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Frau Biller-Andorno, Sie leiten das Institut für Biomedizinische Ethik. Nun wird dieses Institut zusammen mit dem Lehrstuhl für Medizingeschichte unter einem Dach vereint zum «Center for Medical Humanities». Sie werden das neue Zentrum leiten. Welche Vorteile bringt diese Neuausrichtung für die Medizinerausbildung?
Biller-Andorno: Seit einigen Jahren gibt es in der Schweiz Bemühungen, die Sozial- und Geisteswissenschaften in der Medizinerausbildung besser zu verankern. Im Fall der Ethik ist das an der UZH sehr gut gelungen: Es gibt Kurse im ersten und dritten Studienjahr, verschiedene Module im fortgeschrittenen Medizinstudium und sogar ein PhD-Programm. Jetzt besteht die Gelegenheit, dieses Angebot mit anderen Disziplinen zu koordinieren und zu vernetzen, in erster Linie zunächst mit der Medizingeschichte, aber künftig nach Möglichkeit auch mit weiteren Disziplinen wie der Wissenschaftstheorie, der Anthropologie, der Soziologie oder den Literatur- und Kulturwissenschaften.
Können Sie ein Beispiel für die interdisziplinäre Zusammenarbeit nennen?
Biller-Andorno: Wenn ich mich als Ärztin oder Arzt sterbenden Menschen zuwenden soll, brauche ich eine moralische Position. Dabei hilft mir ein Verständnis der aktuellen ethischen Prinzipien, aber auch ein Wissen darüber, wie sich die Debatte um die Sterbehilfe historisch entwickelt hat. Kultur- und Sozialwissenschaften helfen, die Werte und Prioritäten von Gesellschaften und Gruppen zu verstehen und kritisch zu hinterfragen.
Professor Condrau und ich wollen das Potenzial der Medical Humanities in Forschung und Lehre so einsetzen, dass unsere zukünftigen Medizinerinnen und Mediziner davon profitieren. Übrigens sind wir da ganz auf einer Linie mit den Forderungen der Schweizer Akademien der Wissenschaften, die sich für eine Stärkung der «Medical Humanities» stark machen. An ausländischen Universitäten, besonders in England und den USA, gehören die Medical Humanities längst zum Lehrplan.
Wie muss man sich die Umsetzung in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern vorstellen?
Biller-Andorno: Ein Beispiel ist ein neues Lehrangebot für Medizinstudierende im letzten Jahr, das wir derzeit gemeinsam mit dem Studiendekanat der Medizinischen Fakultät und mit Kollegen aus der klinischen Praxis entwickeln. Hinterfragt werden ärztliche Rollen: Was ist eine gute Ärztin, ein guter Arzt, wo bestehen Grenzen ärztlichen Handelns?
Werden Professor Condrau und Sie auch im Bereich der Forschung zusammenspannen?
Biller-Andorno: Wie die Zusammenarbeit in der Forschung aussehen wird, müssen wir noch definieren. Professor Condrau und ich haben aber bereits über einige Schnittstellen unserer aktuellen Arbeits- und Interessensgebiete gesprochen. Dazu zählen Themen wie der assistierte Suizid oder auch das Enhancement, womit die Leistungssteigerung mit psychoaktiven Substanzen aller Art gemeint ist. Beide Themen eignen sich für eine Bearbeitung sowohl aus historischer wie auch aus ethischer Perspektive. Wir wollen nun ausloten, inwiefern ein interdisziplinärer Ansatz mehr leisten kann als eine rein fachspezifische Betrachtungsweise.