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Gefässkrankheit Moyamoya

Wenn Kinder Schlaganfälle haben

Die Neurochirurgin Nadia Khan ist eine weltweit bekannte Spezialistin für Moyamoya. Kinder, die an dieser gefährlichen Gefässkrankheit leiden, operiert sie am Kinderspital Zürich mit grossem Erfolg – vorausgesetzt, die Behandlung beginnt früh genug. 
Marita Fuchs
Auf Einladung von Nadia Khan (vordere Reihe Mitte) treffen sich Eltern von Moyamoya-Kindern regelmässig im Kinderspital Zürich.

Der kleine Roman ist krank. Eine mysteriöse Krankheit hat den bisher fidelen Zweijährigen befallen. Zunächst klagt er über Kopfweh, plötzlich zittern seine Arme, er kann nicht mehr nach einem Löffel greifen, und was die Eltern noch mehr besorgt: Er kann immer schlechter sehen und kaum sprechen.

Roman lebt in der Ukraine, in Lwiw, früher Lemberg. Die Ärzte am dortigen Kinderspital sind ratlos, doch eine Ärztin hat einen Verdacht: Es könnte sich um Moyamoya handeln. Die Ausstattung des Spitals in Lwiw ist nicht ausreichend, um diese Diagnose zu bestätigen, es gibt keine Geräte mit modernen bildgebenden Verfahren. Doch die Ärztin weiss von einer Spezialistin, die in Zürich am Kinderspital arbeitet und an Moyamoya erkrankten Kindern helfen kann.

Rauchwolke im Kopf

So setzt sie sich ans Telefon und ruft bei Nadia Khan an, die sich sofort bereiterklärt, Roman zu behandeln. Khan ist Neurochirurgin und arbeitet am Kinderspital Zürich. Sie ist weltweit bekannt als Moyamoya-Spezialistin und betreut im Moment Kinder aus elf Ländern.

Bei Moyamoya handelt es sich um eine Gefässkrankheit, bei der sich wichtige Arterien des Hirns verschliessen und dort zu einer Verminderung des Blutflusses führen. Um diese Blockade zu kompensieren, bilden sich lauter kleine Nebengefässe aus, die versuchen, den Blutfluss aufrecht zu erhalten. «Diese Nebengefässe im Gehirn sehen in der Röntgenangiographie wie eine Rauchwolke aus», erklärt Khan. Daher komme auch der Name Moyamoya, der auf Japanisch «Rauchwolke» bedeutet.

Moyamoya wurde in Japan auch zum ersten Mal diagnostiziert. Das war 1957. Es folgte eine Reihe von Berichten aus der gesamten Welt, wobei die meisten Neuerkrankungen bis heute in Japan, China und Korea auftreten. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird für Japan mit etwa 200 angegeben. In der westlichen Welt wird die Häufigkeit der Erkrankung niedriger beziffert, wobei zuverlässige epidemiologische Daten nicht verfügbar sind. Fest steht, Moyamoya tritt in Europa mit ungeklärter Häufigkeit sowohl bei Kindern unter 18 Jahren als auch bei Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren auf. Tendenz steigend.

Nach der Operation kann er wieder laufen und sogar Fussball spielen: Roman mit seinem Vater. (Bild: zVg.)

Symptome können kurzfristig verschwinden

Aufgrund der vielen Symptome ist die Diagnose schwierig. Vielen Ärzten kommt Moyamoya erst spät oder gar nicht in den Sinn, sagt Khan. Dem möchte sie Gegensteuer geben, denn gerade bei Kindern ist schnelles Handeln wichtig, weil die Krankheit rascher voranschreitet als bei Erwachsenen und irreparable Schäden auftreten können.

Denn die neuen Gefässe, die im Gehirn entstehen, können neurologische Schäden nicht aufhalten. Erste Symptome, die durch die Durchblutungstörung verursacht werden, sind ähnlich wie bei einem Schlaganfall: Schwäche von Gliedmassen (auch nur einer Körperhälfte), Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Sprachprobleme. Diese Symptome können kurzzeitig verschwinden, zeigen sich aber erneut und können unbehandelt zu schweren neurologischen Defiziten und bleibender Behinderung führen. «Vor allem bei Kleinkindern ist schnelle Hilfe geboten, damit es nicht zu dauerhaften Verlusten kommt», sagt Khan.

Deshalb war Khan – als die Ärztin von Roman aus der Ukraine anrief – auch sofort bereit, das Kind zu behandeln. Dazu musste der Junge jedoch nach Zürich kommen. «Die Eltern hatten zu wenig Geld. Da hat sich das ganze Dorf zusammengetan und Geld für Roman gespendet», erzählt Khan. So kam er nach Zürich. Das war vor zwei Jahren. «Der Junge war sehr krank», erzählt die Neurochirurgin, der Verdacht auf Moyamoya bestätigte sich schnell. Nadia Khan entschloss sich zur Operation.

Schwierige Operation

Keine leichte Sache: Etwa acht Stunden dauert der Eingriff, in dem ein oder mehrere Bypässe zwischen Arterien im Gehirn gelegt werden.

Die zugrunde liegende Idee ist, bei Patienten, die an einem Verschluss einiger Blutgefässe leiden, den Blutfluss im Gehirn zu ermöglichen und so allfälligen Schlaganfällen vorzubeugen. «Die Bypass-Chirurgie spielt eine wichtige Rolle zur Eindämmung der Moyamoya-Krankheit», sagt Khan, die auf dieses Operationsverfahren spezialisiert ist und viel Erfahrung mitbringt. Roman musste sich gleich zwei Operationen unterziehen. Den Eltern wurde im Kinderspital ein Elternzimmer zur Verfügung gestellt, so konnten sie ihren Sohn in der schwierigen Zeit begleiten.

Betreut Kinder aus aller Welt: Neurochirurgin Nadia Khan.

Im Mai 2014 kam Roman zur Nachkontrolle. Ein Jahr sind seit den Operationen vergangen und Nadia Khan erkannte den Buben kaum wieder. Roman spricht, kann sich gut bewegen und – Fussball spielen!

Für Khan ist Roman ein Paradebeispiel dafür, dass Moyamoya-Kinder rechtzeitig behandelt werden müssen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Dazu gehört natürlich die richtige Diagnose. Seit einigen Jahren führt sie deshalb eine Informationskampagne auch unter Ärzten und auf Kongressen, um die Krankheit bekannter zu machen und zu erläutern, wie die beste Behandlungsmöglichkeit aussieht.

Regelmässige Kontrolle

Die Ärztin engagiert sich stark für ihre kleinen Patienten. Sie hat zwei Kinderbücher zusammen mit Schweizer Grafikern gestaltet, in denen die Kinder auf kindgerechte Weise Wesentliches über die Krankheit, die Untersuchungsmethoden und die Operation erfahren. «Ich will ihnen die Angst nehmen», sagt sie und erklärt, dass ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit darin besteht, mit den Kindern und den Eltern zu sprechen. So ist auch das Verhältnis zu Roman und anderen Kinder sehr herzlich. Kommen ihre ehemaligen Patienten zur regelmässigen Nachkontrolle, ist das immer auch eine grosse Freude für sie, sagt die 47-Jährige, die selbst keine Kinder hat. «Doch das stimmt gar nicht», relativiert sie lachend: «Ich habe mindestens hundert Kinder.»

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