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Caroline Maake: Verglichen mit dem Entwurf, der letztes Jahr in einer Art Pilot-Vernehmlassung diskutiert wurde, sehe ich grosse Fortschritte. In einzelnen Punkten wünsche ich mir Korrekturen, im Grossen und Ganzen gehen die Vorschläge für mich aber in die richtige Richtung. Ich bin glücklich darüber, wie der Prozess der Entscheidungsfindung diesmal abläuft. Wir Privatdozierenden wurden von Anfang an einbezogen, und unserer Stimme wird Gewicht beigemessen, das weiss ich zu schätzen.
Herr Kersten, sind aus Ihrer Sicht Neuregelungen überhaupt nötig?
Wolfgang Kersten: Sie sind überfällig. Die heutigen Regelungen entsprechen nicht mehr der Realität, und sie sind in verschiedener Hinsicht ungerecht.
Herr Hengartner, an der UZH lehren und forschen rund 1000 Privatdozierende. Was hat die UZH an ihren Privatdozierenden?
Michael Hengartner: Privatdozierende sind ausgewiesene Forschende und Dozierende. Mit der Habilitation verfügen sie über ein Qualitätsmerkmal, das sie von anderen unterscheidet. Sie tragen erheblich zur Diversität der UZH bei. Ohne sie wäre das Spektrum der an der Universität Zürich versammelten Kompetenzen nicht so breit, dank ihnen kann die UZH das reichhaltigste Lehrangebot aller Schweizer Universitäten anbieten. Ausserdem sind die Forschungsleistungen, Publikationen und Drittmitteleinwerbungen der Privatdozierenden ein grosser Erfolgsfaktor der UZH.
1. Titularprofessur
Viele Privatdozierende sind hauptamtlich ausserhalb der UZH tätig, zum Beispiel als Ärztinnen oder als Richter, als Gymnasiallehrerinnen, als Pfarrer oder als Mitarbeiter einer anderen Forschungsinstitution. Hat die UZH ein Interesse daran, weiterhin «Externe» dafür zu gewinnen, Lehrveranstaltungen an der UZH durchzuführen?
Michael Hengartner: Ganz klar. Die externen Dozierenden nehmen eine wichtige Brückenfunktion wahr. Es wäre gut, wenn wir gezielter als bisher Anreize setzen könnten, um besonders qualifizierte und interessante Externe für die Lehre an der UZH zu gewinnen.
Wird das durch die vorgeschlagenen Neuregelungen gelingen?
Michael Hengartner: Mit der Neuregelung der Titularprofessur, die wir vorschlagen, hätten wir eine Möglichkeit dazu: Zu Titularprofessorinnen und -professoren sollen speziell qualifizierte Personen ernannt werden, die hauptamtlich ausserhalb der UZH tätig sind, zum Beispiel an einem Gymnasium, einem Gericht oder an einer anderen Forschungsinstitution. Auch die universitären Spitäler gelten als auswärtiger Arbeitsort. Hauptamtlich an der UZH angestellte, also «interne» Dozierende, sollen keine Titularprofessur mehr erhalten. Die Bedingung für eine Titularprofessur, vorgängig mindestens sechs Jahre an der UZH gelehrt zu haben, entfällt. Und: Im Unterschied zur heutigen Regelung können im vorgeschlagenen Modell sowohl Habilitierte wie nicht Habilitierte, Personen mit oder ohne PD-Titel Titularprofessor werden.
Was würde bei der Einführung dieser Regelung mit jenen geschehen, die heute Titularprofessorinnen und -professoren sind und die neuen Bedingungen nicht erfüllen?
Michael Hengartner: Sie behalten ihren Titel.
Die Titularprofessur wird ganz neu definiert. Was ist aus Sicht der Privatdozierenden davon zu halten?
Wolfgang Kersten: Die Absicht, ein spezifisches Instrument zu schaffen, um Externe an die UZH zu binden, finde ich gut. Ich zweifle aber daran, ob es richtig ist, für diesen Zweck einen schon bestehenden Titel neu zu definieren. Wer Titel umdeutet, riskiert, sie zu entwerten. Auf dem Platz Zürich ist die Titularprofessur seit langem etabliert, es ist ein bekannter, sehr hoch angesehener und deshalb begehrter Titel. Man weiss, dass er nicht ehrenhalber verliehen wird, sondern an klare Leistungskriterien gebunden ist. Werden die an eine Titularprofessur geknüpften Ansprüche gesenkt, sinkt auch das damit verbundene Ansehen. Das wäre ein Verlust für jene, die ihren Titel mit Stolz tragen und viel Zeit und Mühe investiert haben, um ihn zu erlangen.
Caroline Maake: Und es wäre auch ein Verlust für die Universität. Die UZH profitiert doch zur Zeit eindeutig von der grossen Zahl hochqualifizierter Privatdozierender, die sich in Aussicht auf eine Titularprofessur, beziehungsweise für den Erhalt des Titels, stark und erfolgreich in Lehre und Forschung engagieren. Mit der geplanten Neudefinition der Titularprofessur würde das wegfallen. Was die Lehre betrifft, besteht die grosse Gefahr, dass akademisch weniger gut Qualifizierte aus dem Mittelbau dann wohl in die Bresche springen müssten – was erstens kein Gewinn für die Lehrqualität an der UZH wäre und zweitens die Nachwuchsforschenden zusätzlich belasten würde.
Michael Hengartner: Die Idee ist ja nicht, die Qualität zu senken. Es ist völlig klar: Wir müssen diszipliniert vorgehen bei der Auswahl unserer Dozierenden, damit wir die Leute bekommen, die wir wollen. Es geht also darum, die Bedingungen für Titularprofessorinnen und -professoren zu ändern, ohne sie zu lockern.
Warum soll die Habilitation keine Voraussetzung mehr für eine Titularprofessur sein?
Michael Hengartner: Weil die Habilitation längst nicht mehr der einzige Weg ist, sich für eine Professur zu qualifizieren. Traditionell verankert ist die Habilitation nur im deutschsprachigen Raum, und auch hier haben sich im Zuge der Internationalisierung der Universitäten alternative Qualifikationsformen etabliert – in einigen Fachbereichen mehr, in anderen weniger. An der Mathematisch-naturwissenschaftlichen und an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der UZH werden kaum mehr Habilitationen angestrebt.
Die Universität Zürich will sich weiter internationalisieren, sie ist offen für fähige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt. Dazu passt es nicht, Personen zu benachteiligen oder gar auszuschliessen, die ihre akademische Karriere ganz oder teilweise in nicht-deutschsprachigen Ländern gemacht haben, oder in Fächern, in denen die Habilitation nicht üblich ist. Schon im unmittelbaren Umfeld der UZH, zum Beispiel an Forschungseinrichtungen der ETH, mit denen wir eng zusammenarbeiten, gibt es viele hochqualifizierte Forschende, die nicht habilitiert haben. Ich würde es sehr begrüssen, wenn es gelänge, einige von ihnen durch Ernennung zu Titularprofessorinnen und –professoren enger an die UZH zu binden.
Herr Kersten, befürchten Sie, dass die bisherige Bedeutung der Habilitation relativiert wird, wenn zukünftig auch Nicht-Habilitierte zu Titularprofessorinnen und -professoren ernannt werden können?
Wolfgang Kersten: Nein, das befürchte ich nicht, denn die hohen Ansprüche, die an eine Habilitation gestellt werden, werden ja grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Ich befürchte aber eine Abwertung der Titularprofessur, wenn die Vergabe nicht an strenge und unzweideutige Kriterien geknüpft wird. Die Habilitation und deren Publikation waren bisher solche Kriterien, weitere kommen je nach Fakultät hinzu. Im vorliegenden Entwurf sind diese Kriterien meines Erachtens noch nicht mit der nötigen Schärfe formuliert.
Wäre hier mehr Klarheit möglich, Herr Hengartner?
Michael Hengartner: Man muss so vorgehen, wie wir es bei der Ausschreibung von ordentlichen und ausserordentlichen Professoren tun, wo wir jeweils festhalten, dass eine Habilitation oder eine gleichwertige Qualifikation vorausgesetzt wird. Das ist ein einfaches, klares Kriterium, mit dem man gut operieren kann und das sich an der UZH durchgesetzt hat.
Caroline Maake: Damit wäre ich einverstanden. Man muss aber in jedem Einzelfall darauf achten, dass dieses Kriterium konsequent, transparent und sorgfältig angewendet wird, damit nicht der Eindruck entsteht, eine Titularprofessur würde willkürlich oder aus Gefälligkeit vergeben.
Bisher mussten Anwärter auf eine Titularprofessur den Nachweis erbringen, dass sie schon mindestens sechs Jahre an der UZH gelehrt haben. Warum wird dies in der vorgeschlagenen Neuregelung nicht mehr vorausgesetzt?
Michael Hengartner: Die Voraussetzung einer mehrjährigen Lehrtätigkeit an der UZH würde nicht zur neuen Zielsetzung passen, mit der Titularprofessur interessante externe Personen für ein Engagement an der UZH zu gewinnen.
Caroline Maake: Der Nachteil ist, dass man damit die Schwelle zur Erlangung einer Titularprofessurs potentiell heruntersetzt – was wiederum eine Abwertung des Titels bedeutet.
Michael Hengartner: Ich glaube nicht, dass wir eine Entwertung des Titels riskieren. Ordentliche Professorinnen und Professoren müssen auch nicht vorgängig an der UZH gelehrt haben, um berufen werden zu können.
Mit der Titularprofessur sollen künftig Personen an die UZH gebunden werden, die Brücken zwischen der Universität und anderen Gesellschaftsbereichen bauen können. Besteht nicht die Gefahr, dass man den Kreis der dafür in Frage kommenden Personen zu stark einengt, wenn man die Titularprofessur weiterhin an einen sehr hohen akademischen Leistungsausweis knüpft?
Caroline Maake: Unser Stand wehrt sich nicht dagegen, externe Personen für die Lehre zu gewinnen, die weder eine Habilitation noch eine äquivalente akademische Qualifikation vorweisen können. Die Frage ist, welchen Titel man diesen Personen verleihen will. Wählt man die Titularprofessur, läuft man in Gefahr, die bisherigen Titularprofessorinnen und -professoren zu brüskieren. Sie haben härtere Bedingungen erfüllt, um diesen Titel zu erlangen.
Wolfgang Kersten: Ich plädiere für einen anderen Titel, zum Beispiel die Honorarprofessur. Bei diesem Titel ist jedem klar, dass dafür keine Habilitation vorausgesetzt wird.
Michael Hengartner: Ich höre immer wieder den Wunsch, dass wieder mehr Mittelschullehrer an der UZH lehren sollten, um eine engere Anbindung der Mittelschulen an die UZH zu gewährleisten. Die allerwenigsten Mittelschullehrer verfügen aber über eine Habilitation oder über eine gleichwertige akademische Qualifikation. Ähnlich verhält es sich wohl bei Richtern oder Pfarrern. Vielleicht sollten wir für diese Gruppe von externen Universitätsdozierenden tatsächlich den Titel der Honorarprofessur einführen. Dieser Vorschlag ist im Vorfeld der Vernehmlassung auch schon gemacht worden, und ich bin gern bereit, ihn nochmals zu diskutieren.
2. Professur ad personam
Wir haben bisher von den externen Dozierenden gesprochen. Sprechen wir nun von den internen – jenen, die hauptamtlich als wissenschaftliche Mitarbeitende oder Oberassistierende an der UZH angestellt sind. Sie sollen in Zukunft nicht mehr zu Titularprofessoren oder –professorinnen ernannt werden können. Ist dafür ein Ersatz vorgesehen, Herr Hengartner?
Michael Hengartner: Mehr als ein blosser Ersatz. Wir schlagen vor, vermehrt bewährte und hochqualifizierte Dozierende, die ein wichtiges Forschungsgebiet vertreten, zu voll- oder teilzeitlich beschäftigten Professorinnen und Professoren ad personam zu ernennen. Die Ernennung erfolgt durch die Fakultäten jeweils für sechs Jahre – mit Option auf Verlängerung. Professoren ad personam sind Mitglieder ihrer jeweiligen Fakultät und haben während der Dauer ihrer Anstellung dieselben Rechte und Pflichten wie Lehrstuhlinhaberinnen oder -inhaber.
Das heisst, es sollen nach der Einführung der neuen Regelung mehr Professuren geschaffen werden?
Michael Hengartner: So ist es.
Ist das finanziell für die UZH machbar?
Michael Hengartner: Ja. Es kostet die Universität jährlich nur etwa 50'000 Franken, einen wissenschaftlichen Mitarbeiter zu einem Professor zu befördern. Mit so geringen Mehrkosten kommt die Universität sonst nicht zu einer neuen Professur. Und der Nutzen, den wir davon haben, übersteigt die Kosten bei weitem: Wir erhalten mehr motivierte Dozierende, wir verbessern die Betreuungsverhältnisse und wir erhöhen die internationale Sichtbarkeit der UZH.
Frau Maake und Herr Kersten, Sie arbeiten beide hauptberuflich an der UZH und gehören damit zur kleinen Gruppe der internen Privatdozierenden. Was halten Sie davon, dass mehr Professuren ad personam geschaffen werden sollen?
Caroline Maake: Ich begrüsse dieses Vorhaben sehr, denn die heutige Situation ist ungerecht. Viele interne Privatdozierende leisten nicht nur exzellente Arbeit in Forschung und Lehre, sondern engagieren sich darüber hinaus auch in der universitären Selbstverwaltung, im Bereich der universitären Dienstleistungen, in der Weiterbildung – und dies oft über Jahre hinweg. Sie sind also nicht selten wie gewählte Professorinnen und Professoren am Erfolg der Universität Zürich beteiligt, haben aber als Titularprofessorinnen oder -professoren nur sehr begrenzte Mitbestimmungsrechte in den Instituten und in der Fakultät.
Wolfgang Kersten: Dazu kommt, dass es für Privatdozierende besonders schwierig geworden ist, innerhalb der UZH beruflich weiterzukommen, seitdem so genannte Hausberufungen eher unüblich geworden sind. Oft bleiben sie bis zur Pensionierung Oberassistierende oder wissenschaftliche Mitarbeitende. Dies ist ein deutliches Manko in der Nachwuchsförderung der UZH. Die Ernennung von mehr Professorinnen und Professoren ad personam würde für mehr Durchlässigkeit sorgen. Die beruflichen Perspektiven der Privatdozierenden würden sich erheblich verbessern, – durchaus auch zum Vorteil der UZH.
Michael Hengartner: Auch ich kenne persönlich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die eine Professur ad personam verdient hätten, aber mit einer Titularprofessur abgespiesen wurden. Das geht nicht, da bin ich mit Ihnen einig. Wer wissenschaftlich qualifiziert ist und sich über Jahre in seiner Fakultät engagiert, soll auch voll dazugehören und mitbestimmen können.
Vertrauen Sie darauf, dass in Zukunft tatsächlich deutlich mehr Professuren ad personam geschaffen werden?
Wolfgang Kersten: Eigentlich schon, denn die Universität kann ja, wie gesagt, nur profitieren. Dennoch würde ich mir wünschen, dass dieses Vorhaben verbindlich in der Universitätsordnung festgeschrieben würde. Das gäbe mehr Sicherheit.
Michael Hengartner: Man muss die heute geltende Universitätsordnung nicht ändern, sie ermöglicht die Beförderung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden oder Oberassistenten der UZH zu Professoren ad personam schon jetzt. Bisher machten aber nicht alle Fakultäten Gebrauch von dieser Möglichkeit.
Wolfgang Kersten: Gerade deshalb wäre mir eine verbindliche Formulierung, auf die man sich berufen kann, wichtig. Das würde signalisieren, dass in diesem Punkt eine echte Zäsur beabsichtigt ist.
3. Privatdozierende, Habilitation und Venia Legendi
Kommen wir zum letzten Punkt: Wie die Titularprofessur soll auch die Bezeichnung «Privatdozent» neu definiert werden. Bisher darf sich Privatdozent oder Privatdozentin nennen, wer habilitiert hat und einer überprüften Lehrtätigkeit an der UZH nachgeht. Künftig ist der Titel Privatdozent nicht mehr mit der Pflicht, sondern nur noch mit dem Recht auf Lehre an der UZH verbunden. Der Titel wird allen Habilitierten auf Lebenszeit vergeben. Warum diese Neuregelung?
Michael Hengartner: Mit der Neubestimmung der Privatdozentur machen wir die personelle Besetzung von Lehrfunktionen an der UZH unabhängiger vom Kriterium, ob jemand habilitiert hat oder nicht. Die neue Regelung zielt auf eine Gleichbehandlung von Habilitierten und Nicht-Habilitierten mit äquivalenter Qualifikation. Die Habilitation beinhaltet aber weiterhin das Recht auf Lehre an der UZH, das heisst: Die mit der Habilitation verknüpfte Venia Legendi besteht fort.
Frau Maake und Herr Kersten, was sagen Sie zu diesem Vorschlag?
Caroline Maake: Ich begrüsse sehr, dass die Venia Legendi beibehalten wird, denn sie ist essenziell für die Freiheit der Lehre an der UZH. Privatdozierende, die nicht ohnehin schon in die curriculare Lehre eingebunden sind, können in ihrem Fach weiterhin freie, also aussercurriculare Lehrveranstaltungen anbieten, wenn sie es wollen.
Wolfgang Kersten: Der Entscheid, die Venia Legendi beizubehalten – wenn auch in leicht veränderter Form – ist auch deshalb richtig, weil die Venia Legendi der UZH ein international anerkanntes Gütesiegel ist. Wer sie bei Bewerbungen an in- und ausländischen Universitäten vorweisen kann, hat in der Regel einen Vorteil.
Die UZH garantiert Habilitierten, die eine freie Lehrveranstaltung durchführen wollen, weiterhin einen Unterrichtsraum und eine Ankündigung im Vorlesungsverzeichnis. Bedeutet dies nicht eine Bevorzugung gegenüber ähnlich qualifizierten Nicht-Habilitierten?
Michael Hengartner: Auf dem Papier schon. Sehen Sie, wir gehen dem Optimum immer schrittweise entgegen, die perfekte Regelung werden wir nicht auf einen Schlag erreichen.Wir sind aber alle vernünftige Menschen, daher kann ich mir nicht vorstellen, dass es im konkreten Fall einem gut qualifizierten, aber nicht habilitierten Wissenschaftler verwehrt würde, eine unbezahlte freie Lehrveranstaltung durchzuführen.
Der Titel «Privatdozent» soll künftig einen akademischen Grad bezeichnen und auf Lebenszeit vergeben werden, ähnlich wie der Doktortitel. Was halten Sie davon?
Wolfgang Kersten: Der PD-Titel ist bis jetzt ein dynamischer Titel, der an fortdauernde Leistungen in der Lehre gebunden ist – Leistungen, die überprüft werden. Wenn nun der Titel nach der Habilitation auf Lebenszeit vergeben werden soll, werden sich einige vielleicht fragen, wozu sie dann noch Lehrveranstaltungen durchführen sollen. Damit ging ein erhebliche Qualitätsverlust in der forschungsorientierten Lehre einher.
Michael Hengartner: Ich gehe davon aus, dass die meisten Privatdozierenden sich weiterhin aktiv in der UZH engagieren werden. Sie haben viel Zeit und Kraft in die Habilitation investiert, weil sie am akademischen Leben interessiert sind – und nicht, um der Universität nach Abschluss ihrer Habilitationsschrift den Rücken zu kehren. Übrigens werden die Lehrveranstaltungen der Privatdozierenden auch weiterhin überprüft werden, und zwar im Rahmen der Lehrevaluationen, die an der ganzen Universität in regelmässigen Abständen stattfinden...
Caroline Maake: ... und bei denen die PDs oft auffällig gut abschneiden.
Michael Hengartner: Das kann ich bestätigen. Die Ergebnisse zeigen, dass Privatdozierende sich oft überdurchschnittlich für die Lehre einsetzen.
Ist es nicht stossend, dass sich gemäss der neuen Regelung auch Habilitierte, die weder Lehrveranstaltungen durchführen noch sonstige Leistungen an der Universität erbringen, als Privatdozentin oder Privatdozent bezeichnen können?
Michael Hengartner: Auch die bisherige Regelung ist nicht ganz konsequent, denn emeritierte Privatdozierende können ja ihren Titel behalten, obwohl sie nicht mehr lehren. Aber das ändert nichts daran, dass die vorgeschlagene Lösung logisch nicht ganz befriedigt. Es wurde deshalb auch erwogen, den PD-Titel ganz abzuschaffen und ihn durch einen Titel zu ersetzen, der keine universitären Leistungen impliziert – «Dr. habil.» zum Beispiel. Dass wir jetzt dennoch die Beibehaltung des PD-Titels vorschlagen, ist ein Zugeständnis an die Tradition. Aber ich diskutiere gern über weitere Vorschläge.
Sind Sie für die Fortführung des PD-Titels, Herr Kersten?
Wolfgang Kersten: Privatdozierende waren ursprünglich Habilitierte, die auf privater Basis eine Vorlesung anboten und von den Hörern direkt dafür bezahlt wurden. Obwohl es das schon lange nicht mehr gibt, hat sich der Titel gehalten. Er ist gesellschaftlich gut eingeführt und mit einem gewissen Prestige verbunden, viele Privatdozierende hängen deshalb daran, was man respektieren kann und muss. Ich persönlich hänge allerdings nicht daran. Für jemanden, der wie ich seit mehr als zwei Jahrzehnten an der UZH angestellt ist, ist der PD-Begriff ausgesprochen missverständlich. Da ich zu hundert Prozent für die Universität Zürich arbeite und mich dieser Institution beruflich dementsprechend verpflichtet fühle, bin ich im wörtlichen Sinn gar kein PD, sondern ein Universitätsdozent.
Bisher erhielten externe Privatdozierende für ihre Lehrveranstaltungen eine sogenannte PD-Entschädigung von rund 1000 Franken pro Semester. Sie wird gestrichen. Warum?
Michael Hengartner: Diese Änderung hat genau genommen nichts mit den Neuregelungen zur Habilitation und zur Ernennung von Titularprofessoren zu tun, sondern mit der seit einigen Jahren an der UZH vorangetriebenen Revision des Lehrauftragswesens, das mit vielen Mängeln und Unsicherheiten behaftet ist. Dass die PD-Entschädigung gestrichen wird, ist auch die Folge eines Bundesgerichtsurteils, welches besagt, dass Personen, die an Universitäten einer bezahlten Lehrtätigkeit nachgehen, angestellt werden müssen. Würden wir an der PD-Entschädigung festhalten, müssten wir automatisch alle anstellen, die an der UZH von ihrem Recht auf freie Lehre Gebrauch machen. Ein solcher Automatismus kann nicht im Sinne der Universität sein. Die Universität muss wählen können, wen sie anstellt und wen nicht.
Was bedeutet die Abschaffung der PD-Entschädigung für die betroffenen PDs?
Caroline Maake: Die PD-Entschädigung ist zwar eher gering, für Viele ist sie aber dennoch wichtig. Ich gehe davon aus, dass sich einige überlegen werden, ob sie es sich zukünftig leisten können oder wollen, aus reinem Idealismus Lehrveranstaltungen durchzuführen.
Michael Hengartner: Ich möchte darauf hinweisen, dass die Summe, die wir heute insgesamt für PD-Entschädigungen aufwenden – es handelt sich um etwa eine Million Franken pro Jahr – weiterhin für Lehrveranstaltungen Externer zur Verfügung steht. Viele externe Dozierende werden also mit einer Anstellung rechnen können. Sie werden auch einen angemessenen Lohn erhalten. Er wird etwa viermal höher als die bisherige PD-Entschädigung sein.
4. Zusammenfassung
Lassen Sie uns zum Schluss die vorgeschlagenen Regelungen nochmals überblicken. Herr Hengartner, worin liegt insgesamt der Nutzen der Neuerungen für die Universität?
Michael Hengartner: Die Universität erhält mehr Spielräume bei der Auswahl der Dozierenden. Es wird einfacher werden, gezielt gute und interessante externe Leute dafür zu gewinnen, das Lehrangebot der UZH zu ergänzen und zu bereichern. Es wird einfacher, Dozierende auch international zu rekrutieren. Und es wird sich durchsetzen, dass engagierte Dozierende mit interessantem Fachgebiet, die keinen Lehrstuhl haben, zu Professoren ad personam ernannt werden. Die vorgeschlagenen Neuerungen werden also insgesamt zu mehr Flexibilität und Durchlässigkeit in der Professorenschaft führen.
Frau Maake, Herr Kersten, nennen Sie bitte nochmals Ihre wichtigsten Anliegen.
Caroline Maake: Ich begrüsse es, dass die Habilitation beibehalten wird und dass sie weiterhin Richtwert bleiben soll bei der Bestimmung der Anforderungen, die an Professuren gestellt werden. Dies sollte prinzipiell auch für Titularprofessuren gelten. Ebenso begrüsse ich, dass die Habilitation weiterhin zur Lehrbefugnis, der Venia Legendi, führt. Dass die Privatdozentur nicht mehr an einen Lehrnachweis gebunden ist, wird sich wahrscheinlich als problematisch für die UZH erweisen. Wichtig aber ist, dass fähige und engagierte Privatdozierende in Zukunft eine reale Perspektive auf eine vollwertige, mit allen Rechten verbundene Professur erhalten. Damit es nicht beim Versprechen bleibt, werden wir Privatdozierenden darauf pochen, dass dieser Punkt explizit und in verbindlicher Form in der Universitätsordnung vermerkt wird.
Wolfgang Kersten: Auch bei der Neudefinition der Titularprofessur werden die Privatdozierenden mehr Präzision und Verbindlichkeit einfordern. Wir legen grossen Wert darauf, dass die Anforderungen, die bis heute an diesen Titel geknüpft sind, nicht aufgeweicht werden, damit das Ansehen der Titularprofessur keinen Schaden nimmt. Für externe Dozierende, die über keine Qualifikation auf dem Niveau einer Habilitation verfügen, sollte ein anderer Titel eingeführt werden, zum Beispiel die Honorarprofessur.