen Weg. Sie will Bakterien nicht mehr killen, sondern austricksen und neutralisieren, damit das menschliche Immunsystem wirksam bleibt und nicht durch antibiotischen Dauerbeschuss kraftlos wird. Wobei auch hier – so gibt Eberl gerne zu – ein Kompromiss wohl sinnvoll ist: das eine tun und das andere nicht gleich lassen.
Und wie so oft hat die Natur in dieser Hinsicht bereits vorgesorgt. Im gemeinen Knoblauch, so Eberl, seien beide Methoden – neutralisieren und notfalls auch killen – im Grunde schon angelegt. Was den Knoblauch vom Geruch und vom Geschmack her so besonders macht, sind die ihm eigenen Schwefelverbindungen Ajoen und Allicin. Und genau sie sind die Waffen, mit denen Bakterien zu schlagen sind. Ajoen vermag jene Rezeptoren im Bakterium zu blockieren, welche die Botschaften der Signalmoleküle empfangen. Und sind die Rezeptoren blockiert, erfährt das Bakterium nichts von den vielen Artgenossen in seinem Umfeld.
Reicht es also, den Braten oder die Spaghettisauce tüchtig mit Knoblauch zu würzen? «Leider nein», lacht Eberl. «Um eine medizinisch wirksame Dosis zu erreichen, müsste man jeweils zehn ganze Knoblauchknollen verzehren. Nicht zehn Zehen, zehn Knollen!» Auch die handelsüblichen Knoblauchtabletten seien unbrauchbar: «Die Wirkstoffe des Knoblauchs sind viel zu flüchtig, um auf diese Art in den Körper zu gelangen.»
Eberl und sein Team haben deshalb damit begonnen, Ajoen und Allicin als Reinsubstanz zu extrahieren und synthetisch herzustellen. «Das war nicht einfach», sagt Leo Eberl, «denn Schwefelsubstanzen sind schwer zu handhaben. Die Chemiker mögen sie nicht.» Von der Entdeckung des Knoblauchs als Geheimwaffe bis zur erfolgreichen Synthetisierung dauerte es denn auch acht lange Jahre.
Jetzt endlich sind erste Kliniktests mit dem künstlichen Knoblauch erfolgt. Patienten mit zystischer Fibrose erhielten die Substanzen mit Verneblern direkt in die Lunge appliziert. Werden sie gesund? «Die Frage kommt zu früh», sagt Eberl, «aber die Tendenz ist gut.»