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Das Witwatersrand-Becken in Südafrika enthält entlang eines 200 Kilometer langen Streifens in der Nähe von Johannesburg die grössten Goldvorkommen weltweit. Einzelne Erzlager erstrecken sich in dünnen Schichten über eine Fläche von zehn mal zehn Kilometern und enthalten mehr Gold als alle anderen Goldvorkommen der Welt. 40 Prozent des bis zum heutigen Tag geförderten Edelmetalls kommt aus dieser Gegend, und noch immer schlummern Vorräte von Hunderten von Tonnen unter der Erde.
Wie diese riesigen Lagerstätten entstanden sind, sorgt nach wie vor für Debatten unter Geologen. Christoph Heinrich, Professor für Rohstoffgeologie an der ETH und der Universität Zürich, hat nun in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» einen neuen Erklärungsansatz veröffentlicht, der die Widersprüche der beiden bisherigen Theorien lösen könnte.
Die heute vorherrschende «Waschgold-Theorie» besagt, dass das Gold im Witwatersrand als metallische Partikel auf mechanischem Weg in Fluss-Sedimenten transportiert und angereichert wurde. Nach demselben Prinzip erklärt man sich etwa die wirtschaftlich unbedeutenden Vorkommen bei Disentis, wo Nuggets von Waschgold lokal im Kies des Flusses angereichert wurden. Waschgold braucht jedoch in der Nähe eine erodierende Quelle von primärem Gold. So gibt es denn in der Nähe des Bündner Ortes tatsächlich goldhaltige Quarzadern.
Im unmittelbaren Untergrund des Witwatersrand-Beckens fehlen allerdings ausreichend grosse Quellen. Dies ist eines der Hauptargumente der Befürworter der «Hydrothermal-Theorie». Diese besagt, dass das Gold chemisch gelöst in heissen Fluiden in die Sedimentlagen gelangte, aber erst eine halbe Milliarde Jahre nach deren Anlagerung. Um die für diesen Prozess nötigen Drucke und Temperaturen zu erzeugen, wäre allerdings eine zehn Kilometer dicke Decke von späteren Sedimenten erforderlich. Auch widerspricht die Hydrothermal-Theorie klaren geologischen Evidenzen, wonach die Goldanreicherung bereits während der Sedimentbildung an der damaligen Erdoberfläche stattgefunden haben muss.
Christoph Heinrich präsentiert einen Mittelweg der beiden Theorien – eine Goldanreicherung an der Erdoberfläche, durch fliessendes Flusswasser, aber in chemisch gelöster Form. Damit liesse sich das Gold problemlos aus einem viel grösseren Einzugsgebiet von verwitternden, leicht goldhaltigen Gesteinen «einsammeln».
Der Rohstoffexperte hat seine Idee geprüft, indem er die chemische Löslichkeit des Edelmetalls in Oberflächenwässern unter den damals vorherrschenden Atmosphären- und Klimabedingungen berechnet hat. Die experimentellen Daten zeigen, dass ein chemischer Goldtransport möglich war. Voraussetzung dafür ist, dass das damalige Regenwasser zumindest zeitweilig sehr reich an Schwefelwasserstoff war. Schwefelwasserstoff verbindet sich in den verwitternden Böden mit weit verteilten Spuren von Gold zu Gold-Sulfid-Komplexen, was die Goldlöslichkeit um viele Grössenordnungen erhöht.
Schwefelwasserstoff in der Atmosphäre und schwefelige Goldkomplexe im Flusswasser sind jedoch nur in Abwesenheit von freiem Sauerstoff über längere Zeit stabil. «Da müssen ziemlich hässliche Umweltbedingungen geherrscht haben, wie sie nur im Archaikum vor drei Milliarden Jahren möglich waren», sagt Heinrich. «Es braucht hierzu eine sauerstofffreie Atmosphäre, die zeitweilig sehr reich an dem nach faulen Eiern riechenden Schwefelwasserstoff gewesen sein muss.» In der heutigen Atmosphäre oxidiert Sauerstoff jeglichen Schwefelwasserstoff und zerstört die Schwefelkomplexe von Gold in kurzer Zeit, weshalb Gold in heutigem Flusswasser praktisch unlöslich ist.
Um die Schwefelkonzentration im archaischen Regenwasser ausreichend zu erhöhen, brauchte es gleichzeitig basaltischen Vulkanismus von gigantischem Ausmass. Tatsächlich gibt es in anderen Gegenden Südafrikas gute Evidenz für riesige Basalteruptionen zur Zeit der Goldanreicherung.
Ein dritter Faktor, der zur Bildung des Goldvorkommens von Witwatersrand geführt haben muss, ist ein geeigneter Ort zur konzentrierten Ausfällung des Goldes. Die reichsten Golderze in diesem Becken finden sich in kohlenstoffreichen Lagen, welche oft nur millimeter- bis zentimeterdick sind, sich aber über viele Kilometer erstrecken können. Diese dünnen Lagen enthalten derart hohe Goldkonzentrationen, dass sich ein Abbau in knapp meterhohen Stollen selbst in drei Kilometern Tiefe unter der heutigen Erdoberfläche noch lohnt.
Der Kohlenstoff ist vermutlich durch das Wachstum von Bakterienrasen am Boden von flachen Seen entstanden, und hier hat sich nach Heinrichs Interpretation auch das gelöste Gold bevorzugt chemisch abgeschieden.
Die Natur dieser frühen Lebensformen ist wenig bekannt. «Es ist denkbar, dass die primitiven Organismen das Gold aktiv adsorbierten», spekuliert Heinrich, «aber eine einfache chemische Reduktion von schwefelkomplexiertem Gold im Wasser zu elementarem Metall am organischen Material reicht für eine reiche ‚chemische Vergoldung’ des Bodens der flachen Seen aus.»
Die weltweit einmaligen Goldlagerstätten im Witwatersrand können sich demnach nur in einer bestimmten Periode der Erdgeschichte gebildet haben: Nach der Entwicklung der ersten kontinentalen Lebensformen in seichten Seen vor mindestens drei Milliarden Jahren, aber vor dem ersten Auftreten von freiem Sauerstoff in der Erdatmosphäre vor etwa 2,5 Milliarden Jahren.
Christoph Heinrich versteht das soeben veröffentlichte Paper als «Ideeninput», der zu weiteren geologischen und biogeochemischen Arbeiten, aber auch zu neuen Überlegungen für die Erkundung von Goldvorräten in anderen Gebieten der Erde anregen könnte.