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Gedächtnisspuren werden über starke elektrische Impulse gebildet, so die bisher anerkannte Theorie. Tatsächlich kann man aber im Hippocampus – dem für die Bildung von Erinnerungen unerlässlichen Hirnteil – solche Aktivität der Nervenzellen nur selten feststellen.
Neurowissenschaftler der UZH erkannten nun, dass es andere Impulse sind, die Erinnerungen einprägen – schwache, dafür hochfrequente Impulse. Ihre Erkenntnisse legten Professor Urs Gerber und Doktorand Federico Brandalise vom Institut für Hirnforschung der UZH jüngst in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) dar.
Fehlende Aktionspotenziale
Dem Hippocampus werden laufend Informationen aus den anderen Bereichen des Gehirns als elektrische Impulse über den Moosfaserpfad – einen Nervenstrang – zugeführt. Bisher ging man davon aus, dass das Abspeichern von Informationen so genannte Aktionspotenziale in den Zielzellen erfordert: starke elektrische Impulse, die von Synapse zu Synapse weitergeleitet werden. Je öfter dieselbe Information übermittelt wird, desto öfter feuern dieselben Synapsen Aktionspotenziale ab, und die Vernetzungen zwischen den Nervenzellen verdichten sich. Man spricht von «synaptischer Plastizität». Bestimmte Zellen im Hippocampus werden zu Gedächtnisspuren vernetzt, die Erinnerung wird eingeprägt.
Allerdings ist in den Nervenzellen des Moosfaserpfads erstaunlich wenig Aktivität zu beobachten. Somit rufen diese Nervenzellen zu selten Aktionspotenziale in den Netzwerken des Hippocampus hervor, um die Erzeugung von Gedächtnisspuren zu erklären. Deshalb richteten Gerber und Brandalise ihre Aufmerksamkeit auf einen bisher unterschätzten Aspekt der Kommunikation zwischen Nervenzellen: auf die «unterschwelligen Signale».
Blocker brachten es zum Vorschein
Aktionspotenziale sind «überschwellige Signale». Die Schwelle bezeichnet jenen Grenzwert elektrischer Spannung, der erreicht werden muss, um eine Nervenzelle in genügendem Masse anzuregen. Nur so kann synaptische Plastizität stattfinden. Wird der Grenzwert nicht erreicht, so ist das Signal «unterschwellig» und hat keine Wirkung – so die bisherige Vorstellung.
Die Zürcher Neurowissenschaftler machten aber ein Experiment, bei dem sie überschwellige Signale gänzlich ausschlossen. «Mittels eines Blockers konnten wir sicherstellen, dass keine Aktionspotenziale auftraten – trotzdem wurden Gedächtnisspuren gebildet», erklärt Gerber den überraschenden Ausgang.
Damit steht fest, dass unterschwellige Signale für Gedächtnisspuren eine wichtige Rolle spielen. Mehr noch: Gerber und Brandalise gehen gar davon aus, dass die unterschwelligen Signale schon allein synaptische Plastizität erzeugen können.
Die schwachen, aber hochfrequenten Signale sind nämlich in der Lage, den sogenannten NMDA-Rezeptor zu aktivieren. «Wird eine kritische Anzahl benachbarter NMDA-Rezeptoren aktiviert, so folgt eine explosionsartige Aktivierung unzähliger weiterer Rezeptoren, was NMDA-Spike genannt wird. Das wiederum bewirkt eine lokale Zunahme der Calcium-Konzentration, wodurch schliesslich die synaptische Plastizität eintritt», fasst Gerber die Beobachtungen zusammen. Und räumt mit der bisherigen Vorstellung auf: «Wir vertreten die Ansicht, dass Aktionspotenziale lediglich helfen können, den NMDA-Spike zu erzeugen, aber selber nicht zu synaptischer Plastizität führen.»
Modelle im Trend
Gemäss Gerber ist die Studie primär für die Grundlagenforschung von Bedeutung. Modelle seien in der Neuroforschung derzeit im Trend. So sei es das ambitionierte Ziel des Human Brain Project, mit Supercomputern das menschliche Hirn zu simulieren. «Für die Modellierung von Gedächtnisvorgängen wird unsere Entdeckung einen wichtigen Beitrag leisten», so Gerber.